Er ist der berühmteste Pianist der Welt und löste in China einen wahren Klassik-Hype aus. Trotzdem ist der klaviertechnische Alleskönner immer wieder Zielscheibe von Kritik. Am Dienstag wurde Lang Lang, der wahrscheinlich einzige Megastar der Klassik, 40 Jahre alt.
Bildquelle: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Hendrik Schmidt
Das "größte und aufregendste Klaviertalent seit Jahren" nannte ihn die Chicago Tribune am 16. August 1999. 17 Jahre alt ist Lang Lang damals, und am Vortag für den erkrankten André Watts eingesprungen. Tschaikowskys 1. Klavierkonzert an der Seite des Chicago Symphony Orchestra bedeutet für den jungen Chinesen den Durchbruch. Nur zwei Jahre später debütiert er in der Carnegie Hall, mit 18, als jüngster Pianist überhaupt. Gefördert wird er vor allem von den Dirigenten Christoph Eschenbach und Daniel Barenboim. Letzterer bescheinigt Lang Lang damals, er habe eine strahlende Zukunft vor sich, wenn er so weitermache.
Strahlend ist die Karriere von Lang Lang in jedem Fall verlaufen. Wenn auch nicht in jeder Hinsicht. Ohne jeden Zweifel ist er der berühmteste lebende Klassik-Künstler der Welt. Ein Pavarotti des Klaviers, der nicht nur auf dem Podium brilliert, sondern auch regelmäßig in Talkshows zu Gast ist, gleich ob bei Gottschalk, Lanz oder bei der amerikanischen Late Night-Legende Jay Leno. Lang Lang beherrscht den Showman ziemlich perfekt: Die himmelwärts verdrehten Augen, die fliegenden Arme, die samtweich über die Tasten ballettierenden Finger – er gibt die Disney-Version eines Pianisten.
Im März 2019 war Lang Lang zu Gast im BR-KLASSIK-Sendestudio und stellte am Flügel seine Lieblingswerke vor. Hier geht's zum Video-Interview.
Vor allem aber, und das ist noch viel wichtiger: Lang Lang ist ein Gentleman. Ein unbedingt freundlicher Mensch, der egal wo er auftritt nach Augenhöhe sucht, keinen Funken Arroganz ausstrahlt. Das hat ihn zum wahrscheinlich wichtigsten Popularisierer klassischer Musik im 21. Jahrhundert gemacht. Ihm allerdings auch den Vorwurf der Oberflächlichkeit eingetragen. Vor allem in der Fachpresse. Dass er eine eigene Wodka-Marke besitzt und eine Parfümlinie ("Amazing Lang Lang") auf den Markt gebracht hat, hilft da naturgemäß wenig. Genauso wie die schmatzend kitschigen Duo-Auftritte mit seiner Frau, der Pianistin Gina Alice Redlinger. Manieriert und manchmal geschmacklos sei das, was er am Flügel veranstalte, heißt es außerdem. Exemplarisch ist das Urteil von Klavierpapst Joachim Kaiser. Der nannte ihn zwar einen "Supervirtuosen", bescheinigte seinem Spiel aber gleichzeitig auch eine "grausame Unangemessenheit".
In Kitsch vereint: Lang Lang am Flügel mit Ehefrau Gina Alice Redlinger | Bildquelle: picture alliance/dpa/HPIC | Chen Zhiwei
Allerdings hat sich Lang Langs Image in den letzten Jahren verändert. Vor allem seit seiner 15-monatigen Auszeit vor etwa vier Jahren. Eine Sehnenscheidenentzündung zwingt den Pianisten zum Pausieren. Als er zurückkommt steht erstmal ungewohnt Unspektakuläres auf dem Programm: Mozart und Beethoven. Ja, sogar Bach. 2020 nimmt er dessen Goldberg-Variationen auf. Ernsthafter geht‘s kaum. Sogar Unterricht beim Originalklangspezialisten Andreas Staier nimmt Lang Lang dafür. Reist außerdem nach Leipzig, um die einstige Wirkungsstätte des Thomaskantors zu besuchen. Nimmt dort eine Live-Version des Werks auf (die andere entsteht im Studio). Und zeigt einmal mehr, dass er technisch nahezu alles kann. Auch die Kritiken sind überwiegend positiv. Sogar von einem "Meisterwerk" (Süddeutsche) ist die Rede, einem "Wendepunkt" (nmz) in Lang Langs Karriere.
Dürfte also interessant werden, wie es weitergeht mit der strahlenden Zukunft, die ihm Daniel Barenboim einst vorausgesagt hat. Zumal ihm in Sachen Selbstvermarktung längst ein anderer den Rang abgelaufen hat: Igor Levit, dessen viel persönlicherer, augenscheinlich ungefilterter Auftritt sowieso viel besser zu den authentizitätsverliebten Sozialen Medien passt als Lang Langs Bonbonpapier-blitzende Professionalität.
Sendung: "Allegro" am 14. Juni 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (3)
Mittwoch, 15.Juni, 17:40 Uhr
PianoSchoolMunich
Lang Langs Pseudowandlung
Alle berühmten Pianisten, besser gesagt "Koordinations-Genies", stecken mehr und weniger fest in einer permanenten Krise der Ignoranz gegenüber dem pianistischen Handwerk in seiner hochgradigsten Spielform. Lang Lang in besonderen Maßen. Es fehlen bei derart Talenten meist die guten Berater.
Dienstag, 14.Juni, 23:00 Uhr
Wilfried Schneider
UNSTRITTIG UMSTRITTEN
Lang Lang ist, nach meiner unwesentlichen Meinung, unstrittig der zur Zeit überschätzteste Pianist der Welt. Wahren Könnern, beispielsweise Sokolov oder Hamelin, kann er mit seinem oft maschinenhaft-seelenlosen Spiel nicht das Wasser reichen. Mein Drang, ihm zuzuhören, geht gegen Null!
Dienstag, 14.Juni, 13:17 Uhr
Elena Eichhammer
Zweifelhafte Aussagen
Umstritten JA/ berühmteste Pianist SICHER NICHT/ Klaviertechnischer Alleskönner GANZ BESTIMMT NICHT/ einzige Megastar ... WAS IST MIT GARRETT, KAUFMANN, NETREBKO etc./ Pavarotti des Klaviers ... EINE BELEIDIGUNG FÜR DEN HÖCHST MUSIKALISCHEN PAVAROTTI/ Lang Lang beherrscht den Showman ziemlich perfekt ... DAS STIMMT
Fazit zum Artikel: Der Autor hat nicht viel Ahnung vom Klavierspiel!