Für Cymin Samawatie ist die Situation Im Iran extrem belastend: die deutsch-iranische Sängerin, Komponistin und Dirigentin lebt in Deutschland, ihre Familie im Iran. Ihren Schmerz verarbeitet sie im improvisierenden Zusammenspiel mit zwei Gambistinnen.
Bildquelle: © Heike Steingart
Meine Worte können nicht beschreiben, was meine Augen sehen.
So beginnt der Text, den Cymin Samawatie auf persisch singt, sich selbst am Klavier begleitend, flankiert von den beiden Gambistinnen Hille und Marthe Perl. Was ihre Augen sehen, sei schlimm, sagt sie im Gespräch mit BR-KLASSIK: "Kinder werden erschossen, teilweise in Krankenwägen verschleppt, man sieht viele leidende Menschen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir nicht wegschauen, sondern gucken: was kann jeder tun, dort wo er ist. Und das ist mein bescheidener Beitrag als Künstlerin."
Ihr Vater lebt im Iran – genauso wie andere Familienangehörige. Seit Wochen ist das Internet gedrosselt oder nicht verfügbar. Nicht zu wissen, wie die Lage konkret sei, nicht automatisch an gesicherte Informationen zu gelangen, mache es so schwer für sie. Sie sei emotional überfordert mit der Situation und gebe ihr Bestes, genug Abstand zu halten, aber dabei auch nicht wegzusehen.
Aus Solidarität mit den Menschen im Iran, aus dem tiefen Bedürfnis heraus, ihnen im Westen mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, hat Cymin Samawatie ihren Text vertont, improvisierend – aber mit einem berühmten "klassischen" Ankerpunkt: den englischen Renaissance-Komponisten John Dowland, dessen Lied "Flow my tears" etwa in der Mitte der Improvisation aufschimmert. "Meine Worte können nicht beschreiben, was meine Augen sehen. Mein Herz nicht ertragen, was meine Gefühle hervorrufen. Meine Tränen nicht auffangen, was das Leben hinterlässt."
Bildquelle: Bayerischer Rundfunk 2022
Improvisation mit Hille Perl und Marthe Perl
Cymin Samawatie: Azadi
Das Miteinander von westlicher und persischer Kultur ist seit jeher das Markenzeichen von Cymin Samawatie, die in Braunschweig als Tochter iranischer Eltern geboren wurde. Jazz und Zeitgenössisches, Weltmusik und Gustav Mahler – die Künstlerin fühlt sich überall wohl und findet Verbindungen zwischen den oft streng getrennten Genres.
Die Sängerin Cymin Samawatie (links im Bild) erhält den Ruth-Preis 2018 beim Rudolstadt Festival | Bildquelle: Matthias Kimpel Tradition sei wichtig, sagt sie im Gespräch mit BR-KLASSIK. Sie selbst habe sowohl die Tradition der Klassischen Musik wie des Jazz studiert. Aber schnell habe sie erkannt, dass man aus den unterschiedlichen Traditionen eine neue Energie finden kann – weswegen Cymin Samawatie gerne den Begriff einer transtraditionellen Musiksprache verwendet. In dem von ihr gegründeten Trickster Orchestra spielen MusikerInnen aus unterschiedlichen Musiktraditionen zusammen, sowohl mit dem Instrumentarium des westlichen als auch östlichen Kulturkreises.
Ein weiteres Beispiel für das gegenseitige Kennenlernen und Voneinander Lernen sei die Improvisation mit den beiden Gambistinnen Hille und Marthe Perl gewesen, die Cymin Samawatie im Rahmen der Jubiläums-Sendung zum 70jährigen Tafel-Confect aufgenommen hat. Mit Alter Musik habe sie sich erst seit letztem Jahr beschäftigt. Ohne jetzt die ganze Tradition zu erlernen, freue sie sich aber, dass sie diese Tradition beeinflusst.
Es ist wichtig, dass wir nicht wegschauen, sondern gucken: was kann jeder tun, dort wo er ist.
Sendung: "Leporello" am 27. Oktober 2022, ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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