Mystischer Text, verworrene Handlung: "Die Frau ohne Schatten" gilt als schwierig und kompliziert. Am 2. Oktober feiert die Oper von Richard Strauss in einer Neuinszenierung von Jens-Daniel Herzog am Staatstheater Nürnberg Premiere. Joana Mallwitz wird dirigieren.
Bildquelle: Pedro Malinowski
Vorbericht
"Die Frau ohne Schatten" in Nürnberg
"Die Frau ohne Schatten" gilt als Mount Everest der Oper. In der komplizierten Handlung trifft die symbolüberladene Privatmythologie in Hofmannsthals Text auf große musikalische Anforderungen. Nürnbergs regieführender Intendant Jens-Daniel Herzog hatte sich mit seiner Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz diese monumentale Aufgabe schon länger vorgenommen. Im Jubiläumsjahr zum 100. Geburtstag der Staatsphilharmonie Nürnberg setzt er sie nun um.
Herzog findet, wenn man sich auf die Fabel konzentriere, sei das Stück ein leichtgängiges Märchen mit einer sehr einfachen und aktuell gültigen Botschaft. Es gibt das Geisterreich und das Menschenreich, das wiederum geteilt ist in eine Ober- und eine Unterschicht. "Und diese Ebenen begegnen sich, verhandeln sozusagen den Lebenssinn. Am Ende geht es um die ganz einfache und gleichzeitig schwierige Frage, dass die Zukunft der Menschheit nur durch gelingende Paarbeziehungen gerettet werden kann", erklärt Herzog. Man höre das auch im Chor am Ende des 1. Aktes: "Wir Menschen sind nur die Brücke über dem Abgrund, über den die Toten zu den Lebendigen kommen", heißt es da. Seinen eigenen Egoismus zu überwinden, um das Überleben der Menschheit zu garantieren, dass sei die einfache und klare Botschaft des Stückes. "Und die wollen wir zur Geltung bringen."
Am Ende geht es um die Frage, dass die Zukunft der Menschheit nur durch gelingende Paarbeziehungen gerettet werden kann.
Regisseur Jens-Daniel Herzog will einen leichten und transparenten Zugang zu den Figuren und ihre Geschichte. Nichts wird durch gigantische Bühnenbauten verstellt. Er arbeitet mit Video und Lichteffekten. Und um das lebendige Wechselspiel zwischen den Welten der Menschen und der Geister und zugleich deren schicksalhafte Verbindung zu zeigen, hat sich Herzog beim Bühnenbild für ein einfaches Mobile als zentralen Mittelpunkt entschieden.
Szene aus "Die Frau ohne Schatten" in Nürnberg. | Bildquelle: Pedro Malinowski Diesen beiden Welten gibt Richard Strauss in seiner Oper "Die Frau ohne Schatten" ganz eigene charakteristische Klangwelten. Davon ist Joana Mallwitz fasziniert. Erstmals dirigiert sie diese Oper, mit der sie zugleich in ihre letzte Saison als Generalmusikdirektorin am Staatstheater Nürnberg startet, bevor sie zum Konzerthausorchester Berlin wechselt. "Zum einen wird da märchenhaft instrumentiert, also mit ganz vielen Ausschmückungen und einem Orchestersound, der von so vielen kleinen filigranen Einzelheiten getragen wird", erklärt sie. Dadurch entstehe ein "riesiger Klang", der durch die Celesta oder die Flötentriller und die Glasharmonika am Ende auch etwas Märchenhaftes habe.
Es wird oft gesagt, dass Richard Strauss Tenöre nicht mochte und das kann ich bestätigen.
Auch die Gesangsstimmen werden enorm beansprucht. Tadeusz Szlenkier singt die Partie des Kaisers. Der Tenor hat in seiner Heimatstadt Warschau Philosophie studiert, bevor er zum Gesangsstudium an die Yale Universität in die USA ging. Inzwischen international unterwegs, gibt er in Nürnberg jetzt mit dem Kaiser nicht nur sein Rollen-Debüt, sondern es ist für ihn zugleich seine erste größere Partie auf Deutsch. Und das mit dem Text von Hugo von Hofmannsthal. "Also wirklich eine neue Erfahrung, neues Erleben ist das, aber das finde ich sehr spannend“, sagt Tadeusz Szlenkier, "aber es wird oft gesagt, dass Richard Strauss Tenöre nicht mochte und das kann ich bestätigen". Er habe als Kaiser nicht sehr viel zu singen, aber das was er singe, sei sehr schwer, besonders durch die sehr dichte Orchestrierung. "Aber hoffentlich es wird ein unvergesslicher Abend!"
Sendung: "Allegro" am 29. September 2022, um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (3)
Samstag, 08.Oktober, 16:06 Uhr
Klaus Thiel
"Frau ohne Schatten" in Nürnberg
Eigentlich wollte ich mir nur die ersten zwanzig Minuten anhören - die sind so kompakt, dass man weiß, ob die Interpreten ihrer Aufgabe gewachsen sind - und ob es sich lohnt, die lange Oper bis zum Ende anzuhören.
Ich habe die Kopfhörer dann erst nach den überirdisch schönen Schlusstakten ablegen können - derart haben mich die durch die Bank ungewöhnlichen Sänger und vor allem die Lesart der Dirigentin gefesselt und beeindruckt.
Aus beruflichen Gründen habe ich die Oper mehr als fünfzigmal gehört und gesehen, vor allem unter der Leitung des Strauss-Spezialisten Paul Schmitz - ich war nicht darauf gefasst, so viel Neues an diesem Abend zu erfahren.
Frau Mallwitz nimmt dieser Partitur alles Hypertrophe, sie dirigiert sie - wo immer sich das machen lässt - wie eine "Ariadne" - für mich unglaublich.
Und ich muss der Manuela Uhl vieles abbitten: hier in Berlin kamen wir nicht so miteinander zurecht - sie ist eine der besten Färbersfrauen, die ich je hörte !
Herzlichen Dank !
Dienstag, 04.Oktober, 11:18 Uhr
Alexander Störzel
Premiere "Die Frau ohne Schatten" Staatstheater
Ich schließ mich Herrn Doerfler uneingeschränkt an und werde am 30.09.2022 nach dieser Übertragung live dabei sein.
Eine herausragende Leistung für dieses Haus, ich erlebt das Werk in München und Wien, davor braucht sich Nürnberg wahrhaftig nicht zu verstecken.
Inszenierung kann ich noch nicht beurteilen.
Montag, 03.Oktober, 12:32 Uhr
Walter Doerfler
Premiere "Die Frau ohne Schatten" am Staatstheater
Eine überaus gelungene Grat Wanderung, auf die sich Joana Mallwitz und Jens-Daniel Herzog da begeben haben. Das Orchester fabelhaft. Sehr sorgfältig ausgewählte Solisten, die mich durch großartige musikalische und darstellerische Leistungen begeistert haben.
Der erste Akt war musikalisch einfach hinreißend schön. Der zweite Akt gewaltig, aber der intellektuelle Bruch, den Hofmannsthal da meisterhaft zu überbrücken versuchte, wurde mit großer Mühe bewältigt. Es blieb rätsel-zauberhaft - sollte auch so sein? Am Schluss, die volle Wucht der genialen Duos Strauss-Hofmannsthal & Mallwitz-Herzog.
Ein großartiger Abend. Noch eine Frage an Jens-Daniel Herzog: Die zwei Paare aus den verschiedenen Milieus wurden von den Kindern der Welt mit Leichentüchern bedeckt, die aus den Projektionsflächen der Schatten der zwei Damen gerissen worden waren. Sollte das bedeuten - die Zeit flieht, die der Paare ist jetzt vorbei & dargestellt - jetzt kommen neue Generationen? Bravo à tutti. Danke an alle.