Es ist bereits eine Tradition: Zur Eröffnung der Innsbrucker Festwochen gibt's eine barocke Opern-Wiederentdeckung. Heuer ist es die "L’ Idalma overo Chi dura la vince" – "Idalma, oder Wer durchhält, gewinnt" von Bernardo Pasquini. Der war im 17. Jahrhundert eine musikalische Instanz in Rom. Im Wettsteit gegen Alessandro Scarlatti komponierte Pasqini seine "Idalma" im Römischen Karneval 1680. Der Dirigent und Intendant der Festwochen Alessandro de Marchi hat mit Giovanna Barbati eine Neufassung des seit rund 350 Jahren vergessenen Werkes anhand der Handschrift des Komponisten erstellt.
Bildquelle: Birgit Gufler
Ein adliger Schürzenjäger serviert seine jüngste Eroberung ab, um wieder zu seiner Ex zurückzukehren. Die hat aber bereits seinen besten Freund geheiratet, was den Weiberhelden aber nicht abschreckt. Selbst sein Diener findet, Herr Lindoro sollte lieber bei der schönen Idalma bleiben, die er gerade gegen den Willen ihres Vaters geheiratet hat. Diese Konstellation erinnert nicht zufällig an "Don Juan". Eheliche Treue, unerschütterliche Liebe waren bereits im 17. Jahrhundert ein Lieblingsthema an den italienischen Adelshäusern, und Bernardo Pasquini stand schließlich über vierzig Jahre im Dienste der römischen Familie Borghese.
Die unerschütterlich liebende Idalma und ihre ebenso ehrenhafte Rivalin Irene sind in Pasquinis Commedia per musica die standhaften Heldinnen, die Männer um sie herum dafür umso wankelmütiger. Ihre bauernschlaue Dienerschaft unterstützt die Irrungen und Wirrungen der Paare und amüsiert sich und das Publikum in zahlreichen folkloristischen Nummern. "Idalma, oder wer durchhält gewinnt" entpuppt sich in Innsbruck als eine überraschend abwechslungsreiche und dennoch prunkvolle Barockopern-Ausgrabung.
Bildquelle: Birgit Gufler Alessandro de Marchis gelungene Neufassung von "Idalma" verzichtet auf langatmige musikalische Wiederholungen und punktet stattdessen mit einem Feuerwerk an Affekten. Das unter seiner Leitung munter aufspielende Innsbrucker Festwochenorchester liefert dazu eine unerschöpfliche Vielfalt an Klangfarben, Rhythmen und Tempi. In allen Stimmfächern überzeugen in Innsbruck die spielfreudigen, hochkarätigen Solisten bis in den letzten und längsten Akt des knapp vierstündigen Abends. Vorneweg brilliert Altistin Margherita Maria Sala als Irene, gefolgt von Arianna Vendittelli als hoffnungslos verliebte Idalma und Rupert Charlesworth als Womanizer Lindoro.
Bildquelle: Birgit Gufler Mit Alessandra Premoli haben die Musikerinnen und Musiker noch dazu eine kongeniale Regisseurin gefunden. Eine hervorragende Idee, die gesamte Oper auf zwei zeitlichen Ebenen darzustellen! Wie beim "Wirtshaus im Spessart" hausen Pasquinis Opernfiguren als Geister in einem zu restaurierenden Palazzo. Die Statistenrollen der Bauarbeiter und der Architektin ermöglichen ein unterhaltsames Parallelspiel mit den Solisten, bei dem die historisch gewandeten Opernfiguren mit witzigen Effekten ihr Unwesen treiben dürfen: Da flackern die Lampen zu emotionalen Koloraturausbrüchen, oder entwendete Bierflaschen und zerbrochenes Geschirr stiften Verwirrung auf der Baustelle. Bei den barocken Operngeistern dreht sich zwar alles um Liebe, Ehre, Leben oder Tod, doch das zwinkernde Regie-Auge lässt auch überraschend frechen Texte neben Liebeswohlklang und Rache-Furor zur Geltung kommen. Dieser Pasquini war offensichtlich ein ausgebuffter Theatermensch und weiß bis heute zu berühren und zu unterhalten. Wer hätte gedacht, dass seine "Idalma" so lange durchält und gewinnt?!
Sendung: "Allegro" am 9. Juli 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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