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Die Rückkehr der Namen Der Heldentenor Ernst Mosbacher

Über ihn gibt es so gut wie kein Archivmaterial und kein einziges Tondokument. Und doch war der Tenor Ernst Mosbacher ein Heldentenor, der mit Sicherheit große Erfolge auf vielen Bühne hätte feiern können. Wenn er nicht Jude gewesen wäre. Unter welchen Umständen Mosbacher in Frankreich von den deutschen Nationalsozialisten verhaftet wurde, weiß keiner, auch nicht Tobias Reichard vom Ben-Haim-Forschungszentrum in München. Er forscht über Mosbacher im Rahmen des Projekts "Die Rückkehr der Namen".

Bildquelle: BR

Die Rückkehr der Namen

Der Heldentenor Ernst Mosbacher

Siegfried, Siegmund und auch Parsifal, dafür war er gemacht, dieser Ernst Mosbacher. In München hat er erst Jura studiert, bevor die ersten Bühnenauftritte und damit auch die ersten Erfolge als Sänger kamen. 

Mosbacher hatte anscheinend eine wahnsinnig starke Stimme und sang auch die großen Rollen dieses Stimmfachs.
Tobias Reichard, Leiter Ben-Haim-Forschungszentrum

Tobias Reichards Arbeitsweise im Ben-Haim-Forschungszentrum hat was von der Detektivarbeit eines Sherlock Holmes. Da wird nicht einfach gegoogelt, da werden alte Zeitungsartikel, Rezensionen, Programmzettel, Annoncen gesucht. Und die liefern eine Ahnung, eine Idee vom jüdischen Leben damals und damit auch vom Künstler Mosbacher. Und so blättert, kombiniert Tobias Reichard und sucht Antworten auf die Frage: Wie war er wohl?

Ein jüdischer Siegfried war nicht erwünscht

Ernst Mosbacher | Bildquelle: Gedenkbuch München Ernst Mosbacher, Jurist und Sänger (1900-1942) | Bildquelle: Gedenkbuch München Die bayerische israelitische Gemeindezeitung schreibt im Jahr 1935: "Mosbachers sieghafter Tenor drohte mitunter den intimen Rahmen zu sprengen, man bedauerte, dass dieser strahlenden Stimme nicht dieser Platz zugewiesen kann, welcher ihr gebührt, nämlich die Bühne." In Frankfurt, in Augsburg, vielleicht auch in München macht der junge Ernst Mosbacher seine ersten Schritte auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Aber sehr schnell wird diese vielversprechende Welt für ihn sehr klein. Ab 1933 darf er nur noch beim Jüdischen Kulturbund auftreten, eine Selbsthilfeorganisation von Juden für Juden. Doch auch da werden die künstlerischen Freiheiten immer mehr reglementiert und kontrolliert. Ein jüdischer Siegfried...passt nicht zur Ideologie.
"Jedes Konzertprogramm musste von den nationalsozialistischen Behörden genehmigt werden," sagt Tobias Reichard gegenüber BR-KLASSIK, "und natürlich haben die Nationalsozialisten da sehr stark darauf hingearbeitet, dass der jüdische Anteil in den Programmen gesteigert werden sollte."

"Die Rückkehr der Namen"

Mit dem Projekttag unter dem Titel "Die Rückkehr der Namen" wird am 11. April in München an die Opfer des nationalsozialistischen Terros erinnert. Dafür stehen Patinnen und Paten aus den Opfergruppen, anderen Organisationen, der Münchner Zivilgesellschaft und der breiten Öffentlichkeit mit Gedenktafeln ab 15 Uhr an vielen Punkten der Innenstadt. Um 17 Uhr treffen sich alle Interessierten auf dem Münchner Königsplatz und ziehen dann auf dem "Weg der Erinnerung" durch das ehemalige "braune Viertel" zum Odeonsplatz. Dort wird eine Abschlussveranstaltung mit Interviews, Filmen, Musik und Performances stattfinden. "Die Rückkehr der Namen" ist ein Erinnerungs- und Demokratieprojekt des Bayerischen Rundfunks mit Unterstützung der Landeshauptstadt München. Mehr Informationen finden Sie hier.

Problematischer Auftritt in München

Tobias Reichard | Bildquelle: Hochschule für Musik und Theater München Tobias Reichard, Leiter des Ben-Haim-Forschungszentrums München | Bildquelle: Hochschule für Musik und Theater München Wie engmaschig die Kontrolle ablief, kann man sich vorstellen, wenn man zurückgeht auf den 8. November 1934 ins Münchner Museum. Das war ein Veranstaltungshaus mit zwei Sälen. Hier darf der Jüdische Kulturbund Konzerte und Marionettentheater veranstalten. Auch Ernst Mosbacher tritt auf, beim Gedenkabend für einen jiddischen Autor. Gleichzeitig sind im Haus auch jede Menge Judenhasser, als ob man eine Konfrontation provozieren wolle, meint Tobias Reichard: "Nur einen Flur weiter fand ein Vortragsabend statt von Georg Schott, das war ein ehemaliger Pastor, der eine der frühesten Hitlerbiografien vorgelegt hat."

Stationen in der Schweiz und in Frankreich

Ein Engagement am Stadttheater Bern scheint die Rettung für den Tenor. Mosbacher verlässt Deutschland 1935, singt in der Schweiz Wagner, Verdi und Puccini. Als Liedsänger gibt er Konzerte mit Musik von Schubert. Wieder sind es Programmzettel und alte Plakate aus jener Zeit bis ins Jahr 1937, die Tobias Reichard als Quelle nutzt. Meldedokumente geben Aufschluss, wo Mosbacher gelebt hat. "Er ging nach Monte Carlo, das weiß man noch, und trat bis 1942 in Frankreich auf," meint Reichard, während er die Quellen durchblättert, "und da geriet er dann unter ungeklärten Umständen in deutsche Gefangenschaft und wurde nach Auschwitz deportiert. Danach verliert sich jede Spur."

Das letzte Dokument bescheinigt den Tod: 1944 wurde der Heldentenor Ernst Mosbacher ermordet.

Sendung: "Leporello", 11. April 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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