Serge Dorny hat die neue Saison der Bayerischen Staatsoper in München vorgestellt. Auch in seiner dritten Spielzeit zeigt Dorny sein Haus als anspruchsvoll und dezidiert politisch. Trotzdem setzt er in der Spielzeit 2023/24 auch auf alte Klassiker, prominente Sängerinnen und Sänger und auf eine grundlegende Offenheit des Hauses.
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Es ist schon ein bisschen düster wie Serge Dorny den Anfang der Spielzeit 2023/24 an der Bayerischen Staatsoper vorstellt. Als Motto habe er einen Satz aus einer "misanthropischen Sammlung" gewählt, und zwar aus dem "Buch der Unruhe" von Fernando Pessoa. Also steht nun das Programm – acht Opernpremieren und drei Ballettpremieren – unter dem Motto: "Wir sind zwei Abgründe, ein Brunnen der in den Himmel schaut". Er sehe die Gesellschaft am Rande eines Abgrundes, sagt Dorny. Umso wichtiger sei es aber die Schönheit von Kunst und Kultur zu erhalten. Und damit definiert er natürlich den großen Aufgabenbereich der Staatsoper als gesellschaftlich und zeitgeschichtlich bedeutsames Unterfangen.
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Das Programm setzt sich dann diesmal aus einem Wechselspiel zwischen Schönheit und Abgründigem zusammen. Man beginnt mit dem "Figaro", in einer Inszenierung von Evgeny Titov. Eine Parallele zur "Cosi fan tutte" als Eröffnung der laufenden Spielzeit. Außerdem wolle man eine Art Mozart-Ensemble gründen, erklärt Dorny. Das erinnert ein bisschen an den Barock-Opern-Fokus der Staatsoper unter Sir Peter Jonas, nur das Dorny sich hier eben einen anderen Komponisten ausgesucht hat. Aber einen, der eben auch eine andere musikalische Spielkultur verlangt, als die großen Werke des 19. und 20. Jahrhunderts.
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Beim "Figaro" dabei sind auch das bei den Oper! Awards geehrte Ensemblemitglied Konstantin Krimmel als Figaro und Elsa Dreisig, die von der kommenden Spielzeit an neu ins Ensemble kommt.
Nur zum Teil wird die sonst eher anspruchsvolle Linie, die Dorny seit seinem Amtsantritt vorgegeben hat, fortgesetzt. So gibt es etwa als zweite Premiere eine Neuinszenierung der "Fledermaus" von Barrie Kosky, eine von zwei Premieren, die Vladimir Jurowski dirigieren wird. Der erklärt diese Über-Operette dann auch gleich mal zur "heiligen Kuh" der Bayerischen Staatsoper. Mit Diana Damrau als Rosalinde ist das dann auch dementsprechend prominent besetzt. Dorny selbst hört in dieser einen politischen Unterton heraus: Das sei auch damals eine merkwürdige Zeit gewesen, in der sich der Zerfall des Habsburger Reichs schon angekündigt hätte. Und auch eine Neuinszenierung von "Tosca" im Mai bedient die Klassik-Freunde, vor allem weil die hier in der Inszenierung von Kornél Mundruczó, der in der laufenden Spielzeit "Lohengrin" neuinterpretierte, mit Anja Harteros und Jonas Kaufmann ein Münchner Traumpaar zurück auf die Bühne holt. Im Februar kehrt davor Benedict Andrews als Regisseur mit Tschaikowskis "Pique Dame" an die Bayerische Staatsoper zurück.
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Jurowskis zweite Premiere im März 2024 entspricht dann aber wieder dem schon in den Spielzeiten zuvor eingeschlagenen Weg: Stücke aus dem 20. Jahrhundert, oft mit politischen Untertönen. Diesmal: "Die Passagierin" von Mieczysław Weinberg, komponiert 1968. Hierzu erzählt Jurowski ein Stück seiner Familiengeschichte, die über seinen Urgroßvater und dessen Tochter mit Weinberg selbst verbunden ist. "Die Passagierin", nach einer Novelle von Zofia Posmysz, wird inszeniert von Tobias Kratzer.
Mit einem Werk des 20. Jahrhunderts werden dann auch die Opernfestspiele 2024 eröffnet: György Ligetis "Le grand macabre". Ein "bedeutungsvolles Werk", wie es Dorny ausdrückt. Es geht um den Weltuntergang, die literarische Vorlage stammt aus dem Jahr 1934 als "die Welt sich anspannte" wie Dorny sagt. Es geht also an die Substanz, auch wenn der Weltuntergang hier auch durchaus etwas Humorvolles hat. Mit Krzysztof Warlikowski inszeniert jemand, der dem Haus schon lange verbunden ist. Da passt es, dass mit Kent Nagano ein ehemaliger GMD ans Pult zurückkehrt.
Mit Debussy "Pelléas et Mélisande" zeigt sich die zweite Festspielpremiere dann wieder konventioneller und mit Christian Gerhaher, diesmal in der Rolle des Golaud, und Mirga Gražinytė-Tyla am Pult auch sehr prominent besetzt. Trotz der im Vergleich zu Nikolaus Bachler sperrigeren ästhetischen Linien von Serge Dorny ist die Auslastung in der vergangenen Spielzeit auf 94 Prozent gestiegen. Aufgrund der Corona-Einschränkungen sind diese Zahlen aber nur bedingt aussagekräftig.
Sendung: "Allegro" am 6. März ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Montag, 06.März, 15:31 Uhr
Theodor
Götterdämmerung
Die beiden Hausgötter an der BSO waren doch wohl in der gesamten Nachkriegszeit Richard Wagner und Richard Strauss. In der Amtszeit von Dorny werden sie sträflich vernachlässigt, auch in der kommenden Saison keine einzige Neuinszenierung ihrer Werke, und der allgemeine Verfall der Pflege des deutschen Repertoires setzt sich weiter fort. Ist das Münchner Publikum wirklich so rückgratlos, dass es dies einfach so hinnimmt?
Und wenn sich Dorny dem Erhalt der "Schönheit von Kunst und Kultur" verpflichtet sieht, stellt sich auch die Frage, warum er andauernd Regisseure verpflichtet, die sich die Verhässlichung der Werke auf Teufel komm raus auf die Fahnen geschrieben zu haben scheinen. Aus meiner Sicht trägt Dorny durchaus seinen Teil zur düsteren Gesamtlage bei.
Montag, 06.März, 10:16 Uhr
Sabine Jochen
Bericht neue Spielzeit Staatsoper
Leider wird das Ballett inhaltlich mit keiner Silbe, nur mit einer Zahl, erwähnt. Dabei gibt es so Erfreuliches, warum steht dazu hier nichts? Und auch eine weitere Zahl ist interessant, z.B. 18 Vorstellungen für das Ballett mehr als in der jetzigen Spielzeit. Bitte berichten Sie zukünftig auch über das großartige Staatsballett!! Danke.