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Neues Konzerthaus München Die Diskussion geht weiter

Noch im Juli 2021 schien die Entscheidung endgültig: München bekommt ein neues Konzerthaus. Ende März hatte Ministerpräsident Söder diese Entscheidung jedoch in Frage gestellt und eine "Denkpause" gefordert. Jetzt wurde zum ersten Mal in einer öffentlichen Runde darüber diskutiert – mit dabei Markus Blume (Kunstminister), Katrin Habenschaden (Zweite Bürgermeisterin Münchens), Ulrich Wilhelm (ehem. Intendant des Bayerischen Rundfunks und Vorstand der Stiftung Neues Konzerthaus München), Andreas Beck (Intendant des Residenztheaters) und Christian Gerhaher (Sänger).

Bildquelle: bloomimages für cukrowicz nachbaur architekten zt gmbh

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Braucht München einen neuen Konzertsaal?

Eine heftige Diskussion war es nicht, die am Montag in Gebäuden der Süddeutschen Zeitung stattfand, eher ruhig und sachlich. Gemeinsam haben die Vertreter der verschiedenen Bereiche darüber gesprochen, was eine "Denkpause" bedeutet, ob München ein neues Konzerthaus braucht und wie es jetzt weitergeht.

Eine neue Ausgangslage

"Wir haben die größte anzunehmende Pandemie in den letzten zwei Jahren gehabt mit Milliarden Belastungen für die öffentlichen Haushalte", gibt Markus Blume gleich zu Beginn zu bedenken und spricht damit den Punkt an, der überhaupt zu dieser Denkpause geführt hat. Die Ausgangslage habe sich durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine geändert und müsse deshalb neu überlegt werden. Dazu gehöre laut Blume auch die Isarphilharmonie, mit der München bereits einen neuen Konzertsaal bekommen habe, wenn auch zunächst nur als Interimsspielstätte. Für andere Kulturstätten in München brauche es außerdem kostenintensive Sanierungen, die ebenfalls aus dem Kulturetat beglichen werden müssten. "Alleine die Sanierung der Pinakothek der Moderne kostet uns deutlich mehr, als die Pinakothek der Moderne damals gekostet hat", erklärt Blume.

Gerhaher: Akustik der Isarphilharmonie reicht nicht

Christian Gerhaher | Bildquelle: BR Christian Gerhaher plädiert für den Bau eines neuen Konzerthauses in München, fordert aber, man müsse die Kosten noch einmal überdenken. | Bildquelle: BR Doch trotz dieser veränderten Ausgangslage wäre es laut Christian Gerhaher richtig, am geplanten Konzerthaus festzuhalten, denn im Nachhinein hätten sich auch in Zeiten finanzieller Knappheit entstandene Kunstgebäude oft als sinnvoll und richtig erwiesen. "Die Künste haben immer davon gelebt, dass sie produktiv wurden, ohne danach gefragt zu werden", so Gerhaher. "Ich glaube, sobald der Konzertsaal da ist, ist man freudig gestimmt und wird ihn benötigen." Abgesehen davon sei die Isarphilharmonie als Interimsstätte zwar brauchbar, aber auf lange Sicht nicht ausreichend, denn so gut die Akustik dort für kleine Besetzungen sei, so käme der Saal genauso wie der Herkulessaal bereits ab einer Symphonie von Brahms an seine Grenzen. Die Freiheit des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks in seinem Spielplan sei somit deutlich eingeschränkt. Man müsse allerdings die Kosten des neuen Konzerthauses nochmal überdenken "Wir müssen unsere Bereitschaft zeigen, dass wir nicht überall goldene Knöpfe anbringen," so Gerhaher.

Gibt es überhaupt eine neue Ausgangslage?

Ganz in Frage stellt Ulrich Wilhelm, ob es überhaupt eine neue Ausgangslage gäbe. Er sei überrascht gewesen, als er von Söders neuer Sichtweise gehört habe, wo dieser doch noch im Juli 2020 davon gesprochen habe, "die Pandemie mit den Kosten sei kein hinreichender Grund, um von dem Konzept abzurücken." Somit gelte für Wilhelm erst einmal zu klären, was sich geändert habe und was die neue Ausgangslage sei, bevor man weiterdiskutieren könne. Denn sonst würden immer nur die Dinge diskutiert, die bereits entschieden seien. Zumindest in diesem Punkt sind sich alle einig: Es hat keinen Sinn, sich im Kreis zu drehen.

Habenschaden und Beck offen für Diskussion

Diskussion SZ Neues Konzerthaus München | Bildquelle: BR / Franziska Klein Auch nach der Diskussion herrscht viel Gesprächsbedarf. | Bildquelle: BR / Franziska Klein Offen verschiedenen Alternativen gegenüber zeigt sich Katrin Habenschaden. "Die Situation für die Debatte ist eine andere, sie kann aber meines Erachtens sehr offen geführt werden." Deshalb freue sie sich auch auf die Einschätzung aus der Kultur. Auch Andreas Beck plädiert für eine offene Diskussion. Wie Christian Gerhaher und Ulrich Wilhelm befürwortet er zwar nach wie vor ein neues Konzerthaus, spricht sich aber dafür aus, weiterhin zu überlegen, in welcher Form sich dieses Konzerthaus in die Kulturlandschaft München einfügen soll und ob es ein Bau in solch einer Größenordnung sein müsse.

Fragen ohne Antworten

So werden an diesem Abend eineinhalb Stunden lang Argumente ausgetauscht und Fragen in den Raum geworfen. Fragen, ob nicht auch ein weniger teures Konzerthaus ausreichen würde, ob sich das Problem der Akustik nicht durch einen gut sanierten Gasteig lösen würde und ob man nicht eine größere Gleichheit unter den Orchestern schaffen könnte, wenn das Erstbelegungsrecht überdacht und aufgeweicht würde. Antworten auf diese Fragen gibt es jedoch nicht. Vielmehr ist der Abend ein offener Austausch, welche Sichtweisen es derzeit auf den Bau des neuen Konzerthauses gibt.

Überraschendes Statement von Sir Simon Rattle

Als kleine Überraschung meldet sich auch Sir Simon Rattle über Video-Botschaft zu Wort. Zuvor hatte es bisher lediglich ein schriftliches Statement gegeben. "Das Werksviertel ist im Kommen, pulsierend und lebendig. Es ist genau der richtige Ort, wo wir geradezu eine Explosion an Musik haben können", sagt er und spricht sich damit deutlich für das neue Konzerthaus aus. Es sei nicht nur ein Gebäude, sondern eine Philosophie. "Wir haben den Traum, dass unsere Musik jedes Kind in Bayern erreichen kann." Das BRSO sei ungewöhnlich voll von "kreativen, vorwärtsschauenden Musikern". Nur fehle ihnen ein Zuhause und die Möglichkeit, ihre Ideen auszuführen. Das Projekt sei ehrgeizig, aber sei nicht "gerade jetzt die Zeit, Menschen zusammen zu bringen?" Er hoffe es und er hoffe auch, "dass unsere 'Denkpause' uns die Zeit gibt, darüber nachzudenken, nicht nur wie stark diese Idee ist, sondern auch über die inspirierenden Möglichkeiten, die wir verlieren könnten."

Sendung: "Allegro" am 10. Mai 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

Kommentare (1)

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Freitag, 13.Mai, 21:23 Uhr

Ralf Massfeld

Zu groß? Zu klein!

Ich bin für die Zwillingslösung, aber die setzt voraus, dass beim Umbau der Philharmonie am Gasteig alles klappt. Sprich: Dass Toyota nach Elb- und Isarphilharmonie nicht auch dort die Akustik ruiniert. Denn dann hat München tatsächlich keinen einzigen Mahler- und Gurre-Lieder-Konzertsaal mehr. Wenn es aber klappt, reichen die Kapazitäten für zwei Orchester tatsächlich aus. (Berlin hat zwei Konzertsäle für vier Orchester, und auch die sind nicht ausverkauft.) Jetzt NOCH einen kleinen Konzertsaal zu bauen, ist genau das Falsche. Lasst uns abwarten, was aus der Gasteig-Philharmonie wird und DANN, aber nur falls nötig, was richtig Tolles bauen (Paketposthalle!) anstatt jetzt mit Ach und Krach eine kleine Baulücke zu füllen. Soviel Zeit muss jetzt auch noch sein.

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