Eine Oper als virtuelles Spiel? Das Staatstheater Augsburg probiert es aus. Für sein Konzept zu Arnold Schönbergs Monodram "Erwartung" als VR-Videospiel ist es nun für den Digital Prize der europäischen Kultur-Plattform Fedora nominiert worden.
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Staatstheater Augsburg
Schönberg-Oper als Virtual-Reality-Spiel
Arnold Schönbergs Monodram "Erwartung" ist eine Reise in eine fesselnde Dunkelheit, in die Psyche einer Frau, ihre düsteren Emotionen, ihre Angst und Eifersucht. Eine Frau, die irrt und verwirrt etwas sucht, was sie nicht finden möchte. Gruselig und kein leichter Opernstoff. Doch für Tina Lorenz, Leiterin des Digitaltheaters am Staatstheater Augsburg, ist diese Intensivität in Musik und Geschichte perfekt für ein Videospiel. Genauer gesagt für ein VR-Game, was sich allerdings noch in der Entwicklungsphase befindet.
Ein Virtual-Reality-Spiel, kurz VR-Spiel, ist ein Computerspiel, bei dem man eine VR-Brille aufsetzt. Diese Brille erinnert an eine Taucherbrille und ermöglicht dem Spieler eine 360-Grad Rundumsicht im Spiel. Man befindet sich in einer neuen, scheinbaren Realität, da der Sound und die Grafik auf die eigenen Bewegungen reagieren.
Immersion nennt man das, wenn die eigenen Sinne mit der computergraphischen Welt verschmelzen. Das sei etwas, was Theater immer schon mache, sagt Tina Lorenz. Ein Raum, in dem die Welt außen nicht mehr vorkomme. "VR ist die Technik, die sich dem am ehesten anschließt – deswegen arbeiten wir wahnsinnig gern damit."
Skizze zum VR-Spiel "Erwartung" | Bildquelle: Heimspiel GmbH
Für das ultrareale Hör-Erlebnis, den 3D-Sound des VR-Spiels, sind die Augsburger Philharmoniker im Kongress am Park Augsburg zur Aufnahme angetreten. Über dem Orchester schwebt ein quadratisches Eisengestell, extra aus dem 3D-Drucker hergestellt, bestückt mit zahlreichen Mikrophonen. Auch im Orchester selbst wimmelt es vor Mikrofonen.
Die Sopranistin Sally du Randt tritt mit ihrer Stimme gegen das 80 Personen starke, kommentierende Orchester an. Musikalischer Leiter Domonkos Héja freut sich über die Gelegenheit, dieses Werk von Schönberg zu erarbeiten, das spannend sei, aber wegen seiner ungewöhnlichen Besetzung mit nur einer Sängerin selten aufgeführt wird: "Es ist wirklich wie ein musikalischer Seismograph. Die Musik reagiert immer darauf, was die Frau denkt, beziehungsweise sagt."
Eine Herausforderung ist auch die ganz konkrete, technische Umsetzung. Frank Patzke, Mitbegründer der Kreativagentur "Heimspiel", stellt das aktuelle Storyboard des Spiels vor. Das sind einzelne Bilder der verschiedenen Szenen, versehen mit kleinen Erklärungen der Handlung. Darin gibt es mehrere Perspektivwechsel: Meistens ist man als Spieler die Protagonistin, erkundet aktiv den unheimlichen Wald oder löst kleine Rätsel. Auch gibt es geführte Kamerafahrten passend zur Musik. Schnell wird klar: Ja, es ist ein Spiel, aber es geht vor allem um die Musik und die Emotionen dieser Geschichte.
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Erwartung - Stiftung Staatstheater Augsburg
Und wie kann man das Ganze überhaupt erleben? Gamer, die eine VR-Brille und einen entsprechenden PC zu Hause haben, können das Videospiel "Erwartung" über die Plattform Steam herunterladen. Man kann das Spiel aber auch im Rahmen einer Veranstaltung im Staatstheater Augsburg ausprobieren.
Skizze zum VR-Spiel "Erwartung" | Bildquelle: Heimspiel GmbH Eine größere Reichweite schaffen, die lokale, räumliche Begrenztheit eines Theaters überlisten und ein untypisches oder gar internationales Publikum ansprechen: Der Ideengeber, Regisseur und Intendant des Staatstheaters Augsburg André Bücker will genau das erreichen. Auf die Frage, wozu das ganze Digitaltheater überhaupt und ob das Gaming-Setting nicht vielleicht von der Tiefe der Musik ablenkt, gibt er eine klare Antwort: Das Theater habe sich schon immer neue Techniken zur Ausdruckssteigerung einverleibt.
Bis zum 30. November 2022 läuft noch eine Crowdfunding-Aktion für das Projekt "Erwartung". Im Frühling nächsten Jahres soll dann das Spiel fertig sein und vor Ort ausprobiert werden können.
Sendung: "Allegro" am 18. Oktober 2022, um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Dienstag, 18.Oktober, 10:44 Uhr
Alexander Störzel
OPER WIRD DIGITAL
Es ist eine faszinierende technische Errungenschaft.
Aber die Musik von Arnold Schönberg ist in diesem Werk suggestiv genug und von ungeheurem Erfindungsreichtum, dass es keiner solchen Visualisierung bedarf, da bereits eine Inszenierung auf der Opernbühne überflüssig ist, da die Schönbergs Musik immer einen Schritt voraus ist.
Andererseits könnten dadurch das Interesse vor allem für junge Menschen für dieses Werk und Oper im Allgmeinen geweckt werden.