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Pro und Contra "Blackfacing" als künstlerisches Mittel?

Für Peter Lunds Neuinszenierung von Ernst Kreneks Oper "Jonny spielt auf", in der ein weißer Darsteller schwarz geschminkt wurde, hat das Münchner Gärtnerplatztheater einen ziemlichen Shitstorm abbekommen. 1928 wurde Blackfacing am Gärtnerplatztheater betrieben, was den Regisseur dazu inspiriert hat, das auch in seiner aktuellen Inszenierung zu machen: Jonny wird auf der Bühne angemalt und auch wieder abgeschminkt, um die Perversion des Akts darzustellen. Ist das also ok, "Blackfacing" in dieser künstlerischen Form anzuwenden? Peter Jungblut und Gino Thanner diskutieren diese Thematik.

Bildquelle: Bayerischer Rundfunk 2022

Die Zugabe zum Anhören

Eine Inszenierung ist nicht dafür da, den neuesten Stand der Diversity-Debatte abzubilden und die Aufführungsgeschichte auszublenden.
Peter Jungblut

Nein, Blackfacing geht natürlich gar nicht mehr. Und zwar deshalb, weil es ein Sinnbild für eine rassistische Vergangenheit ist, die leider in unserer Gegenwart noch lange nicht abgeschlossen ist. Schwarze Menschen waren zu Shakespeares Zeiten auf der Bühne grundsätzlich böse Menschen, dasselbe galt für Bucklige, im Grunde alle, die nicht dem damaligen Schönheitsideal entsprachen. Bösewichte mussten äußerlich durch abweichendes Aussehen erkennbar sein, so blieb es bis ins frühe 20. Jahrhundert. Schlimm genug. Und trotzdem hat sich das Münchner Gärtnerplatztheater mit seiner Inszenierung von "Jonny spielt auf" nichts zu Schulden kommen lassen, denn Regisseur Peter Lund wollte das "Blackfacing" natürlich nicht nachahmen, sondern als historische Zumutung zitieren.

Er verlegte die Handlung ja ins München von 1928. Der Darsteller war denn auch jeder Zeit als Weißer deutlich erkennbar und wischte sich immer wieder demonstrativ die Farbe aus dem Gesicht. Es geht also darum, ob Bühnen an das einstige "Blackfacing" mit solchen Zitaten erinnern dürfen oder nicht. Keiner, der die Aufführung gesehen hat, kann ernsthaft behaupten, sie sei "rassistisch" oder verstärke unterschwellig entsprechende Vorurteile. Im Gegenteil: Was "Blackfacing" einst angerichtet hat und wie die frühen Nazis München terrorisierten, das alles wurde sehr augenfällig. People of Color können das natürlich anders sehen. Ihre alltäglichen Diskriminierungserfahrungen zählen mehr als ästhetische Urteile. Aber eine Inszenierung ist nicht dafür da, den neuesten Stand der Diversity-Debatte abzubilden und die Aufführungsgeschichte auszublenden. Das mag schmerzhaft sein und gerade deshalb höchst angemessen.

Blackfacing geht im Jahr 2022 einfach nicht! Und die künstlerische Freiheit oder die noch so schlaue künstlerische Idee können daran auch nicht rütteln.
Gino Thanner

Blackfacing geht im Jahr 2022 einfach nicht! Und die künstlerische Freiheit oder die noch so schlaue künstlerische Idee können daran auch nicht rütteln. Was Herr Lund und das gesamte Gärtnerplatztheater-Team nicht bedacht haben: Wenn eine Person of Color nur einen Videotrailer, ein Foto zur Produktion "Jonny spielt auf" mit dem schwarz geschminkten Darsteller sieht, dann passiert genau das, was nicht passieren soll: nämlich, dass Blackfacing verletzt. Weil weiße Personen wieder Rassismus reproduzieren, der Jahrhunderte lang auf den Bühnen dieser Welt stattgefunden hat.

Davon auszugehen, dass allen die Werkgeschichte oder die künstlerischen Gehirnwindungen von Herrn Lund bekannt sind, ist kurzsichtig. Denn dafür ist es nötig, selbst ins Theater zu gehen, das Programmheft zu lesen, Pressestimmen zu filtern. Und ja, vielleicht nimmt eine Person of Color die Inszenierung als nicht diskriminierend wahr. Aber sobald es eine andere Person diskriminierend empfindet, wird das Ganze zum Problem. Egal, ob die Person im Publikum sitzt oder nicht. Anscheinend waren People of Color auch an der Entwicklung des Regiekonzepts beteiligt – für mich stellt sich aber die Frage, in wieweit sie tatsächlich gehört wurden. Denn eines ist klar: das letzte Wort über sein künstlerisches Produkt hat immer noch der Regisseur. Und wenn der Regisseur das historisch korrekt aufführen will, weil 1928 im Gärtnerplatztheater auch schwarze Schminke ins Gesicht geklatscht wurde, dann frage ich mich: Warum muss es historisch korrekt sein? Kann ich nicht einfach einen afroamerikanischen Sänger den Jonny spielen lassen? Dann wäre ich heute – 2022 – korrekt. Ich finde, das wäre wichtiger.  

Kommentare (2)

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Donnerstag, 07.April, 19:19 Uhr

Ida Enzenhofer

Jonny spielt auf

Der Argumentation von Herrn Thanner folgend, dürfte auf der Bühne auch keine Gewalt gezeigt werden - weil allein der Anblick eines Szenenfotos Gewaltopfer retraumatisieren könnte. Dieser Ansatz ist zu pauschal und zu undifferenziert. Wenn es, wie von Herrn Thanner anscheinend gefordert, nicht möglich sein darf, ein schwieriges Thema auf die Bühne zu bringen - auch nicht in einer sehr differenzierten - Inszenierung - dann nenne ich das Zensur. Letztendlich verhindert man mit solchen Maßnahmen die sinnvolle Auseinandersetzung mit diesen Themen.

Freitag, 25.März, 17:44 Uhr

Tim Theo Tinn

Rassismus

Warum lassen Sie "Positiven Rassismus", Inklusion, auch Föderalismus außen vor. So schließt sich dieser Arktikel pauschal dieser pauschalen undifferenzierten Anti-Blackfacing Kampagne an, ohne auch nur im Geringsten daran zu erinnern, wann und wo Black Facing entstandt. Das ist purer Rassismus - positiver Rassismus. GGf. finden Sie meine Auslassugen dazu im Netz mit den Stichworten.

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