Wie riskant sind Chorproben während der Corona-Pandemie? Welche Instrumenalisten stoßen besonders viele Aerosole aus? Wie hoch ist das Risiko, sich im Theatersaal mit Covid-19 zu infizieren? Dazu gibt es mittlerweile zahlreiche Studien – mit teilweise überraschenden Ergebnissen.
Bildquelle: Franziskus Büscher
Seit Beginn der Pandemie steht das Chorsingen unter Verdacht: Die Infektionsgefahr soll hier besonders hoch sein. Eine Studie der LMU München und der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen untersuchte deshalb die Ausbreitung von Aerosolen beim Singen. Unterstützt wurden sie dabei von Sängerinnen und Sängern des BR-Chores. Die ersten Erkenntnisse vom Juli 2020: Masken beim Singen helfen dagegen nur bedingt. Zwar halten sie die Ausbreitung der größeren Tröpfchen auf, nicht aber den Aerosolnebel. Der quillt an den Rändern der Maske ins Freie. Lüften und Abstand halten von mindestens 2 Metern nach vorn und eineinhalb Metern zur Seite – das sind der Studie zufolge die zwei wichtigsten Instrumente im Kampf gegen Corona.
Sängerinnen und Sänger in deutschen Chören sind besonders gefährdet, sich mit Covid-19 zu infizieren – so das Ergebnis einer japanischen Studie vom Januar 2021. Schuld daran seien die vielen Konsonanten in der deutschen Sprache. Italienisch und Japanisch sind den Wissenschaftlern zufolge weniger riskant. Beim Singen auf Japanisch wurden von den Studienteilnehmern nur halb so viele Aerosolpartikel ausgestoßen wie beim Singen auf Deutsch.
Studien zeigen, dass das Musizieren auf Blasinstrumenten ein höheres Infektionsrisiko darstellt als bei anderen Instrumenten. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Wie groß die Infektionsgefahr für Covid-19 bei verschiedenen Musikergruppen ist, untersuchten im Frühjahr 2020 zwei Studien der Universität der Bundeswehr München und der Berliner Charité. Während die Charité einen Leitfaden für alle Orchesterinstrumente entwickelte, ging die Universität der Bundeswehr speziell auf das Musizieren mit Blasinstrumenten ein. Das Fazit der Wissenschaftler aus München und Berlin: Instrumentalisten haben kein höheres Infektionsrisiko als Personen, die sich im gleichen Raum befinden und sich miteinander unterhalten. Der Luftstrom, den Bläser freisetzen, ist generell geringer als beim Sprechen. Sie empfehlen Abstände von eineinhalb bis zwei Meter zwischen den Musizierenden.
Grundsätzlich birgt das Musizieren auf Blasinstrumenten größere Risiken als bei anderen Instrumenten. Das ist das Ergebnis einer Aerosolstudie des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Universitätsklinikums Erlangen. Die Versuche fanden in Zusammenarbeit mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks statt und zeigten: Die Aerosole verteilen sich bei Bläsern stärker nach vorne als zur Seite. Bei Blasinstrumenten sind laut Studie zwei Meter Abstand nach vorne notwendig, eineinhalb zur Seite. Ausnahme: die Querflöte. Hier zeigte sich, dass die Aerosole sich weiter verbreiten als bei Trompete und Klarinette. Deshalb schlagen die Wissenschaftler bei der Querflöte drei Meter Abstand nach vorne und zwei Meter Abstand zur Seite vor.
Die Ergebnisse einer Pilotstudie an der Bayerischen Staatsoper vom Herbst 2020 zeigten: Bei 500 Personen im Zuschauersaal besteht kein erhöhtes Infektionsrisiko. Die Testphase lief vom 1. September bis zum 25. Oktober 2020 und wurde von einem Ärzteteam des Klinikums rechts der Isar und der TUM sowie Vertretern des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit begleitet und fachlich bewertet. Im Zuge dessen wurde ein individuelles Hygienekonzept für die Bayerische Staatsoper ausgearbeitet, mit einer lockeren Form der "Schachbrettbestuhlung". Die Luft im Nationaltheater wurde alle 9,5 Minuten vollständig ausgetauscht.
Maske, Schachbrettbestuhlung und eine gute Belüftung halten das Infektionsrisiko mit im Zuschauersaal gering – so das Ergebnis mehrerer Studien. | Bildquelle: BR Mund-Nasen-Schutz und Belüftungsanlage – und schon ist eine Infektion so gut wie ausgeschlossen. Zu dem Ergebnis kam eine Studie des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt, die im Januar 2021 veröffentlicht wurde. Drei Tage lang untersuchten die Wissenschaftler die räumliche Ausbreitung von CO2 und Aerosolen im Zuschauerraum des Konzerthauses Dortmund. Das Ergebnis ist eine echte Perspektive für die Wiedereröffnung der Kulturstätten nach dem Lockdown. Theoretisch kann dann sogar wieder jeder Platz besetzt werden. In der Praxis bleibt das "Schachbrettmuster" im Zuschauerraum das Mittel der Wahl.
Wenn nur jeder dritte Platz im Theater- oder Konzertsaal besetzt ist und Maskenpflicht gilt, ist das Risiko, sich durch Aerosole mit Covid-19 zu infizieren, geringer als im Friseursalon. Das zeigen Modellberechnungen der Technischen Universität Berlin vom Februar 2021. Die Forscher des Hermann-Rietschel-Instituts haben für verschiedene Innenräume eine Ansteckungsrate berechnet und diese in einer Infografik aufgelistet.
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