Aufgewachsen ist sie im Iran, seit 2007 lebt Farzia Fallah in Deutschland. Jetzt bekommt die Komponistin den Deutschen Musikautor:innenpreis. Im Interview mit BR-KLASSIK spricht sie über die Lust auf Kultur, die im Iran sehr stark sei.
Bildquelle: Farzia Fallah
BR-KLASSIK: Farzia Fallah, Sie kommen aus Teheran, sind 2007 nach Deutschland gekommen – wie kamen Sie denn zur Musik? Es ist ja nicht gerade üblich, dass eine Frau im Iran Komponistin wird ...
Farzia Fallah: Die musikalische Infrastruktur ist generell nicht sehr stark im Iran. Benachteiligt war also nicht nur ich, sondern wir alle, die Musik machen wollten: Frauen wie Männer, Mädchen wie Jungs. Wir waren alle sehr interessiert an Musik und haben uns alle möglichen Quellen organisiert, um zu hören, zu lernen und natürlich zu musizieren.
BR-KLASSIK: Sie sagen, Sie hätten als Frau im Iran keine Nachteile gehabt. Inzwischen ist das ja doch sehr anders, wenn wir an die Proteste im Land denken, an die Brutalität, mit der Frauen begegnet wird. Wie sieht denn das Leben von komponierenden Frauen heute im Iran aus? Stehen Sie in Kontakt mit Künstlerinnen dort?
Farzia Fallah: Ich stehe in engem Kontakt mit Menschen dort, ja. Grundsätzlich stimmt das natürlich: Frauen werden unterdrückt im Iran. Aber in vielen Aspekten, zum Beispiel, wenn es ums Komponieren ging, haben wir damals keinen Unterschied gespürt. Es gab aber und es gibt auch weiterhin Einschränkungen für Frauen. Ganz besonders betrifft das Sängerinnen, weil sie nicht öffentlich auftreten dürfen.
BR-KLASSIK: Sie sprechen von fehlender Infrastruktur. Was fehlt denn genau? Auftrittsmöglichkeiten, Ensembles, Publikum?
Farzia Fallah: Publikum fehlt eigentlich gar nicht. Die Menschen sind unglaublich offen und bereit, vieles aufzunehmen. Die Konzertsäle bleiben also nie leer. Was aber fehlt, ist ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Förderung von Musik und auch die Mittel dafür.
Die Komponistin Farzia Fallah wird von der Gema mit dem Deutschen Musikautor:innenpreis in der Kategorie Nachwuchs geehrt. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung findet am 30. März 2023 in Berlin statt und kann im Livestream verfolgt werden.
BR-KLASSIK: Sie als Komponistin – wie erleben Sie denn die Offenheit speziell für zeitgenössische Musik im Iran?
Farzia Fallah: Erstaunlicherweise hab ich dort kaum Konzerte erlebt, wo der Saal nicht voll war. Es gibt im Iran einen großen Enthusiasmus für Musik und Kultur. Wenn etwas stattfindet, dann kostet man das wirklich aus.
BR-KLASSIK: Und das gilt auch für zeitgenössische Musik, es gibt da keine Angst?
Farzia Fallah: Ja, irgendwie hat sich die Szene so entwickelt, dass auch zeitgenössische Konzerte gut besucht werden.
Widerstand – das kenne ich schon mein ganzes Leben.
BR-KLASSIK: Inwiefern spiegelt sich das, was gerade im Iran passiert, in der Musik, die Sie komponieren?
Farzia Fallah: Was gerade passiert, ist natürlich sehr bitter. Aber für meine Generation ist das auch keine ganz neue Erfahrung. Widerstand – das kenne ich schon mein ganzes Leben. Das ist ein Prozess, ein Weg, etwas, das Ausdauer erfordert. Und für mich bedeutet das, dass ich ständig dabei bin, mich ständig informiere. Und natürlich spiegelt sich das in meiner Musik.
BR-KLASSIK: Verstehen Sie Ihre Musik dann als Teil dieses Widerstandes?
Farzia Fallah: Wissen Sie, Musik ist Musik. Verantwortung muss ich als Komponistin übernehmen, nicht die Musik. Die ist natürlich das Resultat all meiner Gedanken. Aber Verantwortung, das ist die Sache jedes einzelnen Menschen.
Sendung: "Leporello" am 15. März 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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