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Regisseurin Friederike Blum erhält Götz-Friedrich-Preis Ein Ja zu Humor in der Oper

Was kann und was will Oper heutzutage? Darauf hat die Regisseurin Friederike Blum so überzeugende Antworten geliefert, dass sie am 17. Oktober mit dem Götz-Friedrich-Preis der Deutschen Oper Berlin ausgezeichnet wird. Warum nicht immer alles so ernst sein darf und der Oper Komik gut tut, erzählt die Regisseurin im Interview mit BR-KLASSIK.

Die Regisseurin Friederike Blum. | Bildquelle: Annemone Taake

Bildquelle: Annemone Taake

BR-KLASSIK: Frau Blum, der Götz-Friedrich Preis zur Förderung des Nachwuchses würdigt herausragende Leistungen im Musiktheater. Es ist ein Preis mit viel Außenwirkung. Aber was bedeutet er Ihnen?

Friederike Blum: Also zuerst einmal ist es eine riesengroße Ehre. Ich bin groß geworden mit den Namen der Preisträger und Preisträgerinnen, die diesen Preis schon bekommen haben und die jetzt große Karrieren machen: Stefan Herheim, Johannes Erath, Elisabeth Stöppler. Also ganz viele tolle Regisseurinnen und Regisseure. Und ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich mich mal irgendwie zu dieser Liste ansatzweise einreihen darf. Und das ist immer noch eine große Überraschung und eine große Freude.

Fragen an die zeitgenössiche Oper

BR-KLASSIK: Sie haben an der Bayerischen Staatsoper schon einen szenischen Liederabend zu Leos Janaceks "Tagebuch eines Verschollenen" eingerichtet. Den Götz-Friedrich-Preis haben Sie jetzt für Ihre Inszenierung der Oper "Drei Schwestern" von Peter Eötvös erhalten. Ist zeitgenössisches Musiktheater für Sie interessanter als Händel, Verdi oder Mozart?

Friederike Blum: Das würde ich nicht so sagen. Es ist für mich ein bisschen die Gesamtheit des Musiktheaters, wozu sowohl das sehr klassische Repertoire als auch die zeitgenössische Oper gehört. In meinem Werdegang habe ich diese beiden Stränge. Ich bin aufgewachsen als riesengroßer Opernfan. Seit ich sechs Jahre alt bin, gehe ich regelmäßig in die Oper. Ich war im Kinderchor. Ich habe die klassische Oper geliebt als einen Ort, der für mich irgendwie eine Welt geöffnet habe, in der ich mich sehr wohlgefühlt hat, wo mich was angesprochen hat - aber damals, gerade in der Kindheit, noch sehr im eskapistischen Sinne. Also eine Fantasiewelt, in die man irgendwie sich rein träumen kann, mit sehr, sehr schöner Musik. Der zweite Strang eröffnete sich eigentlich erst während des Studiums. Schon da hatte ich in Hamburg an der Hochschule sehr viel Kontakt mit der Kompositionsklasse und mit den Komponisten und Komponistinnen. Da hat sich diese Welt der zeitgenössischen Musik mehr aufgetan. Und auch Fragen wie: Was ist Oper eigentlich im Hier und Jetzt? Fragen, die natürlich sehr, sehr wichtig waren. Was bedeutet das, wenn man jetzt eine Oper komponiert? Und diese Fragen habe ich dann wieder auch an das klassische Repertoire gestellt. Und die beiden Ansätze gehören für mich gleichzeitig zusammen.

BR-KLASSIK: Ich finde ja Musiktheater immer gelungen, wenn es einen packt und überwältigt. Sie haben auch gerade von 'eskapistisch im Moment' gesprochen. Aber ob man Menschen berührt mit der Kunst, das ist ja immer sehr subjektiv. Ist das ein Kriterium, das Ihnen wichtig ist?

Friederike Blum: Ja, auf jeden Fall. Ich bin nicht sicher, inwieweit man das steuern kann und steuern darf. Aber ich finde, man muss im Theater das Angebot geben, sich berühren zu lassen. An welchen Momenten man andockt als Zuschauer, das ist jedem selbst überlassen, aber es geht um die Berührung und um die Erweiterung der Wahrnehmung.

Das Theater ist ein Raum, in dem man befreit ist. Auch vom Realismus, weil die Leute singen.
Friederike Blum

BR-KLASSIK: An der Bayerischen Staatsoper werden Sie in dieser Spielzeit die Uraufführung einer Kinderoper inszenieren. Wie kriegt man denn die Menschen schon als Kinder und Jugendliche ins Theater?

Friederike Blum: Ich glaube genau durch die Berührung, durch den Spaß, durch die Fantasie, die man dort zeigt auf der Bühne. Das Theater soll auf keinen Fall etwas Belehrendes, etwas Moralisches haben. Das hat man schon in der Schule genug. Das Theater ist ein Raum, in dem man befreit ist. Auch vom Realismus, weil die Leute singen. Das ist ja schon mal eine ganz tolle Abstraktionsebene, die jeden direkt auch berühren kann. Also es geht gerade bei Kindern auch erst mal um den Spaß, um das Interesse und um eine andere Welt.

Wichtig: Komik in der Oper

BR-KLASSIK: Thema ihrer Abschlussarbeit war die Komödie und das komische Musiktheater, das heißt, Sie haben sich auch im Studium damit sehr intensiv beschäftigt. Wie sieht es denn mit dem Komischen im Theater aus?

Friederike Blum: Die Arbeit war der Abschluss meines Masterstudiums in angewandter Theaterwissenschaft. Ich habe zuerst einen Bachelor in Musiktheaterregie gemacht und dann diesen wissenschaftlichen Master. Und das Ergebnis war, dass gerade Oper sehr, sehr nah am Komischen ist. Und das ist ja auch relativ häufig ein Vorwurf, dass man das, was auf der Opernbühne stattfindet, nicht so richtig ernst nehmen kann. Und das habe ich untersucht und finde, das ist aber gerade eine große Stärke, weil es uns auch entfernt von einer logischen Welt, von einem eher rational geprägten Verständnis von Dingen, die passieren. Die Komödie und das Komische haben das Potenzial zu hinterfragen und Dinge ins Gegenteil zu verkehren. Und das Lachen hat etwas sehr Befreiendes, einfach auch im psychologischen Sinne. Und das würde ich als große Stärke von dieser Kunstform beschreiben.

BR-KLASSIK: Gibt's in Ihren Inszenierungen auch was zu lachen?

Friederike Blum: Ich hoffe ja. Zumindest versuche ich das mit einzubeziehen. Auch während den Proben und während dem Prozess, während man so etwas entwickelt. Diese ganz große Ernsthaftigkeit und Wichtigtuerei ist letztendlich sehr einengend. Und ich finde immer, wenn man eben Dinge auch aus anderen Perspektiven betrachtet oder ins Gegenteil verkehrt oder einfach öffnet, für andere Perspektiven - das ist eine sehr produktive Arbeitsweise. Das Live-Erlebnis, dem man dann beiwohnt am Ende, das hat für mich eine viel größere Wirkung, wenn es mit dieser Offenheit spielt und nicht versucht, sehr, sehr ernst zu sein.

Eine inklusive Winterreise

BR-KLASSIK: Wissen Sie schon, wohin Ihr Weg führen wird?

Friederike Blum: Für die nächsten Spielzeiten bin ich schon in der Vorbereitung von superspannenden Projekten. Eines geht über die "Winterreise" - also wieder ein Projekt über Lieder wie das Janacek-Projekt auch, aber mit einem inklusiven Gedanken. Also ich arbeite dort mit Sängerinnen und Sängern beziehungsweise Darstellerinnen mit Behinderung an diesem Stoff. Das ist ein freies Projekt, aber ich habe auch Anfragen für größere Repertoirestücke auf tollen Bühnen und freue mich sehr darauf.

Sendung: "Allegro" am 17. Oktober 2023, um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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