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Kritik – "Jonny spielt auf" in München "Blackfacing" als Stilmittel

Als Ernst Kreneks Oper 1928 zum ersten Mal am Gärtnerplatztheater aufgeführt wurden, flogen faule Eier und Tomaten: Die braun durchseuchte Stadt regte sich darüber auf, dass die Titelfigur schwarz war und den Jazz verkörperte. Diese heikle Aufführungsgeschichte findet sich nun in der aktuellen Neuinszenierung wieder – samt "Blackfacing".

Drei überzeichnete und geschminkte Figuren sind am Rangeln. | Bildquelle: Christian POGO Zach / Gärtnerplatztheater

Bildquelle: Christian POGO Zach / Gärtnerplatztheater

Könnte glatt der Titel eines Gershwin-Musicals sein, einer schwungvollen Jazz-Operette von Cole Porter oder auch eines satirischen Songspiels, zum Beispiel von Kurt Weill. Doch der Titel täuscht: "Jonny spielt auf" hat mit Jazz und Swing wenig bis gar nichts zu tun: Der ganz junge Ernst Krenek schrieb sich 1926 seinen Liebeskummer vom Hals und bewegte sich dabei musikalisch zwischen dem damals modischen Expressionismus und der allmählich aufkommenden Neuen Sachlichkeit. Beim ersteren Stil schlagen bekanntlich ständig die emotionalen Flammen hoch, beim zweiteren wird mit einem gewissen heiligen Ernst unglaublich viel Bedeutung abgearbeitet. Beides ist heute nicht mehr sehr angesagt.

Die komplette Premiere hier anhören (bis 10. April 2022)

Skandal nach der Uraufführung: Jonny ist schwarz und gerissen

Der Jazz schimmert bei Krenek zwar auch durch, aber doch eher als feiner Silberstreif am Horizont. Am Ende brechen alle Beteiligten nach Amerika auf, in eine neue Zeit. Heftig umstritten war das vielfach inszenierte Erfolgsstück "Jonny spielt auf" nach der Uraufführung in Leipzig wohl weniger wegen der Handlung und der Musik, sondern vor allem deshalb, weil die Titelfigur schwarz ist und sich einige Freiheiten herausnimmt.

Darum geht's in "Jonny spielt auf"

Der Jazz-Virtuose Jonny stiehlt eine wertvolle Geige, macht gut aussehende Frauen an und beschimpft sein rassistisches Publikum. Kurz und gut: Er lässt sich nichts gefallen, und er wird dafür nicht mal bestraft, weil er allemal gerissener ist als die Polizei erlaubt. Eine anarchische Figur also - kein Wunder, dass die Nazis durchdrehten und 1928 im Münchner Gärtnerplatztheater Rabatz machten.

"Blackfacing" war ausnahmsweise kein Aufreger

Szenenbild aus "Jonny spielt auf" im Gärtnerplatztheater in München | Bildquelle: Christian POGO Zach Szenenbild aus "Jonny spielt auf" am Gärtnerplatztheater in Müchen. | Bildquelle: Christian POGO Zach All das ist Thema in Peter Lunds Inszenierung, die wohl auch als Wiedergutmachung zu verstehen ist. Dabei musste der Regisseur einige Schwierigkeiten meistern: Jonny wurde vor knapp 100 Jahren natürlich von einem weißen Sänger gespielt, der auf schwarz geschminkt war. "Blackfacing" heißt das und geht natürlich heute gar nicht mehr. Trotzdem stand mit Ludwig Mittelhammer ein Weißer als Jonny auf der Bühne, mit schwarzer Farbe im Gesicht. Warum war das kein Aufreger?

Weil Peter Lund alle Mitwirkenden als Karikaturen der zwanziger Jahre zeigte: Der geschäftstüchtige Musikunternehmer ist ein übergewichtiger Jude, der junge Komponist ein bleicher Hänfling, die Sängerin eine Wiedergängerin der damals weltbekannten Ausdrucks- und Nackttänzerin Anita Berber, das Dienstmädchen ein Colombina-Zerrbild aus der Commedia dell'arte, der blasierte Star-Geiger Daniello eine Art Rudolph Valentino. Allesamt also Projektionsflächen für die Vorurteile des letzten Jahrhunderts, die soviel Unheil angerichtet haben und noch anrichten.

Eine Retro-Fassung von "Jonny spielt auf"

Szene aus "Jonny spielt auf" am Gärtnerplatztheater mit Holger Ohlmann (Manager), Judith Spießer (Yvonne), Mária Celeng (Anita). | Bildquelle: Christian POGO Zach / Gärtnerplatztheater Szene aus "Jonny spielt auf" am Gärtnerplatztheater mit Holger Ohlmann (Manager), Judith Spießer (Yvonne), Mária Celeng (Anita). | Bildquelle: Christian POGO Zach / Gärtnerplatztheater Die Ausstatter Jürgen Franz Kirner (Bühne) und Daria Konysheva (Kostüme) zitierten dabei etwas Art déco und etwas Bauhaus, gewürzt mit einer Prise Collage-Kunst, wie sie seinerzeit Hannah Höch berühmt machte. Und ein brauner "Volksempfänger", wie er typisch war für die NS-Zeit, durfte auch nicht fehlen. Allerdings wurde "Jonny spielt auf" damit nicht nur musikalisch, sondern auch optisch ziemlich "retro". Sonderlich aktuell oder gar mitreißend wirkte das alles nicht, eher wie eine Ausgrabung, die mit hohem Aufwand vom Staub befreit wurde. Hätte nicht gewundert, wenn irgendwo die Aufschrift "Achtung, zerbrechlich!" zu lesen gewesen wäre.

Als Satire funktioniert die Oper nicht mehr

Die Solisten überzeugten allesamt stimmlich: Mária Celeng als feuerrot-verführerische Anita, Alexandros Tsilogiannis als ihr Liebhaber Max, Ludwig Mittelhammer als Jonny und Mathias Hausmann als Virtuose Daniello. Vielleicht hätten sie alle noch slapstickhafter, noch näher am Klamauk agieren können, um die Farce zu betonen. Michael Brandstätter am Pult machte das Beste aus der streckenweise arg blumigen Partitur, die sich in immer neue Gefühlsausbrüche steigerte, wie sie sich nur ein Mittzwanziger ausdenken kann. Brandstätter nahm sie trotzdem ernst, bei dieser belasteten Aufführungsgeschichte ist das wohl angemessen. Ansonsten wären auch hier deutlich grellere Töne denkbar, doch als Satire funktioniert "Jonny spielt auf" heute nicht mehr. Als Mahnmal auch nicht. Allenfalls als Ausrufezeichen.

Sendung: "Piazza" am 12. März ab 8.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Sonntag, 13.März, 17:32 Uhr

Axel Peppermueller

Jonny spielt auf im Gärtnerplatztheater

Also ich kannte diese Oper nicht und war sehr begeistert.Wieder einmal nach Corona ein
so gelungener Opernabend eine große Freude.
Alles paßte die Regie, Bühnenbild und Kostüme, Sänger, Orchester, Dirigent!
Gratulation.
Hingehen unbedingt ansehen und hören.

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