Er ist schon seit geraumer Zeit Assistent von Simon Rattle. Jetzt hat der Klarinettist Andreas Ottensamer bekanntgegeben, seine Solostelle bei den Berliner Philharmonikern aufzugeben, zugunsten der Dirigentenkarriere. Steht da gar schon ein Vertrag im Raum? Und spielt er jetzt gar nicht mehr Klarinette? Wir haken nach.
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BR-KLASSIK: Herr Ottensamer, wenn Sie auf Ihre Zeit als Soloklarinettist bei den Berliner Philharmonikern zurückblicken, was werden Sie vermissen?
Andreas Ottensamer: Naja, ich hoffe, dass ich nicht den Kontakt verliere. Das ist zumindest mein Anspruch. Die Perspektive ändert sich vielleicht, aber man ist ja nicht aus der Welt. Aber klar, es ist immer eine tolle Energie, in so einem großen Miteinander zu musizieren. Das ist schon etwas sehr Besonderes.
BR-KLASSIK: Die Berliner Philharmoniker sind eines der besten Orchester, die wir in Deutschland haben. Da haben Sie auch viele Dirigentinnen und Dirigenten erlebt. Wer hat Sie denn besonders beeindruckt und warum?
Andreas Ottensamer: Es ist schwer, in diesem grundsätzlich sehr inspirierenden Arbeitsumfeld jemanden hervorzuheben. Klar, die Chefdirigenten bleiben sicher stark in Erinnerung: Claudio Abbado oder Simon Rattle und jetzt auch Kirill Petrenko. Das sind schon spezielle Aufeinandertreffen. Da merkt man auch, wie das Orchester nochmal eine Stufe mehr gibt. Das ist schön zu erleben.
BR-KLASSIK: Und was motiviert Sie? Warum wollen Sie jetzt dirigieren? Also zusätzlich?
Dreimal Ottensamer, dreimal Klarinette: Vater Ernst und die Brüder Daniel und Andreas | Bildquelle: The Clarinotts
Andreas Ottensamer: Das ist natürlich nicht über Nacht entstanden, sondern war ein langer Prozess, der wahrscheinlich immer schon in mir geschlummert hat. Eigentlich muss man die Schuld meiner Mutter ein bisschen in die Schuhe schieben (lacht). Als ich mit Klarinette angefangen habe, hat sie mich gefragt, ob das denn wirklich so ein smarter Plan ist, wenn es schon zwei Klarinettisten in der Familie gibt ...
BR-KLASSIK: … der Papa und der Bruder …
Andreas Ottensamer: Genau. Sie hat immer so ein bisschen nach Alternativen gesucht, und eine davon war eben, dass sie mich in die Dirigentenklasse an der Uni in Wien eingeschrieben hat. Da war ich etwa 16 Jahre. Also, das war schon früh ein Teil von meinem Gedankengut. Ähnlich wie beim Sport muss man sich dann aber auf eine Sache fokussieren. Das war für mich nicht immer leicht. Ich habe davor auch Klavier und Cello sehr intensiv gespielt. So ähnlich ist es jetzt eigentlich auch mit dem Orchester. Es ist auch keine Entscheidung gegen das Orchester, sondern ein Weg, der sehr viel Zeit, Hingabe, Fokus und auch Energie in Anspruch nimmt. Und da ist irgendwo der eigene Anspruch, dass man das Beste aus sich herausholen möchte.
BR-KLASSIK: Jetzt haben Sie vorhin schon gesagt, dass Sie es sehr geschätzt haben, Teil des Orchesters zu sein. Ist die Rolle des Dirigenten auch die eines Teamplayers?
Andreas Ottensamer: Idealerweise natürlich sehr. Man ist schon viel mehr alleine unterwegs, auf Reisen, aber das kenne ich auch gut als Solist. Die Herausforderung ist, gerade wenn man zu Gast ist bei Orchestern, in kürzester Zeit eine gemeinsame Sprache oder eine Art von gemeinsamer Dynamik zu entwickeln. Idealerweise funktioniert es so, dass man eben nicht autoritär irgendeine Ansage macht. Man ist aber trotzdem nicht genauso Teil eines Orchesters wie als Orchestermusiker. Das muss man schon klar unterscheiden können.
BR-KLASSIK: Gibt es denn was, was Sie mitnehmen aus Musikersicht, wo Sie sagen, das merke ich mir, wenn ich später dann der Dirigent bin, das mache ich anders?
Andreas Ottensamer: Ja, wobei es keine konkreten Dinge sind. Im Prinzip ist das Orchesterspiel nichts anderes als Kammermusik im großen Stil. Natürlich nützt es, zu wissen, wie es sich anfühlt beim Proben, insgesamt das Hintergrundwissen zum Orchesterbetrieb zu haben: Was brauche ich als Musiker an Zeichen? Wo brauche ich eigentlich nichts? Oder wo brauche ich eine klare Ansage? Das sind alles Dinge, die ich dann auch hoffentlich zum Positiven verwenden kann.
BR-KLASSIK: Wie geht es denn jetzt konkret weiter? Wartet schon irgendwo ein Vertrag, der unterschrieben werden will?
Andreas Ottensamer: Kein Kommentar (lacht). In unserer Branche plant man Monate und Jahre, also bis zu drei Saisons voraus. Da weiß ich also, was kommt, und das sind einfach wunderbare Sachen. Da geht es um Opernproduktionen, wo man auch mal zweieinhalb Monate gebunden ist. Ich freue mich auf jeden Fall sehr darauf.
BR-KLASSIK: Und wie ist in der kommenden Zeit das Verhältnis Klarinette – Dirigentenstab?
Andreas Ottensamer: Ich würde sagen, 85 Prozent dirigieren. Ich habe die letzten zwei Saisons gar keine Konzerte am Instrument gespielt und mich da wirklich komplett rausgenommen. Jetzt geht es wieder los. Es ist eher das Spannende, die Balance zu finden. Ich habe mich noch nicht ganz festgelegt, wie ich das in Zukunft handhaben werde. Aber im Laufe des Frühjahrs geht es auch wieder los mit der Klarinette. Ich freue mich sehr darauf, Projekte zu machen, die mir am Herzen liegen, da gibt es auch Pläne mit der "Deutschen Grammophon".
Sendung: "Allegro" am 14.02.2025 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Freitag, 14.Februar, 13:58 Uhr
Trappe
Offensichtlich nur medial unbekannt
Herr Ottensamer war stets ein fantastscher Klarinettist bei den Philharmonikern.
Ich bin mal gespannt, wohin ihn seine Tätigkeit als Dirigent führen wird. Es haben ja schon mit Steffens, Schellenberger, Dodds mehrere diesen Weg eingeschlagen.