Die Figur des Don Juan hat Klaus Maria Brandauer schon oft verkörpert. Zuletzt wieder am 26. Mai bei "Stars and Rising Stars" in München. Die Rolle des charmanten Verführers fasziniert den Schauspieler und Regisseur seit Beginn seiner Karriere seit Beginn seiner Karriere sehr. Doch er sieht auch Gefahren in der ungezügelten Leidenschaft, die sogar Auswirkungen für die ganze Gesellschaft haben kann.
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BR-KLASSIK: Don Juan, das ist nicht nur eine Figur in der Literatur, in der Musik oder in den darstellenden Künsten. Vielmehr ist die Figur auch ein Synonym geworden für ein bestimmtes männliches Verhaltensmuster. Wieviel Biografie steckt denn in dem drin, was Sie vortragen, was Sie sich vorstellen und wieviel von Ihrer eigenen Fantasie und Lebenserfahrung?
Klaus Maria Brandauer: Ich finde es immer wieder fantastisch, gemeinsam die Figur zu beleuchten. Das kann man natürlich noch besser mit Musik. Ich glaube, Wolfgang Amadeus Mozart ist diesem Don Juan, dem Don Giovanni, unglaublich nahegekommen. Er hat ihn uns so nahegebracht, dass wir fast das Gefühl haben: Den habe ich kennengelernt. Und was für eine fantastische Geschichte es ist, dass Menschen sich ineinander verknallen und lieben können – wenn es denn überhaupt Liebe ist. Vielleicht ist er gar nicht dazu fähig.
BR-KLASSIK: Wie steht denn Don Juan zur Liebe? Ich würde mal sagen, das gibt es eigentlich nicht für ihn.
Klaus Maria Brandauer: Das würde ich nicht sagen. Er hat halt ein anderes Verständnis dafür. Das müssen wir den Menschen, die sich treffen, überlassen. Die sollen das dann unter sich ausmachen. Am schönsten ist es eigentlich, dass er jeder Frau das Gefühl gab, sie wäre die einzige, die es für ihn gibt – jedenfalls für diese Stunden oder Momente. Aber er ist natürlich auch – und das ist dann meistens der Fall, wenn man so erfolgreich ist – in Gefahr sich zu überheben und hochnäsig zu werden. Irgendwann mischt sich sogar so etwas ein, wo man sagen könnte: Das ist verbrecherisch, was du da machst. Das ist die Spur, auf die man kommt.
Überall dort, wo Leidenschaft und Lust ausbrechen, ist man in Gefahr.
BR-KLASSIK: Irgendwie erinnert mich diese Figur des Don Juan auch immer an jemanden, der sehr viel preisgibt auf der einen Seite, sich dann aber wieder total zurückzieht. Und dadurch für das Publikum, das ihn schon ganz übertrieben begehrt und verehrt, total unnahbar bleibt. Genau wie Don Juan, der sich dieser Frau widmet, die jetzt gerade seine Auserwählte ist und sich dann wieder total zurückzieht und sich auf seine nächsten Frau, den nächsten Auftritt konzentriert. Ist das zu weit hergeholt?
Klaus Maria Brandauer: Nein. Das ist durchaus möglich, dass Leute Rollen spielen. Obwohl ich Rollen spiele, bin ich eher dafür, dass wir keine Rollen spielen. Mein Credo ist, dass ich das mit den Rollen weglasse. Ich möchte gerne in diesen Stunden, wo ich meinen Beruf ausübe, ich sein, mit den Erfahrungen eines anderen.
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BR-KLASSIK: Was gehört zur Vorbereitung dazu, um diesen Figuren so nahe wie möglich zu kommen?
Klaus Maria Brandauer: Man interessiert sich für die Rolle und liest darüber. Dann bleibt man hängen und entdeckt immer wieder neue Dinge und interessante Zusammenhänge. Dieser Don Juan begleitet mich jetzt auch schon viele Jahre. Ich habe es immer wieder gemacht. Das war mir wichtig, weil es ein Beispiel in der Zweisamkeit ist, wie sich Leute gegenseitig schaden und am Leben hindern können. Obwohl sie zunächst scheinbar etwas machen, was ihnen gut tut.
Ich bin dafür, dass wir keine Rollen spielen.
Die Welt unterwerfen
BR-KLASSIK: Warum schaden die Menschen sich? Wie kommt es dazu, was für menschliche Voraussetzungen braucht es? Eigentlich würde man sagen, man tut sich gut, man tut sich nochmal gut und dann vielleicht noch einmal gut. Man versteht sich, man verbringt eine Zeit des Lebens miteinander, aber so ist er nicht.
Klaus Maria Brandauer: Das, was Sie jetzt beschreiben, gibt es, seit die Welt besteht. Aber in diesem Fall ist es ja etwas ganz Spezielles. Das, was Sie jetzt beschrieben haben, ist die Normalität. Hier ist es aber nicht normal, da kommt irgendetwas hinzu. Hier kommt dazu, dass jemand in einen Raum kommt, den habe ich noch gar nicht gesehen. Aber ich spüre, dass etwas dahinter ist. Es geht um ganz geheimnisvolle Dinge. Es geht natürlich auch um Lust. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden. Nur überall dort, wo eben Leidenschaft und Lust ausbrechen, ist man immer in Gefahr, dominant zu werden. Ja, es deshalb zu machen, damit man dominant sein kann und andere unterwirft. Schrecklich ist, dass wir diese Kampfhandlungen nicht nur in den Schlafzimmern haben, sondern es verbreitet sich, und das führt zu Krieg und Mord. Das ist das Schlimme. Deshalb können sich die sogenannten einfachen Leute, Passanten wie ich oder Sie, darüber wundern, dass es Kriege gibt. Das sollten wir aber nicht. Das sollten wir jetzt mal weglassen. Wir sollten lieber überlegen, woher diese Aggressionen kommen, die wir haben. Ich habe sie zur Genüge kennengelernt, von anderen und von mir selbst. Ich bin davor nicht gefeit. Obwohl ich überhaupt keinen Schaden möchte, bin ich immer wieder in Gefahr.
Sendung: "Allegro" am 28. Mai 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK