Was bringen Theaterbesucher- und besucherinnen einer Stadt wirtschaftlich? Das haben Wissenschaftler der LMU München für das Theater Regensburg untersucht. Sie kommen zu dem Ergebnis: Das Theater ist ein Treiber für die Wirtschaft vor Ort. Ein Argument auch mit Blick auf künftige Spardebatten.
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Theater haben einen Kultur- und Bildungsauftrag; sie unterhalten und inspirieren, bieten Raum für Debatten, erweitern den Horizont, öffnen Räume für Kreativität und prägen die Lebensqualität einer Stadt. Doch auch wirtschaftlich kann sich ein Theater für eine Stadt lohnen. Für Regensburg liegen dazu aktuelle Zahlen einer Studie vor, die von der LMU München erhoben wurde.
Die zentralen Ergebnisse: Über Umwege erhält die Stadt Regensburg für jeden Euro, den sie in das Theater investiert, etwa 1,60 Euro zurück. Wird die Förderung vom Land noch berücksichtigt, ist der Betrag mit einem Euro etwas kleiner. Insgesamt fließen pro Jahr 25 Millionen Euro durch Theaterbesucher in die lokale Wirtschaft.
Durch Theaterbesucher fließen im Jahr rund 25 Millionen Euro in die Stadt Regensburg. | Bildquelle: Marie Liebig
Laut Studie lassen Besucherinnen und Besucher aus Regensburg rund um einen Theaterbesuch zusätzlich zur Theaterkarte etwa 45 Euro in der Stadt – zum Beispiel, weil sie noch Essen gehen oder den Nahverkehr nutzen. Touristen und Besucher von außerhalb geben im Schnitt mit 177 Euro deutlich mehr aus. Die höhere Summe kommt vor allem dadurch zustande, weil sie häufiger auch in Regensburg übernachten.
Für die Studie wurden Besucherinnen und Besucher des Theaters vom 1. März bis 31. August 2024 online befragt. Von 6.500 Angeschriebenen antworteten 1.790. Das entspricht einer Quote von rund 27,5 Prozent. Dazu wurden Finanzdaten des Theaters berücksichtigt. Die Daten aus der Befragung wurden um Verzerrungseffekte korrigiert, hochgerechnet und Zuweisungen der öffentlichen Hand – der Stadt Regensburg und dem Land – gegenübergestellt.
Ein "Return on Invest" von 1,60 Euro bedeute nicht, dass die Stadt mit jedem Euro, den sie ins Theater steckt, 60 Cent Gewinn macht, führt der Münchner Wirtschaftswissenschaftler und Studienautor Manfred Schwaiger aus. "Nicht die Stadt allein, das wäre zu kurz gegriffen, denn bei der Umwegrentabilität sind auch fiskalische Effekte drin, also über Steuereinnahmen, die nur zum Teil der Stadt zukommen würden." Vielmehr erhalte die Gesamtwirtschaft einen Gegenwert in Höhe von 1,60 Euro. "Es wird sozusagen um 60 Prozent mehr Output erzeugt, als Input reingekommen ist."
Für das Theater Regensburg seien die Ergebnisse sehr gut, sagt die Berliner Professorin für Kultur und Management, Julia Glesner. Höhere Ergebnisse erzielten Studien zur Umwegrentabilität vor allem bei Großereignissen. Beispiele im Kulturbereich sind etwa das Beethovenfest in Bonn oder der Heidelberger Frühling. Studien zur Umwegrentabilität kamen dort auf höhere Faktoren von 4,15 Euro und 4,05 Euro. Auch für die Semperoper in Dresden kommt eine Studie auf einen Multiplikator von fast vier Euro. Mit Regensburg am ehesten vergleichbar ist eine Studie zum Gewandhaus Leipzig, die mit rund 1,15 Euro einen niedrigeren "Return on Invest" ausweist. Verallgemeinern lassen sich die Regensburger Ergebnisse nicht.
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Umwegrentabilitätsstudie zeigt: Mit dem Theater in Regensburg wird auch ein wirtschaftlicher Wert geschöpft. | Bildquelle: Pawel Sosnowski
Die Studie arbeitet mit Annahmen, Hochrechnungen und Wahrscheinlichkeiten. Ein Kritikpunkt an Umwegrentabilitätsstudien: Es lässt sich nicht nachweisen, dass die öffentlichen Zuschüsse nicht in einen anderen Bereich besser angelegt wären. Dennoch hält Wirtschaftswissenschaftler Schwaiger die Studie für ein sinnvolles Instrument, um Aspekte in den Fokus zu nehmen, die häufiger aus dem Blick gerieten. Denn wer nur auf die direkten Ausgaben schaue – in dem Fall etwa auf die 15,5 Millionen Euro, die die Stadt Regensburg dem Theater zuschießt, der könne leicht auf die Idee kommen, das Geld sei woanders besser aufgehoben. Die Analyse für Regensburg zeige, dass mit dem Theater auch unabhängig vom kulturellen und gesellschaftlichen ein wirtschaftlicher Wert geschöpft werde. "Es ist eben nicht ein Zuschussbetrieb. Der Zuschuss ist vordergründig, hintergründig wird eine Wertschöpfung erzielt", sagt Schwaiger.
Theater und Kulturinstitutionen stehen angesichts knapper Finanzmittel unter Druck. Das Thema Legitimation werde in der öffentlichen Debatte immer wichtiger, sagt der kaufmännische Direktor des Regensburger Theaters, Matthias Schloderer. Er freut sich über das Ergebnis der Studie, spricht von einem "Airbag für zukünftige kommende Ereignisse".
Schloderer will das Haus damit für Kürzungs- und Spardebatten wappnen, Argumente sammeln, auch für Menschen, die dem immanenten Wert von Kulturstätten vielleicht weniger Gewicht beimessen als wirtschaftlichen Faktoren: "Es ist immer schnell gesagt, dass das Theater ein Zuschussbetrieb ist oder dass es die Stadtkassen nicht voll macht, sondern eher leert. Da halte ich es für wichtig, dass man klar aufzeigt: Ja, das ist ein Invest in die Gesellschaft, wie auch ein Schwimmbad. Aber es ist an anderer Stelle durchaus auch in der Lage ist, wieder Gelder zurückzuspülen."
Rückendeckung gibt auch der Deutsche Bühnenverein. Claudia Schmitz aus dem Vorstand sieht die Regensburger Studie als wichtigen Beitrag zur Legitimation der Theater. "Es zeigt, dass diese Debatte einseitig und falsch geführt wird, weil sie ausschließlich die Kostenseite der kulturellen Institutionen in den Fokus nimmt", sagt sie. Jeder Euro für die Kultur sei ein gut investierter Euro, weil er einen Mehrwert generiere, ist sie überzeugt.
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Auch Kulturwissenschaftlerin Glesner hält das Regensburger Vorgehen für einen klugen Ansatz: "Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten finde ich es völlig sinnvoll und vernünftig, zu versuchen, so eine Argumentation für die eigene Organisation, für das eigene Theaterhaus auf die Beine stellen zu können. Weil man damit eben zeigen kann: Unser Haus, unser Theater ist auch ein Wirtschaftsakteur."
Zugleich ist ihr wichtig zu betonen, dass es bei Kultur um mehr geht – und dass Studien zur Umwegrentabilität nur einen Aspekt von Kunst und Kultur in den Blick nehmen. Glesner spricht sich dafür aus, alle Wertedimensionen in eine Diskussion einzubeziehen. Außerdem warnt die Professorin vor Verteilungskämpfen im Kulturbereich. Denn nicht für jede Kulturinstitution lasse sich ein wirtschaftlicher Wert messen.
Sendung: "Leporello" am 31. März 2025 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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