Wie das Haus bestätigt hat, hat die Staatsoper ihrem Chorleiter fristlos gekündigt. Seit etwa einer Woche ist Stellario Fagone nicht mehr im Amt. Über die Gründe für die Entlassung schweigen sich beide Parteien aus. Der Kinderchor zeigt sich jedoch entsetzt über die Abberufung von Fagone. In einem Schreiben, das BR-KLASSIK vorliegt, fordern die Jugendlichen ihren alten Chorleiter zurück.
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Seit dem 7. März sei Stellario Fagon "nicht mehr an der Bayerischen Staatsoper tätig". Das erklärt Michael Würges, Pressesprecher des Hauses auf Anfrage von BR-KLASSIK. Damit endet eine insgesamt 20 Jahre währende Zusammenarbeit.
2003 kam Fagone ans Haus, zunächst als Korrepetitor. Ab 2006 leitete der gebürtige Turiner dann den Kinderchor der Staatsoper und bekleidete zugleich das Amt des stellvertretenden Chordirektors, bis der damalige Intendant Nikolaus Bachler 2019 entschied, ihn als kommissarischen Chorleiter einzusetzen. Bachlers Nachfolger Serge Dorny macht diese Entscheidung nun rückgängig. Warum, ist allerdings unklar. Die Frage nach den Gründen für die Kündigung von Stellario Fagone lässt Michael Würges in seiner Stellungnahme gegenüber BR-KLASSIK unbeantwortet. Und genauso die Frage nach der arbeitsrechtlichen Klage, die Fagone gegen die Staatsoper angestrengt haben soll. Der selbst will sich auf Anraten seines Anwalts ebenfalls nicht äußern.
Die Neubesetzung der Chorleiterstelle ist noch offen. Die Suche nach einer geeigneten Kandidatin oder einem geeigneten Kandidaten sei jedoch schon "im Gange", teilt die Staatsoper mit. Schon klar ist auch, wie das Haus den Verlust von Fagone in den kommenden Monaten auffangen will. "Bis Ende der Spielzeit wird die kommissarische Chordirektion von Johannes Knecht übernommen", schreibt Würges in seiner Stellungnahme weiter. "In dieser Funktion ist er für die Neueinstudierung von 'Aida', für das Repertoire bis zum Ende der Spielzeit und für die Einstudierung der 8. Sinfonie von Gustav Mahler verantwortlich. Christoph Heil wird ihn dabei unterstützen. Kamila Akhmedjanova bleibt als Assistentin in ihrer jetzigen Funktion im Amt und übernimmt kommissarisch die Leitung des Kinderchors der Bayerischen Staatsoper."
In den Reihen des Kinderchores ist man über die Kündigung von Fagone offenbar sehr bestürzt. BR-KLASSIK liegen zwei Schreiben vor, die am Dienstag sowohl an Vladimir Jurowski als auch an Kunstminister Markus Blume gegangen sind. Darin fordern die Chormitglieder und ihre Eltern die Wiedereinsetzung von Fagone als Leiter des Kinderchores. Dieser habe in all den Jahren gegenüber dem Chor eine "väterliche Rolle" eingenommen. Betont wird auch die "familiäre und warme Atmosphäre", die selbst "während harter Arbeitsphasen" geherrscht habe. Die Oper sei den Jugendlichen dadurch zu einem "zweiten Zuhause" geworden. "Wir können und wollen uns dieses Zuhause ohne Stellario Fagone nicht vorstellen, weil wir ihn unglaublich lieben und wertschätzen", heißt es weiter. Und dann: "Wir Kinder hoffen sehr, dass Herr Fagone zurückkommen wird und alles so wird wie früher, damit wir weiterhin mit Leidenschaft und Freude überragende Leistungen auf die Bühne bringen können." Betont wird auch, dass man sich damit nicht gegen die Intendanz von Serge Dorny positionieren wolle, sondern ausdrücklich nur pro Fagone.
Kein Land hat so viele Klavierschüler wie China. Die Konkurrenz ist riesig. Was das für die Kinder bedeutet, zeigt ein neuer Dokumentarfilm. Hier geht's zum Artikel!
Sendung: "Allegro" am 14. März 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (3)
Freitag, 17.März, 10:06 Uhr
Horst Schranz
Verträge
Was du bist, bist du nur durch Verträge. Und wenn man das Theater mit seinen Verträgen 15 Jahre überstanden hat, benötigt der Arbeitgeber besondere Argumente oder Ideen, um eine Anstellung zu beenden. Um das Gesicht nicht zu verlieren, wird man sich wohl auf einen Vergleich einigen. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht. Ceterum censeo: Es ist an der Zeit, endlich die arbeitsrechtliche Situation für Arbeitnehmer am Theater zu verbessern und sie vor Willkür, Druck und ausufernden Arbeitszeiten besser zu schützen. Was viele nicht wissen: Es sind nicht nur Schauspieler oder Sänger, die dort mit den mittelalterlichen Strukturen kämpfen.
Mittwoch, 15.März, 01:09 Uhr
Frau Müller
An Herr Nielsen
Entsetzlich, welche Gedanken Sie hier äußern, ohne auch nur ein einen Beleg zu haben. Im Zweifel für den Angeklagten.
Außerdem ist es nicht ungewöhnlich, dass Theater in ihrem eigenen Interesse, Leute fristlos entlassen obwohl es keine triftigen Gründe gibt. Solche Fälle werden meist vor Gericht ausgetragen, wie es wohl in diesem Fall auch so sein wird. Finden Sie es nicht seltsam, dass ein Mitarbeiter sich 20 Jahre nichts zu Schulden kommen lässt und ganz plötzlich fristlos entlassen wird? Ich würde da eher den kritischen Blick auf die Führung lenken.
Dienstag, 14.März, 21:29 Uhr
Michael Nielsen
Untreue?
Die Medien brauchen sich nicht schützend vor Menschen zu stellen, die nicht ohne Grund geflogen sein werden, immerhin fristlos. (Das entspricht beim Staat oder Bund der sogenannten "unehrenhafte Entlassung".) Solches Medien-Gebahren, dazu gerne mit Kindermeinungen als Argument bzw. Kinder in die Nähe von "Fragwürdigen" gerückt, läßt mich sofort aufschrecken. Dies ist nicht neu, entspricht auch heute noch der Vorstellung von schnellem Vergessen, Vergessenwollen oder gar -sollen bzw. schlicht Wegsehen oder womöglich Vetternwirtschaft.
Lieber Michael Nielsen,
wir stellen uns nicht schützend vor irgendwen, sondern berichten, was belegbar ist. Und das nach bestem Wissen. Sowohl mit Blick auf den Fall selbst als auch mit Blick auf die Reaktionen darauf.
Herzlich
Tobias Stosiek