Angefangen hat Aziz Shokhakimov mit neapolitanischen Liedern in der usbekischen Hauptstadt. Heute ist er einer der gefragtesten Nachwuchsdirigenten. Der 33-jährige stand bereits am Pult so renommierter Klangkörpern wie der Staatskapelle Dresden oder dem SWR Symphonieorchester. Nun gibt er sein Debüt beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks – als Einspringer für Sir Elliot Gardiner. Im Gespräch mit BR-KLASSIK blickt Shokhakimov zurück auf die Anfänge seiner noch jungen Karriere – und erzählt von seiner ersten Begegnung mit dem BRSO.
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Eine Erfahrung teilt der Debütant schon mal mit dem designierten Chefdirigenten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks: Wie Simon Rattle hat sich auch Aziz Shokhakimov schon früh in den Klang des BRSO verliebt. Und wie beim britischen Sir waren auch bei ihm Aufnahmen mit Rafael Kubelik schuld an diesem ersten Crush: "Als ich mit 12, 13 Jahren mit dem Dirigieren angefangen habe, gab es in meiner Heimat noch kein funktionierendes Internet", erzählt Shokhakimov im Gespräch mit BR-KLASSIK. "Ich besaß auch keinen CD-Player. Wir hatten bloß Vinyl-Schallplatten zuhause, darunter die Aufnahmen aller Mahler-Sinfonien mit Rafael Kubelik."
Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zu dirigieren, war immer mein Traum.
Zuhause – das meint im Fall von Aziz Shokhakimov die usbekische Stadt Taschkent. Durchaus kein weißer Fleck auf der musikalischen Landkarte. Ein gewisser Yefim Bronfman stammt zum Beispiel von dort. Auch er in München kein Unbekannter. Der vom Starautor Phillip Roth anerkennend als "Brontosaurier" und "Mr. Fortissimo" gelabelte Starpianist besuchte sogar dieselbe Schule wie Aziz Shokhakimov: das Uspensky-Musikgymnasium – eine Kaderschmiede für hochbegabte junge Musikerinnen und Musiker aus ganz Usbekistan.
Shokhakimov studiert dort zuerst die Geige, singt aber auch ziemlich begeistert – vor allem neapolitanische Klassiker, Lieder wie Santa Lucia oder O sole mio. "Meine Mutter bat den Dirigenten unseres Schulorchesters und zugleich Professor am Konservatorium, sich meine Aufnahmen anzuhören. Er war recht beeindruckt und lud mich ein, mehrere Konzerte mit seinem Orchester zu singen. Nach dem Stimmbruch bot er mir dann an, mich im Dirigieren zu unterrichten."
Von da an verläuft die Karriere ziemlich steil: Auf erste Dirigierversuche am Pult des Schulorchesters folgt nahtlos das Usbekische Nationalorchester (Shokhakimov ist damals 13!). Und spätestens seit seinem zweiten Platz beim renommierten Mahler-Dirigierwettbewerb der Bamberger Symphoniker im Jahr 2010 stehen Shokhakimov auch international die Türen offen: "Danach erhielt ich eine Einladung der Semperoper und damit der Dresdner Staatskapelle", erinnert sich der Dirigent. Erst 21 war er zu diesem Zeitpunkt. "Das war eine wunderbare Erfahrung. Genauso wie die Einladungen der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, der Düsseldorfer Symphoniker und auch aus Italien. Man muss sich in jedem Land anpassen können und die goldene Mitte finden."
Und im Finden ist Aziz Shokhakimov anscheinend gut. Derzeit ist er Kapellmeister der Deutschen Oper am Rhein – in der kommenden Saison wechselt er die Flusseite und wird zudem noch Chefdirigent beim Orchestre philharmonique de Strasbourg. Dieses älteste Orchester Frankreichs (gegründet 1855) bekommt damit den jüngsten Chefdirigenten (33) seiner Geschichte.
Der junge Usbeke traut sich was zu. Auch für sein Debüt beim BRSO: Unter anderem Dvoraks 9. Symphonie steht auf dem Programm. Ein Klassik-Klassiker also. Und ein Werk, mit dem sich schon andere Dirigenten am Pult des Symphonieorchesters verewigt haben. Shokhakimovs Lieblingseinspielungen? "Eine ist die mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Mariss Jansons, und eine andere unter Kubelik!" Große Namen also, denen Shokhakimov da nachfolgt. Vielleicht gehört er ja selbst mal in diese Reihe.
Sendung: "Leporello" am 18. Juni 2021 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK