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Kritik - "Der Vogelhändler" am Gärtnerplatztheater Schunkel-Alarm in Bayrischzell

Carl Zellers Tirol-Satire von 1891 nach einer französischen Vaudeville-Vorlage gelingt am Gärtnerplatztheater als so rasante wie unterhaltsame Folklore-Persiflage ganz in weiß-blau, nicht zuletzt wegen des in jeder Hinsicht mitreißenden Titelhelden. Er begeistert in dieser zeitgemäßen Fassung Männer wie Frauen.

Szene aus "Der Vogelhändler" am Gärtnerplatztheater München Januar 2024 | Bildquelle: Marie-Laure Briane

Bildquelle: Marie-Laure Briane

Bei so einem feschen Vogelhändler aus Tirol könnten die Münchner doch glatt die dortige Blockabfertigung an der Inntalautobahn vergessen - mehr Lob ist aus bayerischer Sicht eigentlich gar nicht mehr möglich. Der Innsbrucker Matteo Ivan Rašić, der zuletzt in "Die Großherzogin von Gerolstein" mitwirkte", begeisterte als so romantischer wie eifersüchtiger Adam mit seinem Edelweiß-Strauß, seinem lockigen Haarschopf und vor allem seiner wunderbar samtigen Tenor-Stimme Frauen wie Männer gleichermaßen. Und dass er sich beim Kraxeln in luftiger Höhe das Sprunggelenk verletzt hatte, wie seinem Knöchel anzusehen war, und wie er im Text beteuerte, machte ihn umso mehr zu einem begehrenswerten Abenteurer.

Außergewöhnlcih: "Der Vogelhändler" weder altbacken noch angestrengt modern

Selten, so einen in jeder Hinsicht attraktiven Liebhaber auf der Bühne zu erleben, und ebenso selten, einen "Vogelhändler" präsentiert zu bekommen, der weder altbacken, noch angestrengt modern oder gar langweilig ist. Von Natur aus ist die Operette natürlich immer eine Satire, allerdings meist eine etwas abgestandene, heute nicht mehr zeitgemäße. Also hieß es für Regisseur Bernd Mottl, aus der Satire eine Satire zu machen, eine Doppelung, die anderswo fast immer misslingt, zumal er mit Michael Alexander Rinz auch einen neuen Text geschrieben hat, der die Handlung von Carl Zellers Original aus der Kurpfalz ins oberbayerische Bayrischzell und die Landeshauptstadt München verlegte.

Queere Volkstänzer und hoher Schunkelfaktor

Szene aus "Der Vogelhändler" am Gärtnerplatztheater München Januar 2024 | Bildquelle: Marie-Laure Briane Bildquelle: Marie-Laure Briane Doch der Abend am Gärtnerplatztheater funktionierte als weiß-blauer Schunkel-Galopp hervorragend, woran nicht zuletzt die Münchner "Schwuhplattler" ihren Anteil hatten, also die bekannten queeren Volkstänzer, die den hübschen Vogelhändler zwischendurch auch mal ausgiebig betatschen durften. Klar, nichts ist leichter, als Folklore, zumal oberbayerische, lächerlich zu machen. Doch hier ist das eine fürwahr großartige, liebenswerte Satire, die vor allem enorm Tempo macht. Jederzeit ist zu spüren, dass die Geschichte auf einer französischen Vaudeville-Komödie beruht. Dirigent Anthony Bramall galoppiert mit dem Gärtnerplatzorchester denn auch so rasant durch die Akte, als ob Jacques Offenbach ein paar Wiesn-Hits geschrieben hätte. Achtung, der Schunkelfaktor ist hoch!

Wunderbare weiß-blaue Plastikwelt

Wo sich andere Regisseure damit abmühen, antiquierte Standesunterschiede und überholte gesellschaftliche Normen vergessen zu machen, wird das hier alles einfach ausgeblendet. Besser gesagt: Überblendet durch die Spielbuden-artige Ausstattung. Kostümdesigner Alfred Mayerhofer hatte alle Mitwirkenden in Kunststofffolien-Outfits gesteckt, als ob sie sich aus bunten LKW-Planen lustige Klamotten gebastelt hätten. Bühnenbildner Friedrich Eggert entwarf drumherum eine weiß-blaue Plastikwelt, die keinen Augenblick ihre Künstlichkeit verbergen wollte. Allenfalls im zweiten Teil gibt es etwas Realismus, auch in den Kostümen, als ob einige Figuren, vor allem die Kurfürstin, in ihrem wahren Leben, jenseits aller Folklore angekommen waren. Wirklich real sind hier nur ihre Träume.

Tolles Ensemble zwischen Glanz und Slapstick

Szene aus "Der Vogelhändler" am Gärtnerplatztheater München Januar 2024 | Bildquelle: Marie-Laure Briane Bildquelle: Marie-Laure Briane Es macht Spaß, diesem Ensemble durch alle Missverständnisse und Liebesabenteuer, durch Heiratspläne und sentimentale Erinnerungen zu folgen, und dass es bei der Post nicht immer so schnell geht, wie die sprichwörtliche Christel singt, herrlich dargestellt und gesungen von der platinblonden Julia Sturzlbaum, bekam natürlich Sonderapplaus. Aber auch alle anderen Solisten und der Chor zeigten sich ausnehmend gut, ja ansteckend gelaunt, darunter Sophie Brommer als geradezu lässige, ganz und gar unaristokratische Kurfürstin und Regina Schörg als Ehefanatikerin und Hofdame Adelaide. Fast schon Slapstick legten Juan Carlos Falcón und Lukas Enoch Lemcke als korruptionsanfällige Prüfungs-Professoren hin. Ja, von Protektion verstehen sie ja was, vor allem zwischen Wien, Innsbruck und München - das wusste schon Carl Zeller. Insgesamt dürfte das der Hit der Saison werden am Gärtnerplatztheater, samt einer eingebauten Hymne mit dem bezeichnenden Refrain: "Du, mein Bayernland, bist so schön - vom Karwendel her bis zur Rhön." Und vollkommen ist die Operettenseligkeit!

Sendung: "Piazza" am 27. Januar 2024 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (3)

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Donnerstag, 01.Februar, 10:09 Uhr

Deierer Elisabeth

Der Vogelhändler im Gärtnerplatztheater

Ich kann ich mich da nur anschließen. Die Sänger, die Musik, das Orchester wunderbar.
Die Tanzszenen prima, besonders die beiden Professoren.
Aber... das Plastikzeug... grausam.
Im Zeitalter von Klimaproblemen mit Plastik sowas in meinem wunderbaren Gärtnerplatztheater zu sehen, hat mich sehr genervt.
Sehr schade, hoffentlich ein einmaliger Ausrutscher.

Sonntag, 28.Januar, 21:20 Uhr

Waltraud Simmerbauer

Der Vogelhändler

Sänger phantastisch! Orchester phantastisch! Chor etwas laut, aber auch sehr gut! Aber: die Kleidung aus Kunststoff in schrillen Farben und das Bühnenbild größtenteils aus Plastik - einfach nur schrecklich! Aufgrund der tollen Sänger und des großartigen Orchesters wurde es trotzdem ein schöner Abend!

Samstag, 27.Januar, 22:59 Uhr

Anneli Frisch

Der Vogelhändler im Gärtnerplatztheater

Hallo, ich war gestern im Gärtnerplatztheater im Vogelhändler. Musik und Sänger wirklich phantastisch. Aber was sollte der grauenhafte Plastiklook? Das ist doch nicht mehr zeitgemäß massenhaft Plastik zu verarbeiten. Und hat man sich da was vom Barbiefilm angeschaut? Einen rosafarbenen Ken? Für ein Theater wie das Gärtnerplatztheater sehr unpassend. Ich dachte, ich bin in New York. Goldfarbenes Bett und Ausstattung. Sehr kitschig. Gut das Musik und Sänger so überzeugt haben, das drumrum kann man dann vergessen. Mfg Anneli Frisch

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