Vom elektronischen Piepsen zur Konzertmusik: Die Musik in Videospielen hat in den letzten Jahren immer mehr an Qualität und Bedeutung gewonnen. Die Augsburger Philharmoniker haben jetzt ein Konzert nur mit Gaming-Musik gegeben – und natürlich einer Runde Tetris.
Bildquelle: Denise Maurer
Im Foyer des "Kongress im Park Augsburg" piept und blinkt es aus jeder Ecke, denn knallige, verpixelte Spiele warten auf Bildschirmen vor orangefarbenen Sofas auf die heutigen Konzertbesucher. Tina Lorenz, Digitalbeauftragte am Staatstheater Augsburg, gibt eine kleine Führung. Alles ist irgendwie retro: Die erste Station, ein Arcade-Automat mit dem kompetitiven Spiel "Street Fighter". Auf einem Bildschirm gegenüber gibt es Tetris. An die Wand wiederum projeziert ein Beamer einen Klassiker: "Mario Kart". Sogar "Pong" aus dem Jahre 1972 ist hier auf einem winzigen, antik-wirkenden Röhrenfernseher vertreten – eines der Sammelstücke aus einer Internetauktion.
Das Ziel der ganzen Aktion ist klar: Eine neue, jüngere Zielgruppe für die Konzerte der Augsburger Philharmoniker zu erreichen. "Mein Mitarbeiter und ich haben eine Wette laufen, wer heute den Hauptteil des Publikums ausmacht", lacht Tina Lorenz. "Ich glaube ja, es sind Eltern mit ihren Kindern. Mein Kollege sagt, das sind alles Studierende. Also mal schauen."
Im Foyer des Kongress im Park Augsburg dürfen die Besucherinnen und Besucher verschiedene Spiele ausprobieren und in Erinnerungen schwelgen. | Bildquelle: Denise Maurer Dann öffnen sich die Türen, und die Konzertbesucher strömen ins Foyer. Die Wette hat wohl niemand gewonnen – oder besser gesagt: jeder. So haben gerade Nil und Agnev, zwei Studenten aus Indien, einen virtuellen Zweikampf an der Arcade-Spielekonsole hinter sich und schwelgen in Erinnerungen. "Diese Art an Spielen ist in Indien sehr beliebt. Das waren die ersten Spiele, die wir in unserer Kindheit gespielt haben. Deshalb ist das hier so eine Art Zeitreise in unsere Kindheit." Auf das Konzert freuen sie sich ebenfalls schon.
Das hier ist etwas anderes. Sonst hört man nur Streichquartett.
Johanna und Lina stellen sich gerade bei "Mario Kart" an. Sie gehören wohl eher in die Familien-Kategorie: "Ich finde es auch ganz cool, mal in die Zeit zurückzureisen und einfach mal diese Spiele zu spielen, die unsere Eltern auch gespielt haben", sagt Lina. Und auch Johanna findet das Konzept super: "Das hier ist schon etwas anderes. Sonst hört man ja nur Streichquartett oder sonstiges."
Aber besonders schön klingt hier kein Videospiel. Wie soll das auf die große Bühne? Dr. Christine Faist hatte die Aufgabe, aus dem großen Fundus der Videospielmusik ein passendes Programm auszuwählen. "Das zuerst war natürlich der Anspruch, wirklich gute und hochwertige Musik für Orchester aus den Spielen zu bekommen", sagt sie. "Wir wollten auf jeden Fall auch eine ganz ausgewogene Mischung präsentieren." Außerdem hat die Musik der Videospiele seit ihren Anfängen als fiese Computer-Midi-Soundtracks in den 70ern eine beachtliche Entwicklung gemacht, ähnlich wie die Filmmusik durch John Williams. "Man hat gespürt, wie wichtig die Musik für den Film ist", erklärt Generalmusikdirektor Domonkos Héja. "Und ich glaube, das ist genauso bei einem Computerspiel."
Eine Zusammenstellung zehn fantastischer Gaming-Soundtracks finden Sie hier.
Schauspieler und Moderator Julius Kuhn deckt die Vielfalt dieser Musik auf: vom atonal inspirierten "BioShock" über das melancholische "Assassin's Creed" bis hin zu reißenden Arrangements von "Angry Birds". Kein Spielgenre wird ausgelassen, und das Orchester kann mit seiner ansteckenden Energie sein Publikum am Ende des Abends voll begeistern – von jung bis alt. "Ich würde es mir sofort wieder anhören", sagt ein Student. Und eine ältere Dame meint: "Ich war ein bisschen skeptisch, aber es hat mir sehr gut gefallen, auch das 'Tetris'."
Die größte Zustimmung dieses Abends kommt aber aus der Ecke der eingeschworenen Gamerinnen wie Lisa und Marie. Für sie will das Theater nicht nur seine Klischees überwinden, sondern auch die über Gamer. "Es sind Angebote für ein Publikum, das vorher nicht als Theaterpublikum anerkannt wurde. Dass es die jetzt beim Staatstheater gibt, ist ja auch irgendwie eine Ehrung."
Sendung: "Allegro" am 21. November 2022 ab 6:05 auf BR-KLASSIK
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