Zwischen Bürgerengagement und künstlerischen Höhenflügen: Vor 60 Jahren wurde das wiederaufgebaute Nationaltheater in München eröffnet. Dass es nach der Zerstörung überhaupt dazu kam, war alles andere als selbstverständlich. Ein Rückblick auf die spannende Zeit der Bayerischen Staatsoper zwischen 1945 und 1963.
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Münchner Nationaltheater
60 Jahre Wiedereröffnung
Vor 80 Jahren, in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1943, wenige Stunden nach einer gut besuchten Vorstellung, trafen Spreng- und Brandbomben das alte Münchner Hoftheater. Die Hitze des Feuers ließ selbst die eiserne Bühnenkonstruktion schmelzen, der Zuschauerbereich wurde vollkommen zerstört. In den frühen Morgenstunden stürzte der Portikusgiebel in sich zusammen, Apoll und die neun Musen zerschellten auf dem Max-Joseph- Platz. Die einst so stolzen Säulen ragten sinnlos in den Himmel.
Das im 2. Weltkrieg zerstörte Nationaltheater in München, aufgenommen 1949 | Bildquelle: picture-alliance/ dpa | dpa Der damals 79-jährige Richard Strauss schrieb an den Wiener Kulturreferenten: "Noch so ein Angriff und das bayerische Pompeji wird eine große Sensation! Ich danke Ihnen herzlich für Ihre teilnahmsvollen Worte zur Zerstörung des lieben alten Hoftheaters, in dem ich mit sechs Jahren zuerst den "Freischütz" hörte, wo mein Vater 49 Jahre am ersten Hornpult saß und in dem zuletzt die Freude meines Alters, die vorbildlichen Aufführungen meiner Werke unter Clemens Krauss, für mich wenigstens immer in Schutt und Asche gesunken sind." Auch der 2020 verstorbene Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel hatte noch eigene Erinnerungen an das zerstörte Theater. Im Juli 1944 habe er auf dem Max-Joseph-Platz gestanden und die Trümmerlandschaft gesehen: "Das ist ja den meisten Jungen gar nicht mehr vorstellbar, dass München zu 47 Prozent zerstört war und dass insbesondere die Innenstadt ein weites Trümmerfeld gewesen ist."
Nach Kriegsende wurde die Münchner Innenstadt bald rundherum wieder aufgebaut. Doch das Nationaltheater blieb trostlose Ruine. Moos begann über die Trümmer zu wachsen, der Regen drang in die offenen Mauerkronen, Frösche quakten im Tümpel der Bühnengrube. Die Bayerische Staatsoper nahm trotzdem ihren Spielbetrieb schon 1945 wieder auf, und zwar im Prinzregententheater, das den Krieg so gut wie unbeschadet überstanden hatte. Was damals als Interimsphase gedacht war, dauerte schließlich 18 Jahre – eine musikalisch und künstlerisch denkwürdige Zeit, die vielen Beteiligten trotz oder vielleicht gerade wegen aller schwierigen Begleitumstände in bester Erinnerung geblieben ist.
Ich denke mit ganz großer Liebe und Dankbarkeit ans Prinzregententheater.
Die Sängerin Inge Borkh 1952. | Bildquelle: picture-alliance / akg-images | akg-images / Gert Schuetz "Ich denke mit ganz großer Liebe und Dankbarkeit ans Prinzregententheater", berichtet etwa die 2018 verstorbene Sopranistin Inge Borkh, die im Prinzregententheater bereits während der frühen 50er-Jahre große Partien wie Salome, Elektra oder die Ägyptische Helena interpretierte. Es verlangte aber auch Opfer von den Künstlerinnen und Künstlern, unter solchen Umständen zu spielen. Es gab nicht viel Geld für das Theater. Und die Kostüme, die den Krieg überstanden hatten, wurden weiter benutzt. Insbesondere an die Schuhe hat die Sopranistin Antonia Fahberg keine besonders guten Erinnerungen. Die alten Kostüme mussten "aufgetragen werden, das war teilweise schon fürchterlich, vor allem die Schuhe. Mein Gott, diese Schuhe, wenn man da einen ganzen Abend auf der Bühne stehen muss, mit Schuhen, die nicht passen". Doch sie seien damals "jung und couragiert" gewesen, und "es war uns eine Freude, auf die Bühne zu gehen und die Kollegen waren alle furchtbar nett und auch sehr ambitioniert", erzählt Antonia Fahberg.
Die Sopranistin war ab 1952 Mitglied des legendären Münchner Ensembles, dem in diesen Jahren auch Lorenz Fehenberger und Lisa della Casa angehörten, Hans Hotter, Hermann Uhde, Max Pröbstl, Karl Ostertag und Benno Kusche, Leonie Rysanek, Erika Köth, Sari Barabas, Marianne Schech, Hertha Töpper oder Lilian Benningsen. Der junge, von der amerikanischen Militärregierung als Generalmusikdirektor eingesetzte Georg Solti wurde in München aber trotz großer Erfolge nie recht heimisch und wechselte nach sechs Jahren nach Frankfurt. Noch deutlich kürzere Episoden blieben die Amtszeiten seiner Nachfolger Rudolf Kempe und Ferenc Fricsay. 1959 übernahm der bei Sängern und Musikern bereits hochgeschätzte Joseph Keilberth die Position. Er behielt sie bis zu seinem plötzlichen Tod 1968, als er während einer Tristan-Vorstellung am Pult des Münchner Nationaltheaters zusammenbrach.
Der Knappertsbusch war ja, mei der war ja göttlich.
Für Erweckungserlebnisse ganz anderer Art sorgte Hans Knappertsbusch, der neben Mozart, Wagner und Strauss recht eigentlich als vierter Hausgott der Bayerischen Staatsoper galt. Schon in den Zwischenkriegsjahren wurde er von den Münchnern heiß geliebt, nach dem Krieg war "Kna" Kult und Legende zugleich – auch ohne Proben, die er bekanntlich hasste. So ist etwa Antonia Fahberg einmal als Marzelline im Fidelio eingesprungen – ohne eine Probe sollte sie es zum ersten Mal auf der Bühne in der Vorstellung singen: "Ich bin schon draußen gesessen, hab mir die Ouvertüre angehört und dann ging der Vorhang auf und bevor ich zum Singen anfang, steht der Kna auf und dirigiert mich. Mir hat überhaupt nichts passieren können, der Kna war ja, mei der war ja göttlich", erinnert sich die Sängerin.
Etwas im Schatten der "Göttlichen" standen immer auch solche hochverdienten und unverzichtbaren Musiker, die den täglichen Opernbetrieb am Laufen halten und überall dort helfen, wo Not am Mann ist: Heinrich Bender, das wandelnde Repertoire des Hauses, der Joker des Betriebsbüros für alle schwierigen Fälle. Ihm eilte der Ruf voraus, jedes beliebige Operdirigat ad hoc übernehmen zu können, und in den 2000 Aufführungen, die er in vier Jahrzehnten an der Bayerischen Staatsoper geleitet hat, stellte er das oft genug unter Beweis. Etwa als Carlos Kleiber ein abendliches Akademiekonzert um 14 Uhr absagte und Herbert List stattdessen spontan eine Aufführung der Salome ansetzte: "Keine Probe, nicht fünf Minuten, ich bin ans Pult gegangen und hab dirigiert“, erzählte der 2016 verstorbene Heinrich Bender. Viele solcher Husarenstückchen hat er erlebt. Sie basierten auf zwei Voraussetzungen, die heute immer seltener werden: Einem korrepetierenden "Hausdirigenten", der mit sämtlichen Produktionen vertraut ist, und einem festen, aufeinander eingespielten Ensemble.
Die Bayerische Staatsoper feiert 2023 auch noch ein weiteres Jubiläum: 500 Jahre Bayerisches Staatsorchester. Lesen Sie hier das BR-KLASSIK-Dossier zum Jubiläum.
Bei all diesen künstlerischen Höhenflügen in den Jahren am Prinzregentenpatz könnte man fast den Eindruck gewinnen, das Nationaltheater sei gar nicht besonders vermisst worden. Ganz falsch: Selbst die Ruine wurde noch vielfältig genutzt. Intendant Rudolf Hartmann war gleich zu Beginn seiner Amtszeit 1952 samt Verwaltung, Werkstätten und Betriebsbüro in den noch bestehenden Gebäudetrakt an der Maximilianstraße eingezogen. Auch Orchester, Chor, Ballett und Solisten probten in den Seitentrakten in leidlich erhaltenen Räumlichkeiten, mit denen das Prinzregententheater nicht hinreichend ausgestattet war. Der ganze Betrieb war dadurch auseinandergerissen. Und der unvorstellbare Opernhunger der Münchner konnte trotzdem nicht gestillt werden. Das, so erklärte der frühere Vorstandsvorsitzende der Freunde des Nationaltheaters Berthold Eichwald, war das Gründungsmotiv seines Vereins. Das Prinzregentheater hatte nämlich nur halb so viele Plätze wie das Nationaltheater. Die Theatergemeinde, aus deren Kreis der spätere Freundes-Verein entstanden ist, kümmerte sich um den Kartenverkauf – und spürte den Mangel ganz besonders. Doch ausschlaggebend für Vereinsgründung und Einsatz zum Wiederaufbau des Nationaltheaters waren schließlich Gerüchte, dass die Ruine des Nationaltheaters abgerissen werden sollte. "Das war dann so der letzte Punkt, dass eben diese zwölf wackeren Männer, die allesamt aus dem Kreis der Theatergemeinde kamen, voran Arthur Bader, gesagt hat, wir müssen hier was tun. Wir müssen einen Verein gründen, der sich um den Wiederaufbau kümmert", erzählte Berthold Eichwald.
"Wenn nicht innerhalb eines Jahres etwas geschieht, dann kommt der Bagger!" – mit dieser dramatisch illustrierten Warnbotschaft wandte sich der Verein 1952 erstmals an die Öffentlichkeit. Die "zwölf Apostel" wurden seine Gründerväter in München bald genannt. Und tatsächlich handelte es sich bei ihren Predigten nicht um grundlose Panikmache: Das sogenannte "Trümmergesetz", das die Räumung von zentralen Ruinengrundstücken gebot, wollten offenbar nicht wenige Verantwortliche auch auf den hinderlichen Schutthaufen des Nationaltheaters anwenden, um an dessen Stelle etwas Nützlicheres wie Banken oder Versicherungen errichten zu können. Das Theater könnte ja später immer noch irgendwo und irgendwie neu gebaut werden. Eine Rechnung, die ganz klar ohne die Münchner Bürger gemacht war, wie Berthold Eichwald betonte: "Also München hat schon immer eine sehr enge, eine emotionale, eine sehr liebenswürdige, liebenswerte Nähe zur Musik und insbesondere zur Oper gehabt." Und zu diesem Selbstverständnis gehörte eben auch dieses Haus.
Außerdem war es ja schließlich nicht das erste Mal, dass man es wieder aufbauen musste. Schon 1823 war das durch Karl von Fischer erbaute Theater an derselben Stelle bis auf die Grundmauern abgebrannt. Um ihrem König den Wiederaufbau durch Leo von Klenze zu ermöglichen, legten sich die Münchner Bürger sogar eine Steuer auf ihr Grundnahrungsmittel auf, den sogenannten "Bierpfennig“"– jede Maß wurde so zum honorigen Akt der Kulturförderung! Knapp 130 Jahre später ließen sich die rührigen Freunde des Nationaltheaters eine nicht weniger zünftige Art der Spende einfallen: Eine Tombola nie dagewesenen Ausmaßes in der Neuhauser Straße, ein Riesenspektakel mit Prominenten aus Politik und Kultur, Losverkäuferinnen in Kaminkehrerkostümen, Feuerwehrblaskapelle und zwei Braunbären aus dem Tierpark. Die Münchner Geschäftswelt durfte sich in mobilen Pavillons präsentieren und stiftete im Gegenzug für diese Werbemöglichkeit hochwertige Preise. Vom Auto bis zum Pelzmantel, vom Kühlschrank bis zur frisch geschlachteten Gans konnte man so ziemlich alles gewinnen. Die Lose kosteten 50 Pfennige und fanden reißenden Absatz, denn schließlich galt’s hier der Kunst! Bürgerliches Engagement zugunsten jenes Theaters, in dem einst Wagners Meistersinger uraufgeführt worden waren.
Der Erlös der ersten Tombola betrug nach Abzug der Steuern stolze 600 000 DM, die die Freunde des Nationaltheaters nun dem Kultusministerium überreichen wollten, als ersten Beitrag zum ersehnten Wiederaufbau. Doch wider Erwarten war es fast noch schwieriger, diese Summe loszuwerden, als sie einzusammeln. Statt die öffentliche Hand einfach aufzuhalten, zierten sich die Behörden – allerdings nicht ohne Grund: Soeben erst war in direkter Nachbarschaft der Ruine das Residenztheater errichtet worden, bei dessen Bau die Kosten derart explodiert waren, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss einberufen wurde. Viel Ärger also für Ministerialbeamte, die sich jetzt keinesfalls von irgendeinem Bürgerverein zu ähnlich problematischen Ausgaben verpflichten lassen wollten. Als offizielles Argument musste zudem der Vorrang von Schul- und Klinikbauten herhalten. Doch die Freunde des Nationaltheaters ließen sich nicht entmutigen und wandten sich an den Finanzminister. Die Summe aus der Tombola wurde dann zweckgebunden in den Bestand übernommen mit der Auflage, dass die "Entschuttung" begann (das Geröll musste weggeräumt werden) und dass der Portikus wieder aufgebaut wird. So sollte man eine Vorstellung davon bekommen, wie das alte Nationaltheater ausgesehen hatte.
Der Zuschauerraum und die Königsloge während des Baus im Sommer 1963. | Bildquelle: picture alliance / Klaus-Dieter Heirler | Klaus-Dieter Heirler Für die meisten Münchner war klar, dass das neue Theater so aussehen sollte wie das alte. Architekt Gerhard Graubner gewann 1954 den Wettbewerb, der mit dem Ziel ausgeschrieben wurde, "die Würde des früheren Nationaltheaters" wieder zu erreichen. Letztendlich hieß das: möglichst viel Klassizismus bei moderner Bausubstanz und Technik; Stuck, Samt und Kronleuchter für München, während andere Städte im radikalen Erneuerungswillen der früheren Nachkriegsjahre auf moderne Architektur und nüchterne Optik gesetzt hatten. Alljährlich rührten die fantasievollen Freunde des Nationaltheaters die Spendentrommel mit ihren Tombolas, mit Benefizbällen, Herrenabenden, Großflugtagen und Galakonzerten, bei denen die Münchner Künstlerinnen und Künstler auf ihre Gage verzichteten. An einer Unterschriftenaktion der Süddeutschen Zeitung zugunsten des Wiederaufbaus beteiligten sich binnen weniger Wochen 200.000 Münchner und Opernfreunde aus aller Welt. Als die erhoffte Eröffnung zur 800-Jahrfeier der Stadt 1958 aufgrund ungeklärter Finanzierungsfragen wiederum in weite Ferne rückte, gab es entschiedenen Protest aus dem musikalischen Olymp: Hans Knappertsbusch kündigte 1957 an, im kommenden Jahr der 800-Jahrfeier nicht zu dirigieren. Schließlich genehmigte der Landtag im August 1958 den ersten Bauabschnitt.
Auf einmal ging es dann ziemlich schnell: Innerhalb von fünf Jahren erstand das Haus in alter Pracht. 62 Millionen DM hat es gekostet, etwa ein Zehntel davon trugen die Münchner Bürger bei. Am 21. November 1963 wurde es eröffnet, zunächst mit einem Staatsakt am Vormittag. In Anwesenheit repräsentativer Mitglieder von Bundesrat, Bundestag, Bayerischem Landtag und Senat im Zuschauerraum, sowie der ehemaligen und aktuellen Sänger des Ensembles, der Choristen, Arbeiter und Angestellten, die allesamt auf der riesigen offenen Bühne versammelt waren, übergab Ministerpräsident Alfons Goppel dem Intendanten Rudolf Hartmann die symbolischen Schlüssel. Der erste Ton Musik im neuen Haus erklang gerechterweise unter der Leitung von Hans Knappertsbusch, der Beethovens Ouvertüre Die Weihe des Hauses dirigierte.
Am selben Abend stand als Eröffnungsoper Die Frau ohne Schatten von Richard Strauss in der Inszenierung des Hausherren auf dem Programm, mit Ingrid Bjoner und Jess Thomas als Kaiserpaar, Inge Borkh und Dietrich Fischer-Dieskau als Färberpaar, Marta Mödl und Hans Hotter als Amme und Geisterbote. Selbst die "Ungeborenen" waren mit Lotte Schädle und der jungen Brigitte Fassbaender hochkarätig besetzt. Die Leitung hatte Generalmusikdirektor Joseph Keilberth. Die opferbereiten Münchner Bürger konnten dieser glanzvollen Vorstellung allerdings nicht beiwohnen, nur geladene Gäste der Staatsregierung. Erst zwei Tage später wurden die Türen mit den Meistersingern für das zahlende Publikum geöffnet.
Generalmusikdirektor Joseph Keilberth dirigiert die amerikanische Nationalhymne, auf der Bühne Alfons Goppel und Rudolf Hartmann. | Bildquelle: picture alliance / Georg Goebel | Georg Goebel Überschattet wurde diese Eröffnung von der Ermordung John F. Kennedys. Die Fahnen wehten auf Halbmast. Erst nach der amerikanischen Nationalhymne erklang das festliche C-Dur der Meistersinger-Ouvertüre und leitete über zu einem denkwürdigen Opernabend, wiederum unter der Leitung von Joseph Keilberth und in der Inszenierung Rudolf Hartmanns. Der Stolzing Jess Thomas war – ebenso wie das Evchen Claire Watson - als amerikanischer Staatsbürger von den Umständen besonders betroffen, hielt sich aber ausgesprochen tapfer und ließ sich noch nicht einmal merklich irritieren, als während des Preisliedes im 3. Akt das Licht ausfiel und angesichts der plötzlichen Finsternis von "morgenlichem Leuchten" keine Rede sein konnte.
Die "Musen des Parnass" erwiesen sich allerdings in diesem Fall als ziemlich unerschwinglich, jedenfalls für die meisten jener Münchner, die zehn Jahre lang für ihr Opernhaus Lose gekauft hatten. Im Vergleich zum Preis von 25 DM für eine Karte in der ersten Parkettreihe bei einer „normalen“ Vorstellung waren 500 DM schon eine beträchtliche Summe. Nicht natürlich für die Prominenten wie die im Chinchillacape erschienene Begum, für Soraya, Curd Jürgens und Gunther Sachs. Für deren Verköstigung wurden 3000 Flaschen Champagner, 250 Hummer und 40 Pfund Kaviar bereitgehalten. Sei’s drum, denn es folgten noch weitere Premieren in den Eröffnungs-Festwochen – ebenso hochkarätig besetzt, aber zu bürgerfreundlicheren Preisen. So etwa Fidelio unter Karajan, Aida unter Böhm und die Uraufführung der Kleist-Oper Die Verlobung in San Domingo von Werner Egk in der Inszenierung Günther Rennerts. Unter der Leitung des Komponisten sang der damals frisch ernannte Bayerische Kammersänger Fritz Wunderlich die männliche Hauptpartie.
Wieso eigentlich ausgerechnet eine Oper des einst von Goebbels geförderten Komponisten Werner Egk sowie die als Reichsparteitags-Spektakel missbrauchten Meistersinger in der Premierenwoche gespielt wurden, wie es um die Vergangenheit des Intendanten Rudolf Hartmann stand, wie ab 1933 mit jüdischen Mitarbeitern umgegangen und wie der Spielplan von der NS-Kulturpolitik beeinflusst wurde – all das untersuchte erst sehr viel später ein Forschungsprojekt. Nikolaus Bachler hat es während seiner Intendanz 2013 zu den 50-Jahr-Feierlichkeiten beim Institut für Theaterwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München in Auftrag gegeben.
Dass auf einer Bronzetafel im Eingangsbereich des Nationaltheaters noch heute zu lesen ist, das neuerbaute Haus sei am 23. November 1963 eröffnet worden, rechnete der langjährige Intendant Rudolf Hartmann in seinen Memoiren zu den Münchner Merkwürdigkeiten wie das Oktoberfest im September und der Leberkäs ohne Leber. Auf jeden Fall steht das Nationaltheater heute so prächtig da, weil die Münchner so vehement dafür einstanden. Und man kann ihm nur wünschen, dass die jetzt noch "Ungeborenen" das Haus so lieben wie die vorangegangenen Generationen.
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