Er ist der neue Startenor: Jonathan Tetelman. An den großen Bühnen in Europa hat er bereits gesungen. Jetzt gab er sein Debüt an der Metropolitan Opera in New York. Was Tetelman neben seiner Stimme auszeichnet, ist die Art, wie und wo er neues Publikum generiert: in Karaoke-Bars und bei Flashmobs.
Bildquelle: Ben Wolf
"Das war ein Thrill. All diese Arbeit, dieser Einsatz auf diesen Moment hin, das hat mir so viel bedeutet, da auf dieser Bühne zu stehen", schwärmt der Tenor Jonathan Tetelman. Diese berühmteste Bühne ist zuhause in New York. Dort hat Jonathan Tetelman sein Debüt an der Metropolitan Opera gegeben. Nach vielen Jahren in Europa, von Salzburg über Dortmund bis Berlin, erobert der hippe Tenor die Herzen seiner Heimatstadt als Ruggero in Puccinis "La Rondine".
Nach tosenden Bravo-Tiraden für den Heimkehrer und seine Opern-Partnerin Angel Blue sind die Met-Gäste später noch an der Bar gegenüber ganz aus dem Häuschen darüber, wie ein 36-Jähriger einen Mitt-20er spielt, der sich so überzeugend in eine viel ältere Frau verliebt. "Ach, viele junge Männer tun das", sagt Tetelman später im Interview. "Das ist nicht schwer zu spielen." Der nette Macho-Sound liegt auch in der kraftvollen Stimme des gebürtigen Chilenen, der von Eltern in New Jersey adoptiert wurde und dann einen ungewöhnlichen Weg einschlug. Er jobbte als Techno-DJ, besuchte eine Chorschule und entschied sich erst mit 25 Jahren für die Oper. An der Manhattan School of Music wird er erst irrtümlich auf den Bariton-Pfad gebracht und landet endlich als Tenor.
Die Emotion der Oper hält mich gefangen.
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Jonathan Tetelman, Prague Philharmonia, Carlo Rizzi - Puccini: Lescaut, SC 64: Donna non vidi mai
Tetelman braucht nicht lange, um als der neue Plácido Domingo gefeiert zu werden. Bekannt wird er allerdings zunächst in Europa. Jetzt in New York anzukommen, das sei für ihn schon ein richtiger Kulturschock: "Die Menschen sind schon sehr verschieden. Ich erinnere mich gar nicht mehr, wie das ist, ein Amerikaner zu sein. Das musste ich wieder lernen. Hier gibt's viel mehr Smalltalk, Austausch von Nettigkeiten. Das ist nicht zu sehr: komm zur Sache, sag, was du willst, ja, nein, okay, tschüss." New York habe den Vipe. Doch er gesteht auch: "Ich vermisse Deutschland, ich vermisse Berlin." Dort lebt er normalerweise mit Frau und Tochter, liebt den Kiez und auch mal die Karaoke-Bar. Doch die Emotion der Oper, die halte ihn einfach gefangen. Für den Puccini-Liebhaber, der auch an der Deutschen Oper auftritt, sei Berlin für klassische Musik gerade der beste Platz der Welt. Immer wieder mischt sich der sympathische Tenor mit Lederjacke dort unter die Leute – etwa mit Flashmobs in Cafés.
Es ist der beste Weg, mein Publikum zu generieren.
Jonathan Tetelman singt auch in Karaoke-Bars, um ein neues Publikum für Oper zu begeistern. | Bildquelle: Ben Wolf Kritiker bejubeln das Gesamtkunstwerk. Tetelman sei einer, der seine Muskeln zeigt, ohne dass er sie flexen muss. Ein Star, so down-to-earth, so bodenständig wie wenige und erreichbar – ob in der Bar nebenan oder über Social Media. "Meine Altersgenossen sind generell nicht allzusehr an dieser Art von Musik interessiert", erzählt Tetelman. "Mit ihnen auf dieser Art zusammenzukommen, das ist für mich der beste Weg, mein Publikum zu generieren und meine Karriere und meinen Erfolg mit ihnen zu teilen."
Er sei nicht der erste Opernstar, der kein Divo sein will, erklärt Jonathan Tetelman. Sein großes Vorbild Enrico Caruso habe auch jeden Brief seiner Fans ernsthaft beantwortet, habe Teil ihres Lebens sein wollen, so wie sie Teil des seinen waren – in einer anderen Zeit mit anderen Kommunikationsmitteln eben. "Er war der Tenor des Volkes, und der fehlt uns heute. Du kannst das nicht kaufen", sagt Tetelman. Und es würde auch niemand Jonathan Tetelman abkaufen, wenn er gerade das nicht wirklich ausstrahlen würde. Auch in seiner Heimat, wo viele nicht vergessen, dass er während der tragischen Corona-Zeit 2020 Trost mit einem komischen Tosca-Auftritt auf der Freiluftbühne eines Autokinos hingelegt hat mit einem Hupkonzert als Applaus.
Im Dezember gibt Jonathan Tetelman sein Debüt an der Bayerischen Staatsoper in München. | Bildquelle: Ben Wolf Jonathan Tetelmans Auftritt in "La Rondine" an der Metropolitan Opera wird am 20. April auch in deutschen Kinos gestreamt. Der Startenor bleibt dieses Jahr für zahlreiche Auftritte in den USA. Doch auch viele Konzerte und Aufnahmen werden ihn über den Sommer nach Europa bringen – etwa zum Musikfest in Bremen oder an die Bayerische Staatsoper in München, wo er am 14. Dezember die Rolle des Macduff in Verdis Oper "Macbeth" übernimmt. Jetzt genießt Tetelman aber erst einmal den Sternenhimmel an der Met. Und typischer New York-Alltag ist auch dabei: Behörden-Gänge mit seiner rumänischen Verlobten. Und vielleicht nutzt er die Wartezeit auf dem Amt auch einmal für einen Flashmob.
Sendung: "Allegro" am 2. April 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (4)
Donnerstag, 04.April, 12:27 Uhr
Dietrich Loos
Tetelman
Tetelman war schon im letzten Dezember an der BSO, als Einspringer in der Boheme.
Dass er sein“ offizielles“ Debut erst Ein Jahr später gibt, und nicht einmal bei eine Neurpoduktion, sondern in einer Repertoire - Aufführung, nicht einmal einer Oper von Puccini, ist eine krachende Blamage für die gegenwärtige Intendanz. Berlin hat ihn schon vor drei Jahren entdeckt und sofort unter Vertrag genommen. unser Casting - Direktor hat geschlafen, leider …
Donnerstag, 04.April, 12:07 Uhr
Helmut Wiedemann
Debüt an der Bayer. Staatsoper war bereits
Debüt am 03.12.2023 als Rodolfo ebenso mit Nicole Car,
nur zu Ihrer Info
Helmut Wiedemann
Mittwoch, 03.April, 19:45 Uhr
Ebba Anders
Jonathan Tetelmann
Was bitte ist ein "Latino-Bo"?? Ich dachte, BRKlassik ist ein Kultursender!
MfG
Mittwoch, 03.April, 11:36 Uhr
Dorothea Lenhart
Beitrag zu J0nathan Tetelmann
Ich stelle mir vor, was passiert wäre, hätte Jonas Kaufmann Karaoke oder Flashmobs gemacht.
Wie wäre der zerissen worden, speziell von den Münchern Kritikern, nicht nur von BR Klassik sondern auch von den Herren Thiel und Braunmüller.
Übrigens habe ich Jonathan Tetelmann in der Semperoper gesehen, und er er war wirklich ganz toll.
Freundliche Grüße Dorothea Lenhart