Nach ihrem Erfolg beim Cliburn-Wettbewerb in Texas hat sich das Leben der Pianistin Beatrice Rana grundlegend verändert. In München ist die Italienerin nun mit Tschaikowskys populärem b-Moll-Konzert zu erleben. Ein Konzert, das ihr, wie russische Musik im Allgemeinen, besonders am Herzen liegt.
Bildquelle: Marie Staggat
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BR-KLASSIK: Auf Ihren letzten Alben haben Sie Werke von Prokofjew, Tschaikowsky und Skrjabin eingespielt. Haben Sie ein spezielles Faible für extrem schwere Sachen - oder für russische Musik?
Beatrice Rana: Vielleicht für beides (lacht). Ich habe russische Musik schon immer sehr gemocht, weil das russische Klavierrepertoire besonders fröhlich und frisch ist. Ich bin immer fasziniert von der Intensität der Gefühle in der russischen Musik und auch von dieser Art großem Drama, das darin steckt. Dazu kommt, dass die russische Klaviermusik in gewisser Weise schwer und virtuos ist, weil sie sich zusammen mit den großen russischen Pianisten entwickelt hat und die größten Pianisten wie Prokofjew oder Rachmaninow eine überragende Technik hatten - und das dann auch in ihre Stücke hineinkomponierten. Seit ich ein Kind bin, bin ich fasziniert von der russischen Musik.
BR-KLASSIK: Wie kann man sich als Pianistin heute Prokofjew oder Rachmaninow annähern, von denen Sie sagen, dass sie zu den größten Pianisten ihrer Zeit zählten?
Beatrice Rana: Es ist sehr eigenartig, jeder Pianist hat seine eigenen Hände und seine eigene Technik - und manche Komponisten sind leichter zu spielen als andere. Zum Beispiel Chopin und Schumann, einige Pianisten sind sehr mit Chopins Technik verbunden, andere mit Schumanns, das ist sehr individuell. Wenn man sie studiert, dann hilft es einem, die Persönlichkeiten zu erkennen, um mit ihrer Musik zurecht zu kommen: Rachmaninow hatte sehr große Hände, für normale Leute ist es unmöglich, manche Stellen zu spielen. Aber ich muss auch sagen: Inzwischen ist das allgemeine technische Level der Pianisten sehr hoch, so dass wir damit umgehen können. Und letztendlich sind die technischen Schwierigkeiten ja nicht das Hauptziel dieser Musik, sie sind nur ein Mittel, um etwas anderes auszudrücken. Also selbst die schwierigste technische Passage kann ein Mittel sein, um etwas auszudrücken, das über der Musik steht.
Nach dem Erfolg beim Cliburn-Wettbewerb war alles irgendwie verrückt, mein Leben hat sich komplett verändert.
BR-KLASSIK: 2013 haben Sie in Texas beim Cliburn, einem der weltweit renommiertesten Klavierwettbewerbe, den zweiten Preis sowie den Publikumspreis gewonnen. Wie wichtig war der Wettbewerb für Sie als Künstlerin und wie wichtig waren die Preise für Ihre Karriere?
Beatrice Rana: Sehr wichtig natürlich, lebensverändernd, das ist ja sowas wie die Olympischen Spiele für Pianisten. Es war eine sehr intensive Zeit, als ich mich auf den Wettbewerb vorbereitet habe. Nach dem Wettbewerb war alles irgendwie verrückt: Ich hatte so viele Konzerte und es gab ein so großes Interesse an meiner Person. Das war einerseits eine schöne Erfahrung, aber auch eine sehr schwierige Situation, denn man ist ja noch ziemlich jung und muss noch ziemlich viel Repertoire lernen - es sind einfach noch alle möglichen Fragen zu klären. Es ist ziemlich schwierig, dann noch die Balance zu halten zwischen dem Konzertleben und dem Leben abseits der Bühne, wo man sich auch noch auf andere wichtige Konzerte vorbereitet. Ich bin sehr dankbar, dass ich den Cliburn-Wettbewerb gewonnen habe, denn es hat mir geholfen, das zu machen, was ich will. Aber ich muss zugeben, dass das gleichzeitig auch ein sehr intensiver und schwieriger Moment in meinem Leben war.
Tschaikowskys erstes Konzert ist durchaus revolutionär.
BR-KLASSIK: In München treten Sie mit Tschaikowskys erstem Klavierkonzert auf. Ein Stück, das jeder kennt und liebt, selbst viele, die sonst mit Klassik nichts am Hut haben. Warum ist es trotzdem spannend, sich mit solch einem vielgespielten und populären Werk zu präsentieren?
Beatrice Rana: Es ist immer schwer, ein Konzert wie das von Tschaikowsky zu präsentieren, denn alle haben es im Ohr, nicht nur die Zuhörer, auch die Orchestermusiker und Dirigenten. Es ist schon so oft gespielt worden, und das kann manchmal gefährlich sein. Denn die Leute könnten keine Lust mehr darauf haben. Und dann gibt’s auch noch so viele Traditionen, das Werk zu interpretieren. Es ist also ziemlich schwer, zur Ursprünglichkeit der Musik zu finden, ihre Schönheit offenzulegen. Gleichzeitig finde ich es lohnend, dieses Konzert zu spielen, denn es ist berühmt für seine Melodien, die sind einfach wundervoll, die schönsten russischen Melodien, Tschaikowsky war ein großer Melodiker. Aber abseits davon ist es auch ein revolutionäres Konzert, denn zum ersten Mal haben wir ein Solo-Klavier, das manchmal gegen das Orchester spielt. Dann ist da das große Drama im ersten Satz, der zweite erinnert an Ballett-Musik und der dritte Satz geht jedem zu Herzen, denn die Musik kommt aus der ukrainischen Volksmusik. Es ist immer wieder eine Herausforderung, jedem Aspekt dieser Musik die nötige Würde zu geben. Deswegen bin ich sehr glücklich, dass ich es in München spielen kann.
Sendung: Leporello am 14. November 2017, 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK.