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Barbara Hannigan im Interview "Will ich mit diesem Menschen Musik machen?"

Die Dirigentin und Sängerin Barbara Hannigan ist gerade Teil der Jury von "The Mahler Competition" in Bamberg. Worauf achtet sie bei den jungen Dirigent:innen? Wie steht's um den weiblichen Nachwuchs in der Männerdomäne? Und warum schätzt sie eine Bamberger Lokalspezialität eher weniger?

Bildquelle: © Mussacchio und Ianniellos

"The Mahler Competition"

Interview mit Barbara Hannigan

BR-KLASSIK: Die Musik von Gustav Mahler, dirigiert man die mit oder ohne Stab?

Barbara Hannigan: Das hängt natürlich von der Person ab, die dirigiert. Und davon, was sich richtig anfühlt. Es gibt Dirigentinnen und Dirigenten, die wechseln zwischen Stab und Händen, andere nutzen nur den Stab, wieder andere nur die Hände. Ich persönlich dirigiere nur ohne Stab, auch Gustav Mahler, vor ein paar Wochen zum Beispiel die 4. Sinfonie. Ich glaube, es hängt aber auch davon ab, was das Orchester bevorzugt. Manchmal kommt es eben mit Stab besser zurecht. Also: Das ist sehr individuell. Aber das Wichtigste ist, dass die Person, die am Pult steht, authentisch ist.

BR-KLASSIK: Wie erkennen Sie Authentizität beim Nachwuchs? Auf was achten Sie in der Jury?

Barbara Hannigan: Das passiert instinktiv. Und ich denke, dass jedes Jurymitglied da dasselbe sagt: Klar schaust du auf die Technik oder du spürst, ob jemand die Technik beherrscht. Auch wie gut sie die Partitur kennen, wie sie mit dem Orchester kommunizieren und ob da überhaupt eine Chemie herrscht. Und man sieht einfach, ob die Gesten authentisch sind. Das ist eben der Instinkt. Ich spüre einfach: Will ich mit diesem Menschen Musik machen? Vertrauen wir ihm oder ihr?

Marina Mahler sorgt für gute Stimmung

BR-KLASSIK: Und wie einigt man sich unter 15 Jurymitgliedern auf eine Meinung?

Barbara Hannigan: Das Ganze ist ein Prozess. Klar ist: Wir entscheiden uns nicht alle gemeinsam für eine Person. In den ersten Runden schauen wir erstmal, wer überhaupt weiterkommt oder wer noch nicht soweit ist. Am Ende müssen wir dann natürlich übereinstimmen. Dann werden unsere Treffen länger und länger. Wir diskutieren stundenlang. Und diesen respektvollen und wohlwollenden Umgang miteinander, das mag ich so beim Mahler-Wettbewerb. Das liegt zum einen an den Bamberger Symphonikern, aber auch an Marina Mahler, die für gute Stimmung sorgt. Das ist einfach etwas Besonderes, wenn du weißt, dass die Enkelin von Gustav Mahler mit dabei ist. Und rückblickend ist es uns immer gelungen, einen ersten Platz zu finden. Und wir fühlten uns auch alle gut mit unserer Entscheidung. 

Bleiben wir positiv. Irgendwann wird das vollkommen normal sein, dass mehr Frauen dirigieren werden.
Barbara Hannigan

BR-KLASSIK: Heuer gibt es unter 20 Teilnehmenden nur vier Frauen – warum gibt es immer noch weniger Frauen als Männer am Pult?

Barbara Hannigan: Ja, dieses Jahr gibt es vier KandidatINNEN. Das ist schon mal mehr als beim letzten Mal. Also schon mal eine Verbesserung. Grundsätzlich denke ich, dass es auch an der Ausbildung liegt. In anderen Berufen ist das auch so. Vor zwei Generationen gab es kaum Frauen, die als Ärztinnen gearbeitet haben. Also: Bleiben wir positiv. Irgendwann wird das vollkommen normal sein, dass mehr Frauen dirigieren werden.

Wechsel zwischen Sängerin und Dirigentin

BR-KLASSIK: Sie sind jetzt Teil einer Jury für Dirigieren. Auf dem Programm stehen unter anderem die "Frühen Lieder" von Alban Berg, die Sie auch selbst gesungen haben – ist es nicht schwer, in der "Rolle" zu bleiben?

Barbara Hannigan: Ich kenne die Lieder sehr gut, ich habe sie in allen möglichen Fassungen gesungen und kenne jede Note. Und zwar wirklich. Ich studiere immer auch die ganze Partitur, auch wenn ich singe, sprich, ich weiß genau, was das Orchester macht und auf was man am Pult achten muss – also im Grunde ist es "Business as usual"; nichts Ungewöhnliches.

BR-KLASSIK: Also kein Drang, plötzlich selbst singen zu wollen?

Barbara Hannigan: (lacht) Nein, absolut nicht. Ich bin so froh auf der anderen Seite zu sitzen und nur zuzuhören. Außerdem singt ja mit Thomas Hampson einer der ganz Großen, mit dessen Aufnahmen ich aufgewachsen bin. Das ist auch eine große Ehre, ihn zu hören. 

BR-KLASSIK: Abschließend zurück zur besonderen Atmosphäre in Bamberg, das ja auch berühmt ist für sein Rauchbier. Schon mal eines getrunken?

Barbara Hannigan: (lacht) Als ich zum ersten Mal in Bamberg bei den Symphonikern gesungen habe, um 2003 war das, haben einige zu mir gesagt: Du musst unbedingt das Rauchbier versuchen. Also habe ich probiert. Genau einmal vor 20 Jahren und dann nie wieder. Und ich habe nicht mal das Glas ausgetrunken. Mir ist das zu stark und ich mag so starke Biere nicht. Aber wenigstens habe ich es probiert. Und es gibt auch ein Beweisfoto davon.

Sendung: "Allegro" am 6. Juli 2023 um 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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