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Nach Protest gegen Präsident Lukaschenko Belarussischer Starsänger muss fliehen

In Belarus war der Opernsänger Ilya Silchukou eine Ikone der Kultur. Weil er gegen Präsident Lukaschenko aufbegehrte und Haft drohte, floh er ins Exil. Doch er sehnt sich nach einer Rückkehr in die Heimat.

Ilya Silchukou | Bildquelle: Ilya Silchukou

Bildquelle: Ilya Silchukou

Ilya Silchukou war eine Ikone der Kultur in Belarus. Der Bariton, Solist an der Bolschoi-Staatsoper, repräsentierte sein Land bei Auftritten zuhause und über die Grenzen hinweg. Er hatte ein privilegiertes Leben. Silchukou gab es alles auf. Denn Silchukou wagte es, den Präsidenten zu kritisieren. Und Alexander Lukaschenko, der seit fast drei Jahrzehnten mit eiserner Hand über die einstige Sowjetrepublik herrscht, lässt Kritik nicht gelten.

Proteste gegen belarussische Regierung gewaltsam niedergeschlagen

Als sich Lukaschenko 2020 eine sechste Amtszeit sicherte – in einer Wahl, die sowohl der Westen als auch die Opposition nicht anerkennen –, ging Silchukou gemeinsam mit Zehntausenden Landsleuten auf die Straße. "Es war so offensichtlich für uns alle", sagt der Sänger über die Unrechtmäßigkeiten der Wahl, "dass wir einfach nicht mehr still halten konnten." Die Regierung ließ die Proteste gewaltsam niederschlagen und tausende Menschen festnehmen.

Dann wies Silchukou drei Auszeichnungen zurück, die ihm der Präsident persönlich verliehen hatte. Aus seinem Freundeskreis kamen Warnungen, dass er ein zu großes Risiko eingehe. "Sie sagten: 'Was ist dein Problem? Du hast doch alles, was du brauchst' ", erklärt Silchukou. "Ich sagte: 'Ja, sie bezahlen mich, aber ich bin nicht ihr Eigentum.' "

Silchukous Opernvertrag gekündigt

Der öffentliche Widerstand gegen Lukaschenko brachte dem Sänger die Kündigung seines Opernvertrags ein. Ihm sei "unmoralisches Verhalten" angekreidet worden, sagt Silchukou. Außerdem sei er auf eine schwarze Liste gesetzt worden. Als Antwort darauf ließ er seine Stimme in einem Video des traditionellen Lieds "Mahutny Boscha" ("Allmächtiger Gott") ertönen, das zu einer Hymne der Opposition geworden war.

Haftandrohung und Flucht in die USA

Schließlich, im März 2021, kam die Polizei auf Silchukous Frau zu. Die Sicherheitskräfte warfen ihr Betrug am staatlichen Unterstützungsprogramm für Kinder vor und drohten mit zwei Jahren Haft. Da wusste der Sänger, dass er weg musste. "Bei vielen Kindern in Belarus sitzen beide Elternteile im Gefängnis", sagt er. Im Mai packte die Familie vier Koffer und die nötigen Dokumente und nahm den Flieger nach Georgien. Von dort ging es weiter in die USA, nach Seattle, wo Silchukous Eltern leben. Inzwischen sind Silchukou, seine Frau und die drei Kinder nach Boston umgesiedelt.

Dort gibt der Opernsänger Unterricht an einer privaten Musikakademie und versucht, seine Karriere wieder aufleben zu lassen. Während er früher die europäischen Bühnen schon erobert hatte, war er in den USA noch eher unbekannt geblieben. "In Europa kennt man mich, aber ich bin nie in den Vereinigten Staaten aufgetreten", sagt Silchukou. "Es war wie ein leeres Blatt Papier für mich, eine neue Seite", erklärt er. "Wir mussten hier ganz von vorne anfangen."

Unterstützung durch Initiative "Belarussen in Boston"

An die Ostküste gelockt hat ihn Marina Lvova, Vorsitzende der Initiative "Belarussen in Boston". Sie hatte Silchukou bei einem seiner ersten Auftritte in Minsk gesehen – und habe sich sofort in seine Stimme verliebt, sagt sie. Ebenso beeindruckt habe sie aber auch der Mut des Künstlers im Widerstand zu Lukaschenko. "Es war sehr mutig von jemandem mit seinem Standing, all das, was er hatte, für so viel Unsicherheit zu verlassen", bekräftigt Margarita Druker aus der Schulleitung der Star Academy, an der Silchukou unterrichtet. Dorthin kommen viele Schülerinnen und Schüler aus Familien osteuropäischer Herkunft mit ähnlichen Fluchterfahrungen wie ihr Lehrer.

Hoffnung, nach Belarus zurückzukehren

Den Weg zurück auf die Bühne findet Silchukou inzwischen auch, unter anderem gemeinsam mit dem Pianisten Pavel Nersessian bei Konzerten in Boston und New Jersey. Dabei präsentierte er Lieblingsstücke aus seiner gesamten Karriere, und zum Schluss noch als "Juwel des Konzerts" ein Duett mit seiner Frau, einer Mezzosopranistin. "Ich blicke mit Hoffnung nach vorne", sagt Silchukou. Gemeint ist damit nicht nur seine Gesangskarriere. Eine seiner großen Hoffnungen ist auch, irgendwann nach Belarus zurückkehren zu können. Mit seinen Freunden dort bleibt er in engem Kontakt. "Wir hoffen, sie wiederzusehen", sagt der Exilant. "Und ganz klar werden wir an unserem echten Unabhängigkeitstag unsere Lieder auf den Plätzen singen."

Dieser Artikel entstand mit Material der Associated Press

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