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Frauenorchesterprojekt Berlin Meisterinnen und ihre Werke

Ohne Konkurrenz gemeinsam musizieren und dabei vergessene Werke entdecken: Das geschieht beim Frauenorchesterprojekt Berlin, wo Laien mit Profis zusammen spielen und so die Musikkultur lebendig halten.

Frauenorchesterprojekt Berlin auf der Bühne 2024. | Bildquelle: Lisa Jockusch

Bildquelle: Lisa Jockusch

80 Frauen spielen Musik von Frauen, eine Frau dirigiert, und das alles wirkt locker und undogmatisch. Amateurinnen sitzen neben Profimusikerinnen, so das Konzept. Die Kontrabassistin Gudrun Schnellbacher hatte vor 17 Jahren die Initiative ergriffen und erinnert sich: "Wir kennen alle noch die emanzipatorischen Bewegungen mit Frauen-Cafés und mit Schutzräumen für Frauen." Heute kommen hier bundesweit Frauen zusammen, die gemeinsam musizieren. Und mit Schweizerinnen und Niederländerinnen sind sogar Vertreterinnen des nahen Auslands dabei. "Man lernt sich kennen, trifft die interessantesten Leute, hat tolle Gespräche, und es ist beglückend, zusammen Musik zu machen", berichtet Kontrabassistin Schnellbacher.

Bereit für den Kanon: Die Musik von Amy Beach

Das Repertoire? Natürlich auch Musik von Frauen. Etwa von der Amerikanerin Amy Beach. Die war ein Wunderkind am Klavier, durfte nach ihrer Hochzeit nicht mehr als Pianistin auftreten, aber noch komponieren. Sie hat 1892 die Klage der Maria Stuart aus dem 3. Akt des gleichnamigen Dramas von Friedrich Schiller vertont; die Mezzosopranistin Malina Höfflin singt mit Wärme und Verve eine Komposition, die es allemal wert ist, in den Kanon aufgenommen zu werden.

Uraufführung von Dorothea Hofmann

Charismatisch und sehr engagiert leitet Mary Ellen Kitchens, eine der Geschäftsführerinnen vom "Archiv Frau und Musik", das Orchester, das sich ein Mal im Jahr trifft und einige Tage probt. Diesmal ist auch eine Uraufführung der bayerischen Komponistin Dorothea Hofmann mit dabei: Sie heißt "Sources secrètes" und greift Zitate einer Musikhandschrift aus dem 13. Jahrhundert auf, dem sogenannten Codex Montpellier. Beginnend mit leisen Streicherklangwelten, spielt das Orchester schließlich zu einem wilden Tanz auf. 

Wir entdecken Sachen, wir graben aus, wir lassen auch neu schreiben und von hier aus soll das Werk sich in die Welt verbreiten.
Mary Ellen Kitchens

Schlussapplaus: Das Frauenorchesterprojekt live in Berlin | Bildquelle: Maria Ossowski Bildquelle: Maria Ossowski Kitchens leitet zudem den Orchesterverein Kempten im Allgäu. Ihr liegen, so erzählt sie, die unbekannten Werke noch unentdeckter Komponistinnen am Herzen: "Wir entdecken Sachen, wir graben aus, wir lassen auch neu schreiben und von hier aus soll das Werk sich in die Welt verbreiten", erklärt sie. Die ersten Takte im Konzert seien für sie dann schon eine große Anspannung: "Habe ich das gut ausgewählt, ist es spielbar, werden sie das Stück lieben? Ist es abwechslungsreich genug?" Solche Fragen gehen ihr da durch den Kopf. Vor allem die Uraufführung von Dorothea Hofmann, ein Auftragswerk, sei schon eine große Herausforderung gewesen, vor allem rhythmisch. Kitchens habe diese Rhythmen noch auf der Straße geübt, "bis die Leute sich wunderten, was ich da wohl mache", berichtet sie.

Pionierarbeit ohne Konkurrenzdruck

Zwei Drittel der Musikerinnen kommen jedes Jahr wieder, ein Drittel ist neu dabei. Die Stimmung im Orchester, das spüren auch die 300 Gäste in der Landesmusikakademie Berlin in Köpenick, ist gelassen und gleichermaßen ausgelassen. Die Geigerin und Musikwissenschaftlerin Ulrike Keil erklärt sich dies so: "Wir wollen nicht Topleistungen bringen, sondern wir wollen uns mit dieser Musik auseinandersetzen", sagt sie, "wir editieren häufig auch die Noten erstmalig, das ist Pionierarbeit". Wichtig ist aber: "Hier gibt's keinen Konkurrenzdruck, sondern wir wollen gemeinsam an diesem Projekt arbeiten."

Sendung: "Allegro" am 19. Februar 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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Dienstag, 20.Februar, 13:18 Uhr

Trappe

Emanzen unter sich

"Keine Topleistung" erbringen zu wollen!!! Ein Projekt ohne solchen Anspruch ist bereits zum Scheitern verurteilt. Hauptsache Frau, alles andere scheint nebensächlich.

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