Im Orchester gibt sie den Ton an: die Geige. Kaum ein Instrument steht so stellvertretend für klassische Musik wie sie. Geige zu spielen ist nicht leicht, auch ihre Fertigung ist eine Kunst. Stradivaris umgibt geradezu ein Mythos.
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Instrumentenwissen
Die Geige
"Die allererste Begegnung war wie mit einem Menschen, den man vorher nicht gesehen hat", erinnert sich die Geigerin Arabella Steinbacher an den besonderen Moment, als sie von einer Schweizer Stifung die Stradivari bekam, auf der einst der 1973 verstorbene amerikanisch-ungarische Violinvirtuose Joseph Szigeti gespielt hat. "Die Strad, das war schon wirklich Wahnsinn."
Auf mehrere Millionen Euro werden die Instrumente von Antonio Stradivari (1644-1737) heute taxiert. Der Italiener, dessen Name für die legendäre Geigenbaukunst des italienischen Städtchens Cremona steht, genießt bis einen bis dato magischen Ruf. Wieso übt der Klang seiner Instrumente so eine Faszination auf die Geigerinnen und Geiger und die Fans der Violine aus? Er habe Vulkanasche für den Lack seiner Instrumente verwendet, behaupten Spezialisten aus der Geigenbauerzunft. Das habe dem Klang seiner Geigen ihre sagenhafte Transparenz gegeben. Weder ist das bestätigt, noch ist das Gegenteil bewiesen. "Jeder hat seine spezielle Lackrezeptur", so der Mittenwalder Geigenbauer Rainer W. Leonhardt. "Es gibt es ein paar Grundprodukte, wie Mastix, Schellack und Propolis, die die Grundelemente beim Lack bilden." Aber wie das genau zusammengesetzt wird, da habe jeder sein eigenes Rezept und "seine Erfahrungswerte". Niemand verrate, in welchem Mischungsverhältnis das eine zum anderen stehe.
Der Geigenbauer Peter Erben in seiner Münchner Werkstatt (Archivbild) | Bildquelle: picture alliance / Sueddeutsche Zeitung Photo | Hess, Catherina Ab 3.000 Euro aufwärts kostet bei Rainer W. Leonhardt eine Geige. Der Lack, der das Holz je nach Inhaltsstoffen helldunkel, goldbraun oder rötlich schimmern lässt, ist bei der Herstellung des Instruments der letzte Arbeitsschritt. Der Bau einer Geige ersteckt sich über ein halbes Jahr. Zunächst geht es um den Zargenkranz, die Holzrundung, die der Geige ihre typische Form gibt. "Der Zargenkranz ist ein Ahornfunier. Dieses wird feucht gemacht und über ein heißes Biegeeisen in die Form gebogen", erklärt der Münchner Geigenbauer Peter Erben, der wie Rainer Leonhardt in Mittenwald gelernt hat. "Nach diesem Umriss werden Decke und Boden angefertigt, gestochen, gehobelt, ausgearbeitet." Und man habe, so Erben, beim Hobeln immer die genaue Form im Kopf. Also eine genaue Vorstellung, wie die Wölbung von Decke und Boden sein soll.
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Die vier Saiten der Geige sind über ein Griffbrett gespannt, das aus schwarzem Ebenholz besteht. Anders als bei den Zupfinstrumenten gibt es keine Bünde für die Höhe der Töne. "Die Griffe", sagt Arabella Steinbacher und lacht, "ja, die muss man einfach wiederholen, sodass die nach wie vor getroffen werden". Es brauche regelmäßige Übung, damit die Finger wie von Geisterhand geführt, die richtige Stelle finden. Das bedeute nicht, dass sie jeden Tag spiele. Es komme vor allem darauf an, "konzentriert" zu üben. Stundenlanges Spielen allein helfe nicht, um das Können zu steigern, betont die Geigerin.
Ihr Instrument halten die GeigerInnen und Geiger zwischen Kinn und Schulter. Bei manchen ist der Kinnhalter auf der linken Seite der Geigendecke positioniert, bei anderen genau auf der Mitte. Gegenstück zum Kinnhalter ist auf der Unterseite je nach Länge des Halses eine Schulterstütze. Manche Geiger, wie etwa der aus Odessa stammende, 1992 verstorbene, Geiger Nathan Milstein schworen darauf, dass es besser sei, ohne die Stütze und lediglich mit einem aufgelegten Tuch. So, glaubte er, spüre man mehr "die Resonanz des Instrumentes" und sei dadurch besser mit ihm verbunden - einerseits. Andererseits kommt es auch auf die Länge des Halses an, die die jeweilige Geigerin oder der Geiger hat. Davon sollte die Entscheidung abhängen, "mit" oder "ohne" Stütze zu spielen. "Eingeklemmt" sollte sich die Geige zwischen Kinn und Schulter nicht anfühlen. Das würde den linken Arm und die Finger in ihrer Spielbeweglichkeit einschränken - vor allem beim Wechsel in die verschiedenen Lagen auf dem Griffbrett. Für die Geigerin Arabella Steinbacher ist die Frage, ob mit oder ohne Schulterstütze, klar: "Ich spiele mit einem Tuch."
Die Geige sollte auf jeden Fall entspannt zwischen Kinn und Schulter gehalten werden. Selbst dem entgegenstehende kleine Haltungsfehler führen im Laufe der Jahre zu medizinischen Beschwerden, die den Besuch einer Musikerambulanz erforderlich machen können, um Fehlhaltungen wieder zu beheben. Auch äußere Umstände können sich auf kleine Fehlhaltungen ungünstig auswirken und potenzierend wirken. Neben Musikerambulanzen an den Universitäten und in Krankenhäusern gibt es auch Vereine, in denen MusikerInnen mit Beschwerden oder Fragen Mitglied werden können, wie etwa in Grafing östlich von München.
Die Geige benötigt ein Mindestmaß an Luftfeuchtigkeit, so wie jedes Holz als lebendes Material, damit es nicht brüchig wird. Dazu sind beim Geigenbauer Schläuche erhältlich, dessen Inneres ein Schwammmaterial enthält. Das lässt sich anfeuchten und durch die F-Löcher der Geige in den Korpus einführen. Arabella Steinbacher hat eine andere Methode, wie sie ihre Stradivari vor Austrocknung bewahrt. "Wenn ich jetzt besonders im Winter irgendwohin fliege, wo extrem trockene Luft ist durch die Heizung, dann schaue ich schon, dass ich die Geige mal ins Badezimmer mitnehme und die Dusche laufen lasse - also natürlich aus der Entfernung." So, sagt Arabella Steinbacher, bekomme die Geige ein bisschen mehr Luftfeuchtigkeit und sei nicht allzu sehr einem trockenen Klima ausgesetzt.
Sendung: "Allegro" am 11. Oktober ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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