Star-Sopranistin Anna Netrebko fühlt sich ungerecht behandelt. Weil sie zu Beginn des Ukraine-Kriegs nicht öffentlich gegen Vladimir Putin Stellung beziehen wollte, darf sie bis auf Weiteres nicht mehr an der New Yorker Met singen. Nun legt sie ihre Sicht der Ereignisse dar.
Bildquelle: Anna Netrebko
"Die Met bestand als erstes Opernhaus darauf, dass ich meine Position klarstelle. Ich wurde gebeten, gegen Vladimir Putin Stellung zu beziehen. Ich antwortete, dass ich einen russischen Pass hätte und Putin immer noch mein Präsident sei, und dass ich das nicht öffentlich aussagen könne. Also weigerte ich mich." So schildert Anna Netreko in einem Interview mit der französischen Zeitung "Le Monde" ihren Konflikt mit der New Yorker Metropolitan Opera.
Die Sopranistin Anna Netrebko darf bis auf Weiteres nicht an der New Yorker Metropolitan Opera auftreten. | Bildquelle: Marco Brescia / Rudy Amisano Die Opernsängerin erklärt weiter, Met-Intendant Peter Gelb und sie hätten sich darauf geeinigt, dass sie von der Produktion "Turandot" zurücktrete. Stattdessen singt nun die ukrainische Sopranistin Liudmyla Monastyrska die Partie der "Turandot" an der Met. Doch Peter Gelb habe Netrebko eigenmächtig auch von den "Don Carlo"-Vorstellungen ausgeladen. Die Sopranistin sei schockiert gewesen, als Peter Gelb gegenüber der New York Times verlauten ließ, sie werde vorerst nicht an die Met zurückkehren. "Wir hatten uns darauf verständigt, einige Zeit vergehen zu lassen und später weiterzusehen ...", so Anna Netrebko. Und sie fügt hinzu: "Wir können doch nicht alle meine zukünftigen Verträge kündigen, nur weil die Met urteilt, ich sei zu putinnah." Laut der Zeitung "Le Monde" geht es um alle Verträge zwischen Anna Netrebko und der Met bis Mai 2026.
Eine Sängerin zwischen den Fronten: Im Westen wurde Anna Netrebko ausgeladen, weil sie sich zunächst nicht von Putin distanzieren wollte. Dann entschied die Sopranistin anders: Gegen Putin, für den Westen. Prompt wurde sie in Russland ausgeladen. An der New Yorker Met darf sie trotzdem nicht singen. Das ist falsch, meint BR-KLASSIK-Redakteur Bernhard Neuhoff. Lesen Sie hier den Kommentar.
Anna Netrebko bei einer Pressekonferenz zusammen mit dem ostukrainischen und prorussischen Separatistenführer Oleg Zarjow. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Im Interview kommt Netrebko auch auf das umstrittene Foto aus dem Jahr 2014 zu sprechen, auf dem sie mit dem Separatistenführer Oleg Zarjow abgebildet ist. Dabei sei es um eine Spende für das Opernhaus in Donezk gegangen, so die Sopranistin. Oleg Zarjow sei ihr als vertrauenswürdiger Vermittler für die Bargeld-Spende empfohlen worden. "Die Geste hatte nichts Politisches. Mein einziger Fehler war, dass ich mich nicht mehr über die Situation im Donbass informiert hatte, wo ich niemals war. Ich wollte nur Freunden in Not helfen, die Gott sei Dank noch am Leben sind".
Ich habe Putin 2018 nicht gewählt.
Anna Netrebko gibt zu, Putin im Jahr 2012 unterstützt zu haben, weil er so viel für den Kunst- und Kultursektor getan habe, aber sie habe ihn 2018 nicht gewählt. Sie habe außerdem weder an einer Kampagne für Putin teilgenommen noch habe sie politische Konzerte gegeben.
Entgegen den Berichten habe sie selbst ihrem Management Centre Stage Artists gekündigt und sie werde auch nicht beim Festival "The Stars of the White Nights" am Mariinsky Theater auftreten. Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine hat sich Anna Netrebko mehrmals gegen den Angriffskrieg positioniert. In Russland gilt Anna Netrebko als "Staatsfeindin".
Sendung: "Leporello" am 23. Mai 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (22)
Samstag, 28.Mai, 18:23 Uhr
Tante Käthe
Wie verlogen ist die Kultur?
Hurra, sie jubeln in Paris der Stimme zu! Na dann! Ist doch egal, was die politisch gesagt hat! Und dann kommen sie mit dem whatsboutismen Irak und Syrien ( äh, hat da nicht auch putin, noja, NATO ist ja an allen schuld…?) . In der Kultur verkauft man wegen der gefüllten Kassen die Seele? ?? Da sind die Wirtschaftsbosse ja weiter! Aber Bussi, Bussi schöne Schein Welt mit euren Toten und dem Leid!
Samstag, 28.Mai, 13:01 Uhr
Christina Gentili
Peter Gelb wägt nur die Risiken ab
Die MET erhält keine staatliche Unterstützung und muss sich komplett aus Eintrittpreisen und Sponsorengeldern finanzieren. Für Peter Gelb wird das wirtschaftliche Risiko zu groß geworden sein, zumal ja meistens der Diven-Gatte dazugebucht werden muss, der dann die männliche Hauptrolle für andere Sänger blockiert. Dies sind für sich gesehen zwei zu große wirtschaftliche Risiken.
Um Frau Netrebko muss man sich nach ihrer Kehrtwendung sicher keine Gedanken machen - ein Blick in den Tourkalender genügt. In Deutschland wird man sie mit ihrem Gemahl in Regensburg, Köln, Frankfurt und Hamburg bewundern können. In Regensburg (extrem hochpreisig) sind nur noch Restkarten erhältlich, so kritisch scheinen ihre Bewunderer und die Super-Katholikin Gloria nicht zu sein. Jonas Kaufmann gibt es in Vaduz und Salem zum halben Preis, daran kann man ermessen, dass Frau Netrebko sicher nicht am Hungertuch nagen muss, sollte sie in Zukunft keine Engagements mehr an der MET und in Russland erhalten.
Samstag, 28.Mai, 09:56 Uhr
Dr.-Ing. Felix Kugel
Anna Netrebko und Valery Gergiev
Wurde der Dirigent James Levine als Chef der Münchener Philharmoniker 2003 gebeten, sich von George W.Bush zu distanzieren, als dieser den Angriffskrieg gegen den Irak begann, bei dem weit über 100000 Menschen gestorben waren ? Bei Themen wie diesen wird wie so oft mit zweierlei Maß gemessen.
Samstag, 28.Mai, 07:57 Uhr
Thomas Woehrle
Netrebko
Diese Frau ist eine russische Künstlerin. Wie kann man von ihr erwarten, sich gegen ihr Land zu positionieren? Russland ist ihre Heimat. Wenn sie wieder nach Hause möchte, kann sie keine Position gegen Putin beziehen. Das ist doch logisch. Wer gibt ihr ein Zuhause, wer gibt ihr eine neue Heimat wenn sie nicht mehr zurück kann? Lasst sie einfach in Ruhe.
Freitag, 27.Mai, 20:00 Uhr
Ingolf Maree
Anna Netrebko
Das Publikum in Paris hat es gezeigt:
Man kann Putins Krieg in der Ukraine verurteilen und trotzdem diese herrliche Stimme hören.
Die Met in New York wird Anna Netrebko vielleicht noch bitten, dort wieder aufzutreten, was sie dann hoffentlich stolz ablehnt!
Freitag, 27.Mai, 19:42 Uhr
Peter Perler
Anna Netrebko
Jubel für Anna Netrebko in Paris! Das wäre auch in München oder New York der Fall, doch die Intendanten lassen das nicht zu.
Freitag, 27.Mai, 17:39 Uhr
Helene Escher
Anna Netrebko
Mich erstaunt, daß das Opernpublikum in New York und München sich von seinen Intendanten Gelb und Dorny vorschreiben läßt, wen es hören darf.
In Paris hingegen Standing Ovation für Netrebko. Das wäre in München und New York auch so!
Freitag, 27.Mai, 10:08 Uhr
Dr. Dietrich Spitzner
Anna Netrebko
Ich hoffe, daß die Damen und Herren, die so fleißig den Stab über eine so große Künstlerin brechen, sich auch im Fall Iraq (ca. 600000 Getötete, Georg W. Bush) oder Syrien (CIA, Obama) oder Libyen (Ms. Clinton u.a) entsprechend geäußert haben.
Donnerstag, 26.Mai, 11:19 Uhr
Anne Schubert
Sehr geehrte Frau Netrebko
Ich war schon in einem ihrer Konzerte und habe ihnen zugejubelt. Seit 2014 haben Sie mich aber zu tiefst enttäuscht, als Sie sich derartig politisch auf eine furchtbare Seite geschlagen haben( Sepetatistenführer Foto). Heute schreiben Sie“Ungerchtigkeit an der Met!“ Ok, nur, wie ungerecht ist es, wenn der ukrainischen Pianistin ihr Flügel grundlos weggebombt wird, wie ungerecht, wenn Musikern und Sängern sogar ihr Opernhaus vernichtet wird, wie ungerecht ist es, wenn der ukr. Sänger nun mit Waffen sein letztes hab und gut verteidigen muss?
Donnerstag, 26.Mai, 07:43 Uhr
Éva Szabóné Várhidi
Netrebko
Was ist das für eine Demokratie, wo Künstler aus politischen Gründen verfolgt werden, sogar Berufsverbot erleiden müssen?
Ich kann mich nicht erinnern, dass merikanischen Künsler wärend des Golfkriegs genauso diskriminiert worden seien.
Mittwoch, 25.Mai, 18:15 Uhr
Dr. Dreykorn
Met - richtig gehandelt
Ich kann kein ungerechtes Verhalten der MET erkennen! Es geht hier nicht um eine Gesinnungs-Abfrage, wie hier immer wieder mal behauptet wird. Frau Netrebko hat sich politisch sehr weit aus dem Fenster gelehnt ( sympathisierte öffentlich mit Menschen, die ein Land überfallen haben und unschuldige gerötet haben). Die Lage hat sich jetzt enorm verschärft. Sie hat sich im Vorfeld so deutlich auf die Putin Seite geschlagen und hätte als Ausweg nur noch die komplette und sofortige Distanzierung gehabt. Das bleibt bis heute aus! Kein außer Russ. Opernhaus kann diese Frau mehr singen lassen. Schade, diese Weltkarriere völlig naiv geopfert
Mittwoch, 25.Mai, 17:58 Uhr
Ingolf Maree
Anna Netrebko
Es ist der tapferen Ukraine unwürdig, es als Attacke gegen Putin zu betrachten, wenn Anna Netrebko in New York nicht mehr auftreten darf.
Mittwoch, 25.Mai, 14:19 Uhr
Elisabetta
Anna Netrebko
Man kann eben nicht everybodys darling sein.
Die Stimme kann auch in weniger elitären Opernhäu
sern noch erklingen.
Siehe Franz Welser Möst.
Mittwoch, 25.Mai, 13:34 Uhr
Doris Punz
Ich finde es schockierend, dass man als Künstler gezwungen ist, die gängige Meinung zu vertreten, wenn man nicht den Job verlieren will. Künstler sind eigenständige und gereifte Persönlichkeiten, die nicht von der Politik missbraucht werden dürfen...
Mittwoch, 25.Mai, 11:52 Uhr
Fea Wandelt
Anna Netrebko
Frau Netrebko wird von der Met sehr ungerecht behandelt. Die Met sollte das umgehend ändern und ihre New Yorker Opernliebhaber nicht selbst bestrafen. Natürlich könnte Frau Netrebko früher nicht anders handeln.
Mittwoch, 25.Mai, 09:34 Uhr
Lulu
Anna NETREBKO
Schade, sie ist in das politische Mahlwerk geraten, weil sie neutral bleiben wollte. Sie kann ja nun wirklich nichts dafür, daß Putin charackterlos ist und einen irrsinnigen Krieg führt. Muß diese einzigartige Stimme versiegen wegen eines Zerstörer?
Mittwoch, 25.Mai, 00:47 Uhr
Eusebius
Netrebko „so unpolitisch“ in Dauerschleife?
Ich weiß nicht, wie lange diese Frau noch immer die Platte auflegen will „ich war unpolitisch und wollte nur liebes Geld an Arme spenden!“ Wow! Da steht jemand mit neurussischer Fahne zur Zeit der Anexion neben einem Schurken und lächelt in die Kamera, wo bereits Tausende Ukrainern getötet wurden und sie kommt immer noch mit dieser naiven Erklärung! Anstatt mit „Ungerechtigkeit“ herum zu jammern, sollte sie einfach mal ihr Entsetzen über den Barbaren Putin ausdrücken! Denn viel schlimmer wiegt: Wir kaufen keinem Künstler irgendetwas auf der Bühne mehr ab, wenn er im privaten Barbaren bauchpinselt! Da fühlt sich die Kultur leider vergewaltigt, wenn sie nicht nur im hohlen Belcanto, der ja so toll die Kassen füllt, verenden will!
Dienstag, 24.Mai, 22:36 Uhr
Norbert Du Carrois
Netrebko
Es ist ausserordentlich zu bedauern, dass Kuenstlerinnen und Kuenstler der Wilkuer eines/einer Leiters:/in ausgesetzt sind, was ihre politische Ausrichtung anbelangt. Dann muesste ja auch die Religionsangehoerigkeit ein berechtigtes Kriterium fuer die Ausgrenzung sein. Das kann nicht im Sinne der Welt der Kultur sein bzw. werden. WEHRET DEN ANFAENGEN !
Dienstag, 24.Mai, 20:38 Uhr
Marcos von der Fecht
Netrebko und der Sängerboykott
Putin und die Russen führen einen brutalen und mörderischen Krieg gegen die Ukraine,jeder der dies nicht eindeutig verurteilt und damit meine ich ohne wenn und aber der billigt dies alles und sollte darum boykottier werden. Netrebkos pseudo-naivitat ist lächerlich, auch sie sieht täglich was ihr verehrter Putin dort anrichtet.Russische Musik nicht aufzuführen ist dagegen vollkommen falsch.
Dienstag, 24.Mai, 19:29 Uhr
Jürgen Kröner
Kunst
Anna Netrebko ! Gehört zu den grössten Sopranistinnen der Welt, was hat das mit Politik zu tun ! Frage
Dienstag, 24.Mai, 17:14 Uhr
Markus Eckschlager
Man kann von Anna Netrebko halten was man will aber diese unfaire Behandlung verschiedener Opernhaus hat sie nicht verdient !!!
Dienstag, 24.Mai, 11:38 Uhr
Konrad Jäckle
Anna Netrebko
Wenn stimmt, was Anna Netrebko sagt, dass sie sich öffentlich gegen Putins Ukraine-Krieg ausgesprochen hat, sollte sie auch weiterhin in den westlichen Opernhäusern singen dürfen. Ich halte überhaupt nichts davon, jetzt generell russische Künstler zu boykottieren, bis hin zu Filmregisseuren, die sich gegen Putin und seinen verbrecherischen Krieg wenden. Oder gar russische Musik - Tschaikowski, Schostakowitsch etc. - nicht mehr aufzuführen.