Barrie Kosky ist ein Tausendsassa. Auf der Opernbühne ist der Regisseur genauso zuhause wie in der Popkultur, im Musical oder der queeren Szene. Nun hat Kosky seine Autobiografie vorgelegt. Darin erklärt er unter anderem, was er von den Muppets gelernt hat und wieso seine Oma seine "Professorin" war.
Bildquelle: © Doris Spiekermann-Klaas TSP
"Und Vorhang auf, hallo!" – dieses Motto aus der Muppet-Show hat Barrie Kosky nicht zufällig als Titel seines Buches gewählt. Denn einer der bemerkenswertesten Sätze darin ist die Antwort auf die Frage, woher er seine Inspiration als Künstler und Intendant holt.
Weder von Max Reinhardt noch von Walter Felsenstein, beteuert der Australier im BR-KLASSIK-Interview. "Nein, Es gibt nur eine Quelle: Kermit – für mich irgendwie schon immer jüdisch und schwul. Ich habe von den Muppets alles über Theater gelernt, bevor ich am Theater war. Hinterbühne, Seitenbühne, alles geht schief und der Vorhang geht hoch. Was Kermit als Intendant, Produzent, Inspizient machen muss in dieser halben Stunde, da habe ich viel von ihm gelernt. Ich war total besessen von Kermit, Fuzzy Bear und besonders Miss Piggy und das war eine gute Schule."
Ich war ihr Student und sie meine Professorin
Für einen der erfolgreichsten Opernregisseure der Gegenwart ein erstaunliches Statement. Ähnlich unkonventionell und erfrischend ist das ganze Buch. Es hält, was der Untertitel verspricht: "Ein Leben mit Salomé, Mariza, Miss Piggy & Co." Also ein Leben mit Oper, Operette und Musical. Barrie Kosky kennt keine Genregrenzen. Das liegt vielleicht auch daran, dass er in Australien aufgewachsen ist, wo man nicht zwischen U- und E-Musik trennt. Für seine ungarisch-jüdische Großmutter war das eine "angelsächsische Middle-class-Wüste ohne jede Kultur".
Sie ist eine der Heldinnen dieses Buchs, eine grandiose Divengestalt, die ihren Enkel, seit er sieben ist, in die Oper schleppt: "Sie hat mir eine Bildung gegeben, die man auf keiner Universität bekommen kann", schreibt Kosky. "Ich war ihr Student und sie meine Professorin, eine ganz besondere Professorin. Aber ihre ganze Art, immer in Chanel gekleidet, mit ihrem Parfüm und ihren Juwelen, diese melancholische Traurigkeit, all das hatte großen Einfluss auf mich, als junger Mensch und dann auch als Künstler."
Lesen Sie hier unsere Kritik zu "Le nozze di Figaro" an der Wiener Staatsoper, inszeniert von Barrie Kosky.
Buchcover | Bildquelle: © Suhrkamp-Verlag AG
Das ist die zweite Schule des Barrie Kosky. Und wie er als Regisseur U und E bunt durcheinanderwirbelt, so bunt sind auch seine Memoiren: Sieben Kapitel – benannt nach Figuren aus der Welt des Musiktheaters. Es sind Essays über die dazugehörigen Werke und zugleich biographische Erkundungen seiner australischen Kindheit, seiner jüdischen Vorfahren aus Ungarn, Polen und Belarus, und seiner späteren Karriere.
Nur zwei männliche Kapitelhelden gibt es, die nicht zufällig auch noch deutsch sind: Hans Sachs, in dessen Kapitel Kosky sein Wagner-Trauma während der Meistersinger-Inszenierung in Bayreuth aufarbeitet. Und Mackie Messer, der bei ihm für den bewunderten Kurt Weill steht, für Kosky ein Modellfall für das noch immer problematische deutsche Verhältnis zum Judentum: "Natürlich kann man ins Jüdische Museum gehen, zum Holocaust-Denkmal, aber wir müssen auch an die Kunst erinnern. Wir müssen auch feiern, was einmal war! Und das wurde nicht einmal als jüdische Kultur gesehen, das wurde als deutsche Kultur gesehen, als österreichische Kultur. Das soll man nicht trennen und das war damals auch nicht getrennt. Das ist wichtig für mich."
Kosky geht immer von seinem persönlichen Standpunkt aus und das macht das Buch so lesenswert. Schon sein Lebensweg ist abenteuerlich: von Melbourne über Wien nach Berlin. Dann seine jetzt schon legendäre Intendanz an der dortigen Komischen Oper, wo er mit Paul Abrahams Ball im Savoy eine beispiellose Operettenrenaissance gestartet hat. Auch die eigene Homosexualität, die Queerness seiner Inszenierungen sind ein Thema. Gerade die Einblicke in seine sehr persönliche Arbeitsweise sind aufschlussreich – und sehr unterhaltsam. Denn wie durch seine emotional packenden Inszenierungen geistert auch durch die Seiten seiner Memoiren ein Hauch von Muppet Show.
"Und Vorhang auf, hallo!" von Barrie Kosky erscheint am 13. März 2023 im Suhrkamp Verlag. Gebunden kosten die 250 Seiten 26 Euro.
Sendung: "Leporello" am 13. März ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Donnerstag, 16.März, 09:50 Uhr
Beate Schwärzler
Barry Kosky erzählt...
"WOW !"