Wie sahen die Entwürfe zum legendären "Jahrhundert-Ring" aus? Und was hat es mit der "Akte skandalös" in Wolfgang Wagners Nachlass auf sich? Bislang wurden wertvolle Dokumente über die Bayreuther Festspiele unter Verschluss gehalten. Nun wird das Material aus drei Jahrzehnten erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht - im Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung in Bayreuth.
Bildquelle: Kristina Kreutzer
Dieser Schatz ist riesig. Er umfasst genau 640 Kisten und wurde erst kürzlich der besseren Lagerung wegen vom Bayreuther Grünen Hügel in die unterirdischen Depots der Villa Wahnfried transportiert und dort ausgepackt. Kein Nibelungenschatz, aber für Forscher beinahe genau so wertvoll: 230 laufende Regalmeter Archivmaterial der sogenannten "Zustiftung Wolfgang Wagner", Dokumente zu Produktionen der Bayreuther Festspiele zwischen 1951 und 1986. Auf Antrag werden die Unterlagen, die der Enkel von Richard Wagner als Festspielleiter zwischen 1951 und 1986 sammelte, interessierten Benutzern zur Verfügung gestellt.
Das Richard Wagner Museum befindet sich in der Villa Wahnfried in Bayreuth. | Bildquelle: Richard Wagner Museum Bayreuth "Es ist eine theaterhistorisch absolut bedeutsame Sammlung", sagt Sven Friedrich, Leiter des Richard Wagner Museums und Direktor des Nationalarchivs der Richard-Wagner-Stiftung in Bayreuth. Für die Aufarbeitung der Vergangenheit der Bayreuther Festspiele sind die Dokumente von großer Bedeutung. Gerade die Frage, wie man nach Hitler mit Wagner umgehen könne, sei ja für die Wissenschaft zentral, so Friedrich. "Die Frage hat ja Wieland Wagner eindrucksvoll künstlerisch beantwortet. Aber die ganzen Hintergründe, wie es denn dazu gekommen ist und welche Konflikte es da möglicherweise auch gab - das kann man eben aus diesen Materialien ersehen."
Eine erste grobe Vorsortierung der Dokumente wurde bereits vorgenommen. Die Fotos und Presseausschnitte von Proben und Premieren müssen allerdings erst noch mit modernen Methoden inventarisiert werden. Das gilt auch für das übrige, weitgehend noch ungeordnete Material der Zustiftung von Wolfgang Wagner. "Da gibt es dann Ordner mit so Aufschriften wie 'Akte skandalös'. Da ist man dann unheimlich neugierig", sagt Sven Friedrich. Doch der Inhalt des Ordner ist dann eher enttäuschend: "Da sind dann nur irgendwelche Presseartikel drin, wo Journalisten wieder mal scheinbar skandalöse alternative Fakten aufgedeckt haben wollen über Bayreuth."
Wolfgang und Wieland Wagner, Enkel des Komponisten Richard Wagner | Bildquelle: picture-alliance/dpa Daneben sind aber auch Regieanweisungen in der Zustiftung zu finden, Bühnenmodelle, Entwürfe für Opernproduktionen sowie etliche Briefe. Darunter: Schreiben der beiden Brüder Wolfgang und Wieland Wagner, in denen beispielsweise Besetzungsfragen erörtert werden. Für das Wagner-Nationalarchiv, dessen Bestand bislang nur bis 1945 reichte, eine wahre Fundgrube. Eine detaillierte wissenschaftliche Erschließung der jetzt überstellten Zustiftung steht momentan allerdings noch aus.
Rechnen die Wagner-Experten mit spektakulären neuen Erkenntnissen? Sven Friedrich zuckt mit den Schultern. "Es ist ja jetzt nicht historisch in dem Sinne prekär wie jetzt das Material aus den 30er und 40er Jahren. Hier geht es wirklich um den Festspielbetrieb. Und unsere Aufgabe ist es ja, eine Historiographie der Festspiele und dieses Festspielbetriebes irgendwann mal leisten zu können. Und das ist eben mit diesem Material dann auch möglich."
Das Archivmaterial befindet sich nun im Richard Wagner Museum Bayreuth. Benutzern des Nationalarchivs steht das Material auf Antrag bereits heute zur Verfügung.