Es ist ein Ringen um Pietari Inkinens "Ring" bei den Bayreuther Festspielen: Erstmals wird der Dirgent nun Wagners vierteiligen "Ring" komplett dirigieren. Geplant ist das bereits seit Jahren, dann aber kam Corona dazwischen: 2021 dirigierte Inkinen nur "Die Walküre" in einer pandemiebedingt abgespeckten Ausgabe. Im letzten Jahr musste er wegen einer Corona-Infektion absagen. Nun ist es endlich soweit.
Bildquelle: © Jan David Günther
BR-KLASSIK: Herr Inkinen, eine Achterbahn der Gefühle verbinden Sie wahrscheinlich mit dem Grünen Hügel, ein wilder Mix. Mit welchen Erwartungen sind Sie in diesem Jahr nach Bayreuth gereist?
Pietari Inkinen: Ja, jetzt endlich geht's los, und wir – das gesamte Team – sind alle froh, wieder zusammen zu sein. Eigentlich sollten wir schon 2020 spielen, somit dauert die Erwartung auf diesen Moment schon eine ganze Zeit! Und jetzt sind wir endlich so weit und hoffen, dass das ganze Team gesund bleibt. Und wir können uns richtig drauf freuen, hier zusammen zu musizieren.
BR-KLASSIK überträgt alle vier Teile von Wagners "Ring des Nibelungen" bei den diesjährigen Bayreuther Festspielen. Los geht's mit dem "Rheingold" am 26. Juli 2023 ab 17:57 Uhr. Alle weiteren Termine sowie viele weitere Inforamtionen rund um die Bayreuther Festspiele finden Sie in unserem ausführlichen Dossier.
BR-KLASSIK: Als Sie in diesem Sommer die Produktion wieder aufgegriffen und geprobt haben, gab es da – gerade auch bei der "Walküre" – irgendwelche Überraschungen? Hat sich das irgendwie weiterentwickelt und gesetzt über diesen doch etwas längeren Zeitraum?
Pietari Inkinen: Das System war natürlich was Neues, was auf der Bühne passiert. Und natürlich haben wir schon auch paar andere Sänger dabei und hier und da wird ein bisschen angepasst. Man versucht immer, so viel Ausdruck und Spannung wie möglich einzubauen. Und wenn das besonders szenisch auch so wirkt, dann hat man spannende Ergebnisse.
BR-KLASSIK: Die "Ring"-Proben im letzten Jahr haben Sie ja wenige Tage vor der Eröffnung geleitet und das Wachsen dieses neuen "Rings" gestaltet. Gemeinsam mit dem Regisseur Valentin Schwarz, dessen Arbeit dann ziemlich in die Kritik geraten ist. Inwiefern hat Sie das denn berührt, dass die Inszenierung einem Proteststurm im Publikum ausgesetzt war? Aber auch, dass der Dirigent Cornelius Meister für seine Leistung im Graben nicht nur begeisterten Applaus bekam.
Pietari Inkinen: Das ist hier nicht zum ersten Mal passiert, besonders, wenn man eine ganz traditionelle Inszenierung erwartet. Das ist dieser "Ring" natürlich nicht. Man kann und muss auch etwas Neues suchen und schaffen. Hoffen wir, dass dieses Mal manche Details noch klarer beim Publikum ankommen. Und wenn jemand das zum zweiten Mal sieht, dann kann er das sogar noch mehr genießen.
BR-KLASSIK: Und was die Details betrifft, hat ja Valentin Schwarz, der Regisseur, angekündigt, an seinem Regiekonzept für dieses Jahr kleine Veränderungen vorzunehmen. Er nennt sie "Verständnishilfen". Hat dieses Nachjustieren auch Auswirkungen auf Ihre Interpretation, auf Ihre Arbeit mit dem Orchester, mit den Sängerinnen und den Sängern?
Pietari Inkinen: Klar gibt es Punkte, wo sehr viel passiert und das Timing ganz genau stimmen muss. Das weiß ich natürlich. Und wir hoffen, dass jetzt alles so deutlich passiert, damit die Zuschauer dem Ganzen so gut wie möglich folgen können.
BR-KLASSIK: Das heißt, die Arbeit mit Valentin Schwarz hat Sie in den letzten Wochen auch wieder sehr zusammengebracht?
Pietari Inkinen: Ja, wir hatten immer sehr guten Kontakt zu Valentin. Und wenn irgendwas nicht funktioniert oder überhaupt nicht passt, dann war Valentin immer ganz sensibel und flexibel. Zwischen uns funktioniert es ganz gut.
BR-KLASSIK: Ihre "Walküre", ihr Debüt auf dem Grünen Hügel 2021, war ja auch nicht uneingeschränkt bejubelt. Hat das für Sie irgendwelche Konsequenzen? Bedeutet das, dass Sie zum Beispiel auch gerade in der "Walküre" Ihr musikalisches Konzept noch einmal überdacht und überarbeitet haben?
Pietari Inkinen: Das tue ich mit jedem Stück, das ich nochmal dirigiere – von jedem Komponisten. Wenn ich ein Stück wieder öffne, schaue ich immer mit anderen und neuen Erfahrungen darauf und überlege immer wieder neu. Und das passiert natürlich auch mit der "Walküre" und den anderen Stücken.
BR-KLASSIK: Und was haben Sie sich für dieses Jahr vorgenommen?
Pietari Inkinen: Das kann ich jetzt nicht so generell sagen. Aber ich glaube, hier ist es sehr wichtig, dass immer eine klangliche Spannung da ist. Das hängt auch mit der Gesamtwirkung zusammen und damit, was auf der Bühne passiert. Klar, wenn es auf der Bühne sehr viel Action gibt und das Orchester auch noch gehetzt ist, dann kann das sogar zu viel sein. Aber ich versuche immer, Spannung und große Bögen zu halten.
BR-KLASSIK: Im Vorfeld der Bayreuther Festspiele hat sich ja das Besetzungskarussell ordentlich gedreht. Es ist nicht nur eine "Werkstatt Bayreuth", es ist sogar eine "Baustelle Bayreuth", so kann man fast von außen sagen. Eine der wenigen Ausnahmen: Die Besetzung in der "Walküre" hat sich nicht verändert. Catherine Foster ist dabei als Brünnhilde. Seit zehn Jahren übernimmt sie diese Partie. Als Wotan erleben wir Tomasz Konieczny, auch ihm ist diese Rolle vertraut. Neu ist Elisabeth Teige in der Rolle der Sieglinde – und den Siegmund wird wie 2021 Klaus Florian Vogt singen. Sie hatten also das Glück, Herr Inkinen, in dieser Walküre kontinuierlich proben zu können. Mit einem kontinuierlich besetzten Sänger- und Sängerinnenstab. Was konnten Sie denn in der Zeit gemeinsam erarbeiten? Worauf haben Sie sich gemeinsam fokussiert?
Pietari Inkinen: Ja, ich habe mit vielen von denen gearbeitet. Aber vor allem mit Klaus Florian Vogt funktioniert das alles immer unglaublich gut. Ich finde, unsere gemeinsame Arbeit und unser Stil passen bestens zusammen – wie bei vielen anderen auch. Dieses Mal singt Georg Zeppenfeld den Hunding. Das ist auch exemplarisch, wie Zeppenfeld das macht. Und ebenso mit Catherine und Tomasz funktioniert die Zusammenarbeit ganz gut. Wir sind eigentlich ganz zufrieden mit unserem Team.
BR-KLASSIK: Wenn Sie sagen, es funktioniert gut, reicht das schon für Bayreuth? Wäre es nicht toll, wenn Sie sagen könnten: Es sprühen die Funken?!
Pietari Inkinen: Ja natürlich. Sie haben Recht. Die Grundlage muss so sein, dass alles passt. Aber das Ziel ist natürlich, uns auf ein solches Niveau zu steigern, das es spürbar funkelt und feuert. So sollte es natürlich sein!
BR-KLASSIK: Die Bayreuther Festspiele werden ja immer sehr kritisch betrachtet. Und jetzt sind ja offenbar für den "Ring" noch sehr viele Karten zu haben. Alles, was man tut, wird in Bayreuth irgendwie kommentiert. Hat das irgendeinen Einfluss auf Sie in ihrer Arbeit als Dirigent? Sie sind ja von Berufs wegen auf gutes Zuhören, auf feinstimmiges miteinander Umgehend trainiert. Macht das, was mit Ihnen?
Pietari Inkinen: Das ganze Team sollte eine gute symbiotische Ruhe haben, um dann beste Leistung zu bringen. Klar wird gesprochen, gestritten und so weiter – und sogar Faustkämpfe im Saal gab es schon mal … irgendwie gehört das hier dazu. Aber ich versuche wirklich, mich auf meine Arbeit und auf unsere Leistung zu konzentrieren.
BR-KLASSIK: Und jede Sekunde sind Sie im Graben hellwach. Als Dirigent sind Sie gefordert, man muss gute dreieinhalb Stunden koordinieren, zusammenhalten, vorantreiben. Welche Passagen sind für Sie in der Walküre die entscheidenden Stellen? Abgesehen vom sehr bekannten Walkürenritt oder der innigen Begegnung von Sieglinde und Siegmund?
Pietari Inkinen: Wotans Monolog im zweiten Akt ist natürlich unheimlich wichtig, und das liefert Tomasz Konieczny fantastisch. Und dann natürlich der Abschied am Schluss. Zu diesem Höhepunkt hin bauen wir alles auf – das sind dann unglaubliche Momente.