Am 11. Januar hat das Bayerische Kabinett entschieden, dass in der Gastronomie weiterhin die 2G-Regel ausreichen soll. Dass gleichzeitig strengste Auflagen für die bayerischen Kulturbetriebe gelten, ist unverhältnismäßg. Ein Kommentar.
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Ministerpräsident Markus Söder war heute um 13 Uhr nicht dabei bei der wöchentlichen Pressekonferenz nach der Bayerischen Kabinettssitzung. Staatskanzleichef Florian Herrmann verkündete die Ergebnisse. Terminnot? Oder war Söder doch auch bewusst, dass das gerade im Hinblick auf die Kulturbranche ein eher unrühmlicher Anlass sein wird?
Die strengen Corona-Maßnahmen machen bayerischen Kulturbetrieben zu schaffen. Nur 25 Prozent der Sitzplätze dürfen belegt werden. | Bildquelle: Jens Krick/picture alliance Als der Ministerpräsident auf die Forderung des Bundes nach einer 2G Plus-Regel in der Gastronomie vor wenigen Tagen betonte, dass er "sehr, sehr skeptisch sei", und Bayern im "Team Vorsicht", aber auch im "Team Augenmaß" bleibe, muss das allen Kulturschaffenden und Kulturinteressierten wie blanker Hohn vorgekommen sein. Seit einem guten Monat kämpft die Kulturbranche bekanntermaßen genau mit diesen Einschränkungen – und der geringen Auslastung von 25 Prozent der Sitzplätze.
Nachdem sich nun die Staatsregierung entschlossen hat, für die Gastro keine 2G Plus-Regelung einzuführen, wird diese Unwucht endlich offenbar. Florian Herrmann stellt Gespräche für die nächsten Tage in Aussicht, in denen über Lockerungen im Kulturbereich gesprochen werden soll. Besonders die 25 Prozent-Grenze scheint doch erheblich zu wackeln. Oder wie Wirtschaftminister Hubert Aiwanger sagt: "Wenn sich herausstellt, dass das verantwortbar ist, dass wir dichter bestuhlen, dann machen wir das."
Das Heinrich-Hertz-Institut führt eine Aerosol-Studie im Konzerthaus Dortmund durch und schätzt die Corona-Infektionsgefahr als sehr gering ein. | Bildquelle: Simeon Klein Die Basis für diesen Schritt wären wissenschaftliche Erkenntnisse. Diese hat die Bayerische Staatsoper in Zusammenarbeit mit der TU-München allerdings schon vor rund einem Jahr geliefert, genau wie das Konzerthaus Dortmund mit dem Heinrich-Hertz-Institut. Überall wurde festgestellt, dass moderne Belüftungsanlagen das Infektionsgeschehen so minimieren, dass theoretisch Vollbelegung mit Masken möglich wäre. Gut, damals gab es noch kein Omikron. Aber die Studien sind doch eine entscheidende Vorleistung, die es so in der Gastronomie überhaupt nie gab. Warum weiß das anscheinend niemand am Kabinettstisch? Wirft Kunstminister Bernd Sibler solche Argumente nicht in die Waagschale, um "seinen" Kulturbereich zu schützen? Um das "Team Augenmaß" gegenüber dem "Team Vorsicht" zu stärken?
Letzteres war im Kulturbereich in Bayern bisher immer der klare Sieger. Sonst hätte es zur 25 Prozent-Grenze überhaupt nicht kommen dürfen, die von Anfang an arg willkürlich wirkte, gerade weil sie völlig unwissenschaftlich ist. Dass erst jetzt eine Anpassung der Maßnahmen in Theatern, Kinos oder Museen in Erwägung gezogen wird, weil sich Aiwanger vor die Gastronomie stellt, ist ein Armutszeugnis für Sibler. Das bleibt der äußerst fade Beigeschmack dieser eventuellen Lockerung, für die es höchste Zeit ist!
Sendung: "Leporello" am 11. Januar 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Freitag, 14.Januar, 08:53 Uhr
Hermann König
Kultur braucht eine Lobby
Kultur ist mindestens so wichtig wie die Gastronomie. Die Wirte haben eine Lobby und beklagen sich ständig laut stark - die Kultur schweigt. Schade!