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Diana Damrau über Strauss' "Vier letzte Lieder" "Ein Ozean, auf dem man als Sängerin schwebt"

Am 24. und 25. Januar singt Diana Damrau die "Vier letzten Lieder" von Richard Strauss mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Mariss Jansons. Warum die Sopranistin den Komponisten besonders für seine Behandlung der Singstimme schätzt, erzählt sie im Gespräch mit BR-KLASSIK.

Bildquelle: BR Peter Meisel

BR–KLASSIK: Sänger sollen Gefühle auslösen im Publikum, ihre eigenen Gefühle aber während des Singens möglichst zurückhalten oder unterdrücken. Ist das nicht sehr schwierig? In den "Vier letzten Liedern" von Richard Strauss geht es ja um Gedichte von Hermann Hesse und Joseph von Eichendorff, die Vergänglichkeit und Tod reflektieren. Ohne emotionale Betroffenheit kann man das doch gar nicht präsentieren, oder?

Diana Damrau: Das stimmt. Wenn man allein den Titel hört: "Vier letzte Lieder" – das klingt doch schon sehr gefühlsträchtig und schwer. Es geht um große Dinge: um Abschied, um das Sterben. Es geht um die Frage: Was kommt denn dann oder wie kommt das Ende? Und natürlich beschäftigt man sich – rein abgesehen vom Singen – auch ein bisschen mit diesen Inhalten.

Die Sängerin als Medium

Strauss hat durch die Orchestrierung und durch die Art der Komposition erreicht, dass die Stimme teilweise auch mit dem Orchester ein einziges Instrument bildet. Die Stimme spricht den Text, singt den Text, singt die Melodie, aber es ist nie eine Arie. Es ist eigentlich wie bei einem Medium: Man denkt, man singt den Text, aber man spürt den Inhalt durch das Orchester – zum Beispiel im zweiten Lied, "September". Es ist kalt, man spürt die Kälte, man spürt den Regen, und der "Sommer im Herbst" schließt am Schluss die Augen. In diesen Stücken tun sich unglaubliche Dimensionen auf. Musikalisch und stimmlich wird einem alles abverlangt.

Strauss hat der Stimme Schwung gegeben.
Diana Damrau

Bildquelle: © Jürgen Frank

Das Interview zum Anhören

BR–KLASSIK: Nun lässt es sich Strauss aber nicht nehmen, auch mit Melismen zu arbeiten. Das heißt, bei diesen Höhenflügen, in denen sich riesige Spannungsbögen wölben, einfach mal auf den Text zu verzichten und einzelne Vokale auszukosten. Sind das die eigentlichen Höhepunkte?

Diana Damrau: Nein, finde ich nicht. Natürlich war Strauss ein Kenner der Stimme, vor allem der hohen Stimme, durch seine Frau, die Sopranistin Pauline de Ahna. Er hat der Stimme Schwung gegeben und ihr natürlich nicht oben in der Stratosphäre mit Konsonanten und Artikulation Hindernisse in den Weg gelegt. Die Stimme ist auch ein Instrument, und sie muss auch mal wirklich ungestört klingen.

Dimensionen der Wortgestaltung

Die Sopranistin Diana Damrau | Bildquelle: Jiyang Chen Diana Damrau | Bildquelle: Jiyang Chen Aber schauen Sie das letzte Lied an, "Im Abendrot". Der Schluss zieht sich fast über eine ganze Notenseite hinweg: "Ist dies etwa der Tod?", heißt es im Text. Man kann das auf hundert verschiedene Weise sagen – da spielt jeder Konsonant, die Länge des Konsonanten und auch die Spannung, die man zwischen den Worten hält, eine große Rolle. Und dazu dieser unendliche Klang im Orchester; durch die Bläser entsteht geradezu ein Ozean, auf dem man da als Sängerin schwebt. Es ist eine große Ruhe, Hoffnung und auch Liebe in diesem Lied. Und wie ich ein Wort beginne, kann Dimensionen öffnen. Mehr noch als eine große strahlende fliegende Phrase und hohe Töne.

Wie Strauss mit Hofmannsthal im 'Rosenkavalier' ins Herz der Frauen blickt, das ist eine Wonne.
Diana Damrau

BR-KLASSIK: Wenn Sie vom italienischen Belcanto-Repertoire zu Strauss zurückkehren, stellt sich dann ein gewisser Effekt der Geborgenheit, des Zurückkehrens in die Heimat ein? Strauss war ja, ähnlich wie Sie, auch ein "süddeutsches Gewächs".

Diana Damrau: Natürlich, das ist ja meine Muttersprache. Und Strauss ist für mich einer der großartigsten Komponisten. In seinen Opern geht es oft um die Kunst, um das Wort und die Sprache – und natürlich um die Frauen. Und seine Musik zusammen mit Literatur wie Hofmannsthal oder Hesse: Das ist ganz groß. Wie er zum Beispiel mit Hofmannsthal im "Rosenkavalier" ins Herz der Frauen blickt, das ist eine Wonne – ebenso seine Behandlung der Sopranstimme. Und das mit meiner Stimme singen zu können, bedeutet für mich tatsächlich eine Art "Heimkommen".

Liebe auf den ersten Blick

BR-KLASSIK: Erinnern Sie sich noch, wann Sie Strauss für sich persönlich entdeckt haben?

Diana Damrau: Das begann schon während des Studiums. Als hoher Sopran habe ich mir natürlich sofort das Lied "Amor" [op. 68] angeschaut. Und damals war das "Wiegenlied" [op. 41/1] für mich noch ganz weit weg. Aber natürlich, die witzigen Lieder wie das "Ständchen" [op. 17/2] habe ich gerne gesungen, und ich habe auch sehr viel davon gelernt. Die Liebe zu Strauss war sofort da. Nicht nur die Musik ist wunderschön, sondern auch die Verbindung von Wort und Ton – und die Psychologie.

BR-KLASSIK: Sollten Sie irgendwann einmal Komponisten aus ihrem Repertoire aussortieren, wird Strauss also nicht dabei sein?

Diana Damrau: Bestimmt nicht! (lacht)

Infos zu den Konzerten

Donnerstag, 24. Januar 2019
Freitag, 25. Januar 2019
- Übertragung live im Radio und im Video-Livestream ab 20:05 Uhr
München, Herkulessaal der Residenz

Richard Strauss:
Vier letzte Lieder
Anton Bruckner:
Messe Nr. 3 f-Moll

Diana Damrau (Sopran)
Chor des Bayerischen Rundfunks
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Mariss Jansons

Sendung: Allegro am 23. Januar 2019 ab 06:05 auf BR-KLASSIK

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