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Kritik – "Kiss me, Kate" in Augsburg Wo es noch von Machos wimmelt

Geht das heutzutage noch, ein Musical nach Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung"? Cole Porters Welterfolg von 1948 verteilt die Geschlechterrollen noch sehr traditionell. Auf der Freilichtbühne am Roten Tor war das dennoch meist unterhaltsam.

Musical "Kiss me, Kate" in Augsburg | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr

Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr

"Too darn hot" - ja, es war viel zu heiß in Augsburg, deutlich über 30 Grad, und damit natürlich ideales Freilichtbühnen-Wetter. Frieren musste wirklich niemand, weder die teils sehr leicht bekleideten Darsteller, noch das Publikum. Und der "Hitze-Hit" in Cole Porters Welterfolg "Kiss me, Kate" funktioniert natürlich zuverlässig, zumal das Ballett sich alle Mühe gab, in der Tropennacht Tempo zu machen.

"Kiss me, Kate": Schon zu Shakespeares Zeiten eine Satire

Nun zünden zwar einige Nummern dieses Musicals ohne Zweifel immer noch und immer wieder, doch stellt sich schon die Frage, ob der Stoff noch aktuell und die Dialoge noch zeitgemäß sind. Immerhin geht es um eine Bearbeitung von Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung", also um ein Stück, in dem eine selbstbewusste Frau gegen ihren Willen verheiratet und dann mit Gewalt zum Gehorsam dressiert wird. Mag sein, dass das schon zu Shakespeares Zeiten eine Satire war, befremdlich wirkt sie heute dennoch, und bei Cole Porter werden die Geschlechterrollen nicht wirklich modernisiert.

Da wimmelt es von Machos, klar, die Uraufführung fand ja am 30. Dezember 1948 statt, also in einer Zeit, als Amerika stolz seine Muckis präsentierte und noch nicht von Selbstzweifeln "angekränkelt" war. Vom Taxifahrer über den Pförtner bis zum Inspizienten waren damals noch alle forsche "Kerle", die ihren Laden unter Kontrolle hatten.

Augsburger Inszenierung fehlt der Mut

Wer also "Kiss me, Kate" heutzutage neu herausbringt, sollte den Mut zu einer frechen, aktuellen Übersetzung und sehr zupackender Ironie haben. Das war am Staatstheater Augsburg leider nur zum Teil der Fall. Der reiche Theatergeldgeber Harrison Howell, der bei Cole Porter noch eine Mischung aus General und Konzernchef ist, kommt hier als Donald Trump-Persiflage auf die Bühne, nicht äußerlich ähnlich, aber doch fleißig twitternd. Das wirkte allerdings etwas bemüht.

Woran es insgesamt fehlte, war der Mut, Cole Porter weiterzudenken und nicht nur eine Shakespeare- und Bildungs-Satire, sondern eine bunte Fabel auf unsere Gegenwart zu präsentieren. Wer kennt zum Beispiel noch die große Schauspielerin Eleonora Duse, die in der Übersetzung von Günter Neumann genannt wird? Da wären andere Promis im 21. Jahrhundert wohl deutlich naheliegender. Vor allem nach der Pause schien Regisseur Klaus Seiffert die Probenzeit nicht gereicht zu haben, da stolperte die Handlung recht holperig voran, das Ende kam unmotiviert und unvermittelt. Und doch: Das Publikum applaudierte freundlich, wenn auch nicht elektrisiert.

"Kiss me, Kate" in Augsburg: Unterhaltsame Nostalgie-Sause mit Schwächen

Unterhaltsam war der lauschige Abend unter den mächtigen Bäumen am Roten Tor durchaus. Das Orchester unter Leitung von Justin Pambianchi spielte mit jazzigem Elan auf, wenn auch nicht mit überschäumendem, ansteckendem Esprit. Ausstatter Tom Grasshof nutzte intensiv und elegant die Möglichkeiten der Drehbühne, denn die Handlung wechselt ja ständig zwischen Bühnengeschehen und Backstage-Bereich.

Choreograph Mario Mariano hielt seine Truppe munter in Bewegung, wenn auch mit eher klassischen Versatzstücken wie einem Step: Etwas mehr erotische Würze und Grenzgänge zum Hiphop oder Breakdance wären durchaus vorstellbar gewesen.

Musical "Kiss me, Kate" in Augsburg | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Samuel Schürmann und Susanna Panzner in "Kiss me, Kate" in Augsburg | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Unter den Solisten ragten Samuel Schürmann als Frauen-Dompteur, Fred Graham und Katharina Wollmann als lebens- und liebeslustige Lois Lane heraus. Auch Maryanne Kelly als Garderoben-Dame Hattie räumte mit ihrer fulminanten Nummer als "Einspringerin" mächtig ab. Dass es auch möglich ist, mit kleinen Rollen groß aufzufallen, bewies Jakob Brüll, Student der Theaterakademie August Everding in München, mit seinem Auftritt als Freier Hortensio. Susanna Panzner als Katharina spielte zwar durchaus präsent, stimmlich war sie jedoch eher eine Enttäuschung. Letztlich nahm man ihr die Rolle der zickigen Diva und eifersüchtigen Ex-Gattin nicht ab, dazu wirkte sie zu bemüht und verbindlich.

Gleichwohl wird die Produktion ihre Fans finden und die Freilichtbühne am Roten Tor füllen, denn Cole Porter ist in gewisser Weise unverwüstlich und musikalisch zeitlos. Als Nostalgie-Sause geht das mehr als in Ordnung, nicht nur an heißen Tagen.

Sendung: "Allegro" am 20. Juni 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (3)

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Sonntag, 19.Juni, 19:17 Uhr

Klaus D.

Musical

"Vom Taxifahrer über den Pförtner bis zum Inspizienten waren damals noch alle forsche "Kerle", die ihren Laden unter Kontrolle hatten."

Glorreiche Zeiten. Auch dies alles perdu wegen, p.c., Gender, und der ganze Zeitgeist- aber geistlose tralala-Rest.

Sonntag, 19.Juni, 09:47 Uhr

Gufo

Kiss me Kate

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch dieses Stück gendergerecht auf Vordermann gebracht wird.Es ist ein Zug der Zeit,alles was nicht dem heutigen Zeitgeist entspricht, anzupassen.Shakespeare hätte dafür allenfalls ein müdes Lächeln übrig.

Sonntag, 19.Juni, 09:46 Uhr

Barbara Krott

Kritik Kiss me Kate

Lieber Peter Jungblut. Selbstverständlich müssen Sie die Kostüme in Ihrer Kritik nicht erwähnen. Falsch ist es aber die gesamte Ausstattung dem Bühnenbildner zuzuschreiben. Ich habe die Kostüme entworfen und ich bin eine Frau. Sie können sich also guten Gewissens als Macker bezeichnen. Herzlichst Barbara Krott

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