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Aerosolstudie beim BRSO Flöten auf Abstand, Trompeten etwas näher

Wie verbreiten sich Aerosole und damit möglicherweise auch Viren beim Spielen von Blasinstrumenten? Das haben Wissenschaftler aus München und Erlangen gemeinsam mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks untersucht. Jetzt liegen die Ergebnisse vor. Sie zeigen, dass die erforderlichen Abstände vom Instrument abhängen und in einigen Fällen auch geringer ausfallen könnten, als bislang im Rahmen der Hygienevorschriften vorgesehen.

Klarinettist des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks bläst ins Instrument. | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk

Bildquelle: Bayerischer Rundfunk

Musizieren unter Corona-Bedingungen ist, wenn es überhaupt möglich ist, ziemlich mühsam: Wer weit auseinandersitzt, hat es schwer, gut zusammen zu spielen. Die neue Studie bringt nun Differenzierung: Abstände zwischen Bläsern im Orchester können je nach Instrument geringer ausfallen als derzeit empfohlen - jedenfalls in seitlicher Richtung. Das ist das Ergebnis einer Aerosolstudie, die Wissenschaftler des Klinikums des Ludwig-Maximilians-Universität München und des Universitätsklinikums Erlangen gemeinsam mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks durchgeführt haben. Grundsätzlich birgt das Musizieren auf Blasinstrumenten größere Risiken als bei anderen Instrumenten. Denn beim Spielen entstehen Aerosole, die in die Luft geblasen werden. Deshalb sehen Hygienekonzepte für die Musikerinnen und Musiker große Abstände auf dem Podium vor. Schließlich können die Aerosole, die in der Luft schweben, Viren transportieren. Es besteht also die Gefahr, dass ein infizierter Bläser auf diese Weise andere Menschen mit dem Corona-Virus ansteckt.

Versuche machen Atemwolken sichtbar

Wie weit sich Aerosole beim Musizieren im Raum verbreiten, wurde in der aktuellen Studie untersucht. Neben Versuchen mit Sängerinnen und Sängern vom Chor des Bayerischen Rundfunks ging es auch um Bläser. Erforscht wurde die Verbreitung für die Instrumente Trompete, Klarinette und Querflöte. Ziel war es, die Aerosolwolken beim Musizieren sichtbar zu machen und dann auszumessen. Musikerinnen und Musiker des Symphonieorchesters waren eingeladen, in einem abgedunkelten Raum einzeln ihr Instrument zu spielen. Zuvor sollten sie an einem sogenannten E-Dampfer ziehen. Das ist eine E-Zigarette, die Flüssigkeit ohne Nikotin enthielt. Auf diese Weise wurden Atemwolken sichtbar, deren Bewegungen über Hochgeschwindigkeitskameras und Laserlicht erfasst werden konnten.

Ein Sicherheitsabstand von eineinhalb Meter erscheint, im Gegensatz zu den bisher empfohlenen zwei Metern, hinreichend – mit Ausnahme der Querflöte.
Matthias Echternach, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der LMU München

Aerosole breiten sich stärker nach vorne aus

Die Versuche zeigten: Die Aerosole verteilen sich bei Bläsern stärker nach vorne als zur Seite. Der Abstand nach vorn muss also größer sein als nach links und rechts. Zwei Meter nach vorne sind meist notwendig, eineinhalb zur Seite, sagt Matthias Echternach von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Das sind etwas geringere Abstände als von der Berufsgenossenschaft momentan empfohlen.

Querflöte erzeugt intensivere Aerosolwolke

Flötistin des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks bläst ins Instrument. | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk Bildquelle: Bayerischer Rundfunk Bei der Querflöte zeigte sich, dass die Aerosole sich weiter verbreiten als bei Trompete und Klarinette. Deshalb schlagen die Wissenschaftler bei der Querflöte größere Abstände vor: drei Meter nach vorne und zwei Meter zur Seite. Die Ursache dafür liegt in der Spielweise der Querflöte. Die Musiker blasen über eine Öffnung. Deshalb kann sich die Atemwolke weit ausbreiten. Bei der Trompete hingegen wird nach Erkenntnis der Forscher im Instrument fast alles zurückgehalten. Ein Teil der Aerosole kondensiere dabei im Inneren des Instruments. Das habe eine deutlich geringere Ausbreitung von Aerosolen zur Folge, erläutert Strömungsmechaniker Stefan Kniesburges von der Universität Erlangen.

Hoffnung auf neue Empfehlungen

Die neue Studie soll Hinweise geben, wie Orchester während der Corona-Pandemie arbeiten können. Die Ergebnisse könnten in neue Vorgaben für Orchesterkonzerte einfließen, wenn Konzerte wieder erlaubt sein werden. Gefördert wurden die Untersuchungen vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Entsprechende Forschung bildet für Kunstminister Bernd Sibler die Basis, um verantwortbare Entscheidungen zu treffen: "Je besser wir über das Corona-Virus Bescheid wissen, desto zielgerichteter können wir Maßnahmen für sicheres Musizieren ergreifen", so der Minister.

Repertoire könnte breiter werden

Trompeter des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks bläst ins Instrument. | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk Bildquelle: Bayerischer Rundfunk Spätromantische Werke mit großer Besetzung wie etwa die Alpensinfonie von Richard Strauss oder die Sinfonien Gustav Mahlers bleiben auch nach den jüngsten Ergebnissen während der Pandemie unmöglich: Für die notwenigen Abstände sind die Bühnen zu klein. Mit den Ergebnissen der Studie könnten jedoch neue Abstandsregeln definiert werden, die mehr Musiker auf das Podium ermöglichen. Das würde das machbare Repertoire in Teilen erweitern.

Musiker könnten besser musizieren

Wichtiger noch: Auch bei kleineren Besetzungen würden die Musiker von geringeren Abständen profitieren. Denn sie brauchen guten Kontakt untereinander, um beim Musizieren interagieren zu können. Für den Solo-Klarinettisten Christoper Corbett, der an der Studie teilgenommen hat, wäre es schon ein großer Fortschritt, wenn die Abstände innerhalb einer Stimmgruppe in einer Reihe – also nach links und rechts – verkleinert werden könnten: "Das musikalische und emotionale Kommunizieren mit den Kollegen wäre damit wieder leichter, und das wird hörbar", davon ist der Klarinettist überzeugt.

Hinsichtlich der realen Probe- und Auftrittsbedingungen des Musizierens sind weitere Studien notwendig, um zusätzliche Maßnahmen hinsichtlich ihres Potentials zur Risikoreduzierung und ihrer akustischen Auswirkungen zu untersuchen.
Stefan Kniesburges, Strömungsmechaniker

Lüften bleibt wichtig

Konzertsäle brauchen unbedingt eine gute Klimaanlage, sagen die Wissenschaftler. Denn die Belüftung des Raumes spiele nach wie vor eine große Rolle. Die Aerosole dürfen sich nicht in der Raumluft ansammeln. Sonst bringen auch Abstände zwischen den Musikern nichts. Wie sich die Aerosole weiter im Raum verbreiten, etwa in Richtung Publikum, haben die Wissenschaftler mit dieser Studie nicht erforscht. Ihnen ging es bislang nur um die Verbreitung im Bereich der Musiker. Weitere Untersuchungen bleiben also wünschenswert, um Konzerte auch in Pandemie-Zeiten möglichst sicher zu gestalten.

Sendung: "Allegro" am 25. November 2020 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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Donnerstag, 26.November, 09:59 Uhr

Franz Meßmer

Konzertsaal Klimatisierung

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"Mens sana in corpore sano", Franz Meßmer Dipl.Ing.(FH) 86653 Monheim

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