Größte Präzision – dabei immer im Kontakt mit seinen Musikern: Das war Claudio Abbado. Zwölf Jahre lang leitete er die Berliner Philharmoniker, wurde vom Publikum verehrt und geliebt und hatte keinerlei Starallüren. 2014 starb er. Jetzt hätte er seinen 90. Geburtstag gefeiert.
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Auf die Zusammenarbeit kam es ihm an, auf den Kontakt zu jedem einzelnen Musiker während des Konzerts – darum dirigierte er in der Regel auswendig. Claudio Abbado auf dem Podium: der große Dirigent stand für ein aufmerksames Miteinander, ein Geben und Nehmen auf Augenhöhe. Und wenn er in seiner entspannten Noblesse bei der Aufführung alle Kraftreserven mobilisierte und dasselbe auch vom Orchester erwartete, dann ärgerte sich unter den Instrumentalisten keiner mehr darüber, dass der Maestro in den Proben mit Anweisungen zurückhaltend gewesen war, dass er fast immer nur die Musik sprechen lassen wollte: "Wir machen gute Musik, wir lieben alle Musik – und das ist wichtig."
Ich bin nicht der Chef oder Maestro oder Boss, ich bin Claudio – für alle.
Die Symphonik Gustav Mahlers spielte eine zentrale Rolle für Abbado, der über Jahrzehnte hinweg zu einem ihrer besten Interpreten heranreifte. Das kulturelle Klima der deutschen Hauptstadt schätzte der gebürtige Mailänder, der die Berliner Philharmoniker zwischen 1990 und 2002 leitete, wegen des lebendigen Dialogs der verschiedenen Künste in der Metropole.
Samstag, 24. Juni, 13.05 Uhr: Cantabile
Sonntag, 25. Juni, 7:05 Uhr: Laudate Dominum
Montag, 26. Juni, 9:05 Uhr: Der Vormittag
Montag, 26. Juni, 18:05 Uhr: Klassik Stars
Partituren beurteilte Abbado nach ihrer Qualität, nicht nach Epoche, Popularität oder Stilistik. Seine charismatische Eleganz, seine Freude an Transparenz kam Wolfgang Rihm ebenso zugute wie Ludwig van Beethoven oder Johannes Brahms. Die drastisch verjüngten Berliner Philharmoniker entfalteten ein enormes Klangfarbenspektrum bis hin zu bewusst unschönen Grobheiten in der Artikulation.
Schon mit 27 Jahren kam Abbado dann als stolzer Absolvent des Mailänder Konservatoriums zu seinem Debüt an der Scala. Mit 35 übernahm er dort künstlerische Verantwortung, zeigte überragende Qualitäten als Operndirigent, mit legendären Produktionen wie der von Verdis "Simon Boccanegra". Für Repertoire-Nischen konnte Abbado sich nachdrücklich begeistern. Eine seiner Ausgrabungen, für die er sich leidenschaftlich engagierte, war Rossinis "Viaggio à Reims"; eine andere Schuberts "Fierrabras".
Claudio Abbado | Bildquelle: picture-alliance/dpa Neben Mailand waren London und Chicago die wichtigsten Schauplätze von Abbados Interpretentätigkeit, bevor er Ende der 80er Jahre nach Wien ging. Als Musikalischer Direktor der Staatsoper gründete er das Festival "Wien modern", das in der Hochburg des konservativen Musikgeschmacks für frischen Wind sorgte – ganz ähnlich wie später die Konzertreihe "Kontrapunkte" im Rahmen der behutsam für Zeitgenössisches geöffneten Salzburger Osterfestspiele. Abbados unkompliziertes Verhältnis zum Oeuvre der Zweiten Wiener Schule Schönbergs erklärt sich wohl aus seiner Studienzeit in der Donaumetropole, als Hans Swarowsky ihn unterrichtete.
Nicht erst in späteren Jahren förderte Abbado die Jugend: egal ob beim European Community Youth Orchestra, beim Chamber Orchestra of Europe, beim Gustav-Mahler-Jugendorchester, beim Mahler Chamber Orchestra oder beim Orchestra Mozart. Sein Engagement für den Nachwuchs spiegelte sich zufällig auch in seinem eigenen jugendlichen Erscheinungsbild – vor allem in den Augen, die sein Dirigat mindestens ebenso individuell prägten wie seine berühmte linke Hand.
Einen Traum erfüllte sich Abbado 2003 mit dem Lucerne Festival Orchestra, für das er die besten Musiker aus namhaften Klangkörpern und Kammermusikensembles zusammenbrachte. Zur Schweiz hatte Abbado immer schon eine innige Beziehung, seit er dort einen Teil seiner Freizeit in völliger Zurückgezogenheit in einem abgeschiedenen Bauernhaus verbrachte, umgeben von Stille, die er oft ebenso magisch empfand wie Musik: etwa wenn das Publikum den Atem anhielt, sobald der letzte Ton verklungen war – für die Dauer eines Moments, der zu einer Ewigkeit werden konnte.
Sendung: "Allegro" am 26. Juni 2023 ab 6.05 Uhr in BR-KLASSIK
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Mittwoch, 27.Juni, 03:20 Uhr
Gisela Urbahn
The Best Conducter for my
Life