Gerade einmal 24 Jahre alt ist Cornelius Meister, als er als jüngster Generalmusikdirektor Deutschlands nach Heidelberg berufen wird. Es folgt eine Karriere wie aus dem Bilderbuch – mit einem neuen Höhepunkt: 2022 gibt er sein Debüt in Bayreuth.
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Offen wirkt der inzwischen 42-jährige Dirigent – und selbstbewusst. Manchmal ein wenig wie aus einer anderen Zeit. Ein Gentleman mit gewählter Ausdrucksweise und einer Frisur, die, kein Scherz, ein bisschen an Richard Wagner erinnert. Während der Corona-Pandemie hält Cornelius Meister Werkeinführungen auf Youtube, blickt dabei offen in die Kamera. Auch im Konzert dreht er sich gerne mal zum Publikum um, erzählt über das Programm oder lacht, wenn er einen Fehler gemacht hat.
Ich dirigiere gerne auswendig, dann habe ich alle im Blick – wie in einem guten Gespräch.
Meister liebt den Kontakt zu Menschen und seinem Orchester. "Ich dirigiere gerne auswendig, dann habe ich alle im Blick – wie in einem guten Gespräch", erzählt er. "Wenn ich sie anschaue und ihren Gesichtsausdruck sehe, wenn ich spüre, wie sie sich gerade fühlen, dann inspiriert mich das." Und dann kommt es auch schon manchmal vor, dass er vor einem Konzert noch mit dem Brezel-Verkäufer spricht: "Uns Musikern auf der Bühne könnte es gleich sein, wie es um den Pausenverkauf steht, ob genug Kassenpersonal da ist, damit die Menschen nicht in der Kälte herumstehen – mir aber ist das nicht egal. Denn all das trägt dazu bei, ob sich das Publikum gern an den Abend zurückerinnern wird."
Dass das Publikum einen außergewöhnlichen Abend erlebt, das steht für Meister an oberster Stelle. Und dafür tut er auch außerhalb der Konzerte und Proben viel. Er ist ein fleißiger Mensch, und er ist ehrgeizig. Jede Orchesterstimme richtet Cornelius Meister eigenhändig ein – eine Eigenart, die er von seinem Vorbild Carlos Kleiber übernommen hat. Auch Kompromisslosigkeit gehört zu seinen Eigenschaften. "Musiktheater darf nie ein Kompromiss sein", so lautet seine Devise.
Zum Glück hat er in Stuttgart ein Haus gefunden, in dem das möglich ist, zumindest was unkonventionelle Programme angeht: "Das Stuttgarter Publikum ist bekannt dafür, dass es sich eher beklagt, wenn es zu konventionell gewesen ist", sagt Cornelius Meister. Zwar dirigiert er auch viel Standard-Repertoire, ein besonderes Augenmerk legt er aber auf das Unbekannte, Neue oder Unentdeckte, erstellt entsprechende Konzertprogramme, nimmt CDs auf.
Dabei hat alles einmal ganz klischeehaft angefangen: Der kleine Cornelius sitzt daheim unter dem Flügel seiner Mutter, hört zu, während sie Klavierunterricht gibt. "Ich habe vielleicht ab und zu das Pedal festgehalten – böserweise, um den Klavierunterricht zu stören", erinnert er sich. Seit dieser Zeit ist die Musik ein Teil von ihm. Der Vater ist Klavierprofessor, die Mutter Musikschullehrerin und wie könnte es anders sein: Der Junge lernt Klavier. Und weil das noch nicht genug ist, auch noch Cello. Mit 15 verlässt er das Gymnasium, um Klavier und Dirigieren zu studieren.
Früh übt sich: der 19-jährige Cornelius Meister | Bildquelle: picture alliance / Toulet/Opera de Paris/Leemage | ©Toulet/Opera de Paris/Leemage
Als Meister zum ersten Mal für eine Probe bei einem Orchester einspringen darf, trifft er eine Entscheidung: "In dem Moment habe ich zum ersten Mal gespürt, dass ich Klang in meinem Arm habe", erinnert er sich. "Besonders gut war ich in der Probe sicherlich nicht, aber ich fühlte mich pudelwohl und hatte den Eindruck: Ja, das möchte ich gerne machen!" Dirigieren steht fortan an erster Stelle.
Mit 21 ist es dann soweit: Er gibt sein Debüt an der Staatsoper Hamburg. Von da an geht es steil bergauf. Er wird von zahlreichen Orchestern und Opernhäusern eingeladen, reist um die ganze Welt und wird schließlich drei Jahre später in Heidelberg jüngster Generalmusikdirektor Deutschlands. Und auch wenn Meister sehr selbstbewusst ist, so hebt er doch nicht ab: "Ich glaube tatsächlich, dass ein Dirigent im Alter von 80 Jahren einfach einen Tick besser ist als einer, der nur halb so alt ist."
Meisters Karriere ist in Heidelberg noch lange nicht zu Ende. 2012 dirigiert er zum ersten Mal in Wien, 2015 an der Scala in Mailand, 2018 wechselt er als Generalmusikdirektor nach Stuttgart und ein Jahr später hat er sein Debüt an der Metropolitan Opera in New York. Fehlt nur noch eines: Bayreuth. Aber auch das war nur noch eine Frage der Zeit. Denn Cornelius Meister prägt eine lange Verbindung mit dem grünen Hügel.
Als 18-Jähriger erlebt er als Stipendiat des Richard-Wagner-Verbands Hannover zum ersten Mal eine Aufführung in Bayreuth, wird dort Hospitant und später Assistent von Pierre Boulez. "Spätestens seit ich 1998 zum ersten Mal den Rausch der Bayreuther Akustik erlebt habe, war es mein Traum, hier einmal selbst zu dirigieren", erinnert er sich heute. "Frecherweise habe ich mich damals bei einer Führung durchs Festspielhaus auf den Dirigentenstuhl im Orchestergraben gesetzt."
Jetzt, 2022, ist es so weit: Cornelius Meister wird zum ersten Mal offiziell auf dem Bayreuther Dirigentenstuhl sitzen und eine Neuproduktion leiten – Wagners "Ring des Nibelungen" ab dem 31. Juli.
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