Anthea Kreston heißt das neue Mitglied im Artemis Quartett. BR-KLASSIK hat mit dem Cellisten des Ensembles, Eckard Runge, über die amerikanische Geigerin und ein emotional aufgeladenes Vorspiel in Berlin gesprochen.
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BR-KLASSIK: Wie sind Sie auf Anthea Kreston gekommen?
Eckart Runge: Ich kenne sie seit 20 Jahren. Damals nahmen wir mit unseren jeweiligen Quartetten an einem Meisterkurs beim Julliard Quartett in New York teil. Sie spielte damals im amerikanischen Avalon Quartett Bratsche. Wir haben uns gut verstanden und angefreundet, aber dann, wie es so ist, verliert man sich aus den Augen. Wir hatten dann nur sehr sporadisch Kontakt, vielleicht alle paar Jahre. Sie schrieb mich dann an, ob ich mich noch erinnern würde. Dann nahm sie Kontakt auf, weil sie gelesen hatte, dass wir jemanden suchen.
BR-KLASSIK: Wie läuft so eine Bewerbung ab?
Eckart Runge: Sie bewarb sich ganz offiziell. Diese Idee, jemanden aus den USA verpflichten, erschien uns aber nicht so nahe liegend, zumal sie noch nicht mal in New York wohnte, sondern im Westen, in Oregon. So jemanden für ein Probespiel kommen zu lassen, ist relativ aufwändig. Aber sie scheute da überhaupt keine Mühen. Sie hatte sich die ganze Sache, bevor sie mich kontaktiert hat, sehr genau überlegt. Sie ist eine unheimlich reflektierte Person. Viele, die sich beworben haben, haben auch Luftballons gestartet, also: Erstmal gucken, erstmal bewerben und dann nachdenken, was für enorme Konsequenzen das hat, in ein Quartett einzusteigen. Das bedeutet ja auch wahnsinnig viel für ein Privatleben mit Familie. Anthea ist aber nicht so eine Person. Die hat sich das ganz genau überlegt und hatte schon die Bereitschaft parat, ihr ganzes amerikanisches Leben aufzugeben, bevor sie überhaupt ein Wort geschrieben hatte. Das war unglaublich beeindruckend.
BR-KLASSIK: Dieses Vorspiel ist sicher sehr emotional aufgeladen gewesen. Wie ging es Ihnen denn dabei?
Eckart Runge: Es ist ein so riesengroßer Pool von Emotionen, dass man das jetzt gar nicht auseinander dividieren kann. Auf der einen Seite gab es natürlich diese ganz lange Phase der Trauer und auch der Lähmung. Da konnten wir uns überhaupt nicht vorstellen, überhaupt Quartett zu spielen. Deswegen haben wir die memoriam-Konzerte nicht mit einem Ersatz-Bratscher gemacht, sondern mit einem Klavierquartett, weil es für uns emotional nicht zu ertragen gewesen wäre jetzt, so von heute auf morgen, mit jemand anderem Streichquartett zu spielen. Wir hatten allerdings zum Zeitpunkt der Probespiele drei Monate intensive Beschäftigung mit der Trauer hinter uns. Da fühlte es sich fast wieder wie eine Erleichterung an, doch auch mal wieder Streichquartett zu spielen. Es war dann zum Schluss mit Anthea pure Euphorie. Vom ersten Moment an hat es unheimlich gepasst, und es war so schnell klar, dass sie einfach zu uns gehört. Dann fühlt es sich einfach toll an, doch wieder Streichquartett zu spielen. Man fühlt sich zu Hause und merkt, wie sehr man das vermisst hat über diese ganzen Monate der Trauer.
BR-KLASSIK: War dann auch das Vorspiel für die Bratsche oder waren sie sich schnell einig, dass sie auf die Zweite Geige wechselt?
Eckart Runge: Ob Gregor (Sigl, bisher Geiger beim Artemis Quartett, Anm. d. Red.) jetzt bratscht oder geigt, stand auch von ihm relativ lange im Raum. Wir hatten uns zunächst überlegt, dass wir es davon abhängig machen, wer als Instrumentalist und als Musikerpersönlichkeit am besten zu uns passt. Dann begann sich durch diese Klavierquartettkonzerte, in denen er ja schon gebratscht hatte, auch seine Liebe für die Bratsche herauszukristallisieren. Er hat sogar auf dem Instrument von Friedemann (Weigle, gestorben im Juli 2015, Anm. d. Red.) gespielt, was wunderschön war, denn damit war Friedemann ein Stück weit in seinem Klang bei uns. Da Anthea auch auf beiden Instrumenten zu Hause ist, haben wir sie gefragt, ob sie sich auch vorstellen könnte, bei uns die Zweite Geige zu übernehmen. Sie hat keine Sekunde gezögert und gesagt: Egal was, ich spiele gerne mit Euch. So kam es, dass sie auf der Geige diese Audition gemacht hat. Sie hatte die letzten 15 Jahre nicht mehr Quartett gespielt, sondern in einem Klaviertrio. Im Prinzip ist sie ursprünglich Geigerin, deswegen hat es umso besser gepasst.
26. Januar 2016, 20.00 Uhr - München, Herkulessaal der Residenz
Trio-Stücke und Klavierquartette von Schumann und Brahms mit dem Pianisten Alexander Lonquich in memoriam Friedemann Weigle
1. Juni 2016, 20.00 Uhr - Gauting, Bosco Kulturhaus