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Blackfacing am Gärtnerplatztheater Offener Brief verteidigt Inszenierung von "Jonny spielt auf"

Blackfacing im Jahr 2022? Geht gar nicht, finden viele. Die Inszenierung von "Jonny spielt auf" am Gärtnerplatztheater geriet massiv in Kritik, auch wenn das Blackfacing dabei in seiner rassistischen Kulturpraxis als solche reflektiert wird. Doch nun haben sich prominente Musikwissenschaftler*innen dazu geäußert – mit einer völlig anderen Sichtweise.

Szenenbild aus "Jonny spielt auf" im Gärtnerplatztheater in München | Bildquelle: Christian POGO Zach

Bildquelle: Christian POGO Zach

Dass die Reaktionen auf Peter Lunds Inszenierung von Ernst Kreneks "Jonny spielt auf" am Gärtnerplatztheater gemischt ausfallen würden, war eigentlich schon vor der Premiere klar. Im Jahr 2022 Blackfacing auf die Bühne zu bringen, ist kontrovers; auch wenn das Blackfacing dabei in seiner rassistischen Kulturpraxis als solche reflektiert wird, in dem die heutige Aufführung die historische Situation nachspielt, in der das Stück von Nazis wegen seines afroamerikanischen Inhalts boykottiert und die Aufführungen gestört wurde. Trotzdem wurde die Inszenierung massiv auf Twitter kritisiert. Ein offener Brief mit mehr als 500 Unterzeichner*innen gegen die Inszenierung folgte.

In Folge massiver Kritik änderte das Gärtnerplatztheater die Inszenierung ab

Das Gärtnerplatztheater reagierte und strich das Blackfacing. "Dennoch hat unsere Darstellung des Blackfacing, die bei der Entstehung der Produktion auch mit People of Colour entwickelt wurde, offensichtlich Menschen verletzt. Das tut uns leid und war nicht unsere Absicht", heißt es in einer Stellungnahme.

Musikwissenschaftler*innen und Publizist*innen verteidigen das Blackfacing

Nun gab es eine erneute Äußerung dazu. In einem von sechs Menschen aus dem musikwissenschaftlichen und publizistischen Bereich unterzeichneten Brief an Gärtnerplatzintendant Josef E. Köpplinger wird allerdings Stellung für die ursprüngliche Inszenierung Peter Lunds bezogen – samt dem Blackfacing. In dem Brief, der BR-KLASSIK vorliegt, sprechen sich etwa die Wiener Musikjournalistisch Marion Diederichs-Lafite oder die Musikwissenschaftler*innen Manfred Permoser und Claudia Zenck für die ursprüngliche Inszenierung aus: "Eines von vielen Elementen war dabei das damals notwendige Schwarz-Schminken der Titelfigur". Es sei "eine der Kern-Aussagen dieses Künstlerdramas, dass der modernen, amerikanischen Unterhaltungsmusik (…) die Zukunft als ,Erbin des alten Europa'" gehöre – für die Verfasser*innen des Briefs zeigt sich hier "das Gegenteil von Rassismus im Sinne einer Herabwürdigung von Schwarzen bzw. deren Kunstäußerungen".

Wenn nun dennoch das Stück einmal mehr auf Druck von außen abgesetzt werden soll, wiederholt sich – trotz anderer Ausgangslage – das Phänomen von vor einem Jahrhundert.
Marion Diederichs-Lafite, Antje Müller, Manfred Permoser, Reinhard Schmiedel, Peter Tregear und Claudia Zenck in ihrem offenen Brief.

Gärtnerplatztheater - Jonny spielt wieder auf | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk 2022 Blackfacing in einer Szene von "Jonny spielt auf" am Gärtnerplatztheater. | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk 2022 Die Verfasser*innen sehen außerdem in der Änderung der Inszenierung sowie der Absetzung des Stücks in der kommenden Spielzeit, eine Parallele zu einer anderen kulturhistorischen Praxis: "Wenn nun dennoch das Stück einmal mehr auf Druck von außen abgesetzt werden soll, wiederholt sich – trotz anderer Ausgangslage – das Phänomen von vor einem Jahrhundert: Personen maßen sich an, aufgrund von Reiz-Codes, das Produktionsteam bzw. -Haus zu boykottieren." Vor einem Jahrhundert sei dieser Reiz "Kulturbolschewismus" und "unerhörte Schandzustände" in Wien gewesen, jetzt seien es Parallelen zu "brachialer rassistischer Gewalt".

Ein Pauschalurteil funktioniert nicht

Außerdem kritisieren die Verfasser*innen, dass das Urteil "Blackfacing geht heute nicht und punkt" zu pauschal sei. Es werde als "reflexartige Zensur" von einer Gruppe von "mehrheitlich Studierenden aus dem Schauspieltheaterbereich" formuliert. Im Gegensatz dazu stehe die Kritik der Inszenierung recht positiv gegenüber. Mit Ausnahme der in einem Kommentar auf BR-KLASSIK veröffentlichten Meinung, seien der Tenor von der NZZ über die Welt zur NMZ und DLF Kultur durchweg "positiv grundiert". Allerdings kommen in dem Brief keine People of Colour zu Wort.

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