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Kritik – Festkonzert 500 Jahre Bayerisches Staatsorchester Buhs für Söder, Jubel fürs Orchester

In einem Festkonzert feiert die Bayerische Staatsoper ihr Orchester: Vor 500 Jahren gründeten die Wittelsbacher eines der ältesten Ensembles der Welt. Doch während die Geburtstagskinder für Wagner und Strauss bejubelt werden, stößt der prominenteste Gratulant auf Unmut: Markus Söders Videobotschaft wird vom Publikum ausgelacht.

Bildquelle: Wilfried Hösl

Die Kritik anhören

Das ist doch eine nette kleine Geburtstagsüberraschung: Im Programmheft nicht angekündigt, steuert auch Ministerpräsident Markus Söder ein Grußwort bei. Allerdings ist er nicht persönlich erschienen. Sondern er meldet sich per Videobotschaft überlebensgroß von einer Leinwand hinter dem Orchester. Offenbar finden das viele Zuschauerinnen und Zuschauer unangemessen. Oder ist es der Inhalt von Söders Rede, was den hörbaren Unmut weckt? Offenbar will sich der oberste Dienstherr des Staatsorchesters die Gelegenheit nicht entgehen lassen, ein bisschen Wahlkampf zu machen. In Bayern sei man glücklicher als anderswo, hier gebe es Robotik und Supercomputing. Aber auch ein Orchester, das öfter gewinne als der FC Bayern. "Peinlich" ruft ein erboster Zuschauer. Umso größer die Heiterkeit, als der Video-Söder darauf hinweist, dass Genies Unikate sind, Amtsträger und Minister dagegen seien ersetzbar. Das zumindest gefällt dem Publikum.

Klicktipp

Ein ausführliches Dossier zum Thema "500 Jahre Bayerisches Staatsorchester" finden Sie hier.

Teils blamabler Auftritt der Politikprominenz

Allerdings ist es auch die einzige Stelle, an der für Söders Videobotschaft großer Applaus aufbrandet – auch wenn das hier kaum von ihm beabsichtigt sein dürfte. Natürlich muss man an Politiker-Reden zu solchen Gelegenheiten keine unrealistischen Erwartungen stellen. Aber auch was Landtagspräsidentin Ilse Aigner zu sagen hatte, klang selbst für ein pflichtschuldiges Grußwort außergewöhnlich lustlos und unkonzentriert. Kunstminister Markus Blume war wenigstens rhetorisch fit und erntete, anders als sein Chef, die Lacher da, wo er sie beabsichtigt hatte. Aber inhaltlich kam auch nicht viel mehr rüber als ein bisschen pauschaler Mir-san-mir-Stolz.

Und so, wie das Bayerische Reinheitsgebot für die Abteilung Kulinarik von ganz entscheidender Bedeutung war, so wurde die Gründung der Hofkapelle ebenso bedeutsam.
Bayerischer Kunstminister Markus Blume

 Ungelöste Fragen für die Zukunft der Orchesterkultur

Festakt 500 Jahre Bayerisches Staatsorchester | Bildquelle: Wilfried Hösl I. Aigner, S. Dorny, C. Roth, D. Lemp, V. Jurowski, M. Beck-Stegemann, T. Kutschke, M. Blume, S. Ambrosius, G. Gärtner und A. Riepl | Bildquelle: Wilfried Hösl Prost. Ist ja alles auch nicht falsch oder unberechtigt. Nur eben unfassbar dünn und letztlich desinteressiert. Schließlich hat die Orchesterkultur in Deutschland riesige Probleme: aktuell besonders schmerzlich etwa der Publikumsschwund nach Corona. Und da sind ja noch ein paar andere klitzekleine ungelöste Fragen. Wie kriegt man junge Leute in die Oper? Welches Repertoire soll dieses wunderbare Orchester spielen? Kein Wort zu den Herausforderungen der Gegenwart, kein Wort dazu, was passieren muss, damit die nächsten 500 oder auch nur 5 Jahre ebenso erfolgreich werden wie die vergangenen. Angesichts dieses blamablen Auftritts der politischen Verantwortungsträger könnte es einem Angst und Bange werden um das Bayerische Staatsorchester. Aber zum Glück gibt es im Kunstministerium ja wenigstens in den Referaten viele Menschen mit jener kulturpolitischen Leidenschaft, die die CSU-Politprominenz an diesem Vormittag so schmerzlich vermissen lässt. Und zum Glück wird nicht nur geredet, sondern auch gespielt.

Erlebnisreiche und beglückende musikalische Alpenwanderung

Als Hauptwerk gibt es die Alpensinfonie von Richard Strauss, einem der Hausgötter des Bayerischen Staatsorchesters. Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski setzt nicht auf Schmelz und betörenden Wohllaut, sondern auf Prägnanz und Direktheit. Manchmal klingt das Blech etwas unrund. Die schonungslos trockene Akustik des Nationaltheaters ist ja auch nicht besonders schmeichelhaft für symphonische Werke. Umso beeindruckender ist das brillante Gesamtniveau dieses Orchesters. Und was das wichtigste ist: Jurowski gelingt es, dieses riesige Panorama überzeugend zu gliedern. Er nimmt uns mit auf eine erlebnisreiche, schwindelerregende, beglückende Wanderung, die letztlich ein ganzes Leben erzählt. Dafür und für die letzten 500 Jahre gibt es verdientermaßen Standing Ovation.

Sendung: "Allegro" am 9. Januar 2023, ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (15)

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Montag, 16.Januar, 08:56 Uhr

Lekama11@gmx.de

BAYERISCHES Staatsorchester

Den obigen Kommentaren kann ich nur nur zustimmen.
Anmerken möchte ich aber noch, dass viele (nicht nur) Redner meinen, dass Bayerische Starsorchester sei ein Münchner Orchester. In dieser Hinsicht hebt es noch viel zu tun.

Donnerstag, 12.Januar, 20:22 Uhr

Silvia Beyer

Festkonzert - 500 Jahre Bayrisches Staatsorchester

Lange Reden der Politprominenz vor besonderen Aufführungen, egal welcher Gattung, sind meist nervig und wenig wegweisend. Aber bei diesem Konzert-Auftakt war es besonders heftig. Der belustigende Teil hat es auch nicht gerade wettgemacht, sondern gezeigt, daß diese Richtung Kultur unseren Ministern ziemlich egal ist, Hauptsache sie können sich präsentieren,bedauerlicherweise. Nürnberg ist ein Beweis dafür. Als Radiohörer konnte ich schlußendlich ausschalten, das Publikum im Saal mußte geduldig sein. Gut, das wenigstens der Humor nicht verloren ging!
Von diesem Platz, große Gratulation an das BSO
Silvia B

Mittwoch, 11.Januar, 11:15 Uhr

Lotte Chiari

Publikumsschwund in der Oper

Das Nstionaltheater hat ein wunderbares Orchester, dem man so gerne zuhören kann. Aber die Auswahl der Musik in den Akademiekonzerten ist, zumindest merkwürdig. Ohne Beethoven, Schumann, Brahms, Schubert, Mozart, Bruckner usw. meint man auskommen zu können. Reicht das?

Dienstag, 10.Januar, 21:49 Uhr

Gerhard Zickgraf

Grussworte

Vielen Dank für die offenen Worte, die mehr als zutreffend sind. Unsere Betroffenheit war so gross dass wir uns geschämt haben für das fehlende Format der politischen "Spitze". Stolz und glücklich sind wir aber auf das Orchester und seine Musiker. Sie geben uns jeden Abend grosse Freude.

Dienstag, 10.Januar, 09:06 Uhr

Max Bucher

Buhs für Söder

Söders blamabler Auftritt beim 500-jährigen Jubiläum des Bayerischen Staatsorchesters

Dienstag, 10.Januar, 07:06 Uhr

wolfgang stern

Politiker im konzert

Sie schaffen es kaum, ehrlich zur Kultur zu stehen und auch hin und wieder anwesend zu sein. Schade ob der geringen Lernfaehigkeit...

Montag, 09.Januar, 23:04 Uhr

Rabsi

3. Akademiekonzert

.Wunderbare Komposition der nächtlichen Geräusche von Herrn Dean und feinfühlig dirigiert von Herrn Jurowski. Bravissimo

Montag, 09.Januar, 18:02 Uhr

kaduk

laudationes


ja, es wurden wirklich nur seelenlose platitüden und banalitäten verbalisiert!
ach gäbe doch eine reinkarnation des AUGUST everding!!!

Montag, 09.Januar, 15:28 Uhr

Georg S.

Bayern - auch nur noch Provinz?

Das war wirklich ärgerlich und unangemessen. Natürlich schreiben die Politiker ihre Grußworte nicht selbst. Aber dass sogar die Redenschreiber im StWK nicht auf die Expertise im Haus und in der Staatsoper zurückgreifen, um eine entweder fundiert-humorvolle Rede (Ansätz waren ja vorhanden, aber da hätte man viel mehr draus machen müssen) hinzubekommen, wirklich interessante historische Bezüge herauszuarbeiten oder zwei originelle, diskussionswürdige Gedanken beizusteuern, wie die vom Staatsorchester vertretene Kultur auch die heranwachsenden Generationen begeistern kann, ist schon erschreckend schwach. Das war nicht besser als andere Bundesländer auch - geschweige denn Weltklasse. Einen leisen Vorwurf muss man aber auch der Indendanz machen. Es hätte dem Haus nicht schlecht angestanden, für eine(n) "richtige(n)" Festredner:in zu sorgen - Christian Gerharher war im Publikum, hätte also Zeit gehabt, ebenso Klaus Bachler. Befremdlich auch, dass die LH München nicht prominent vertreten war.

Montag, 09.Januar, 11:30 Uhr

Gufo

Lustlos

Was erwartet das geneigte Publikum von Politikern ?Deren Reden und Grußworte sind nur so gut wie ihre Redenschreiber.Wenn diese lustlos sind oder auf Biegen und Brechen witzig sein wollen,dann kann das auch keiner der Protagonisten trotz aller Anstrengungen retten.Nicht jeder ist ein F.J.Strauß oder ein Hermann Höcherl(der mit dem Grundgesetz unter dem Arm ), die zu großer Form aufliefen, wenn sie aus dem Stegreif formulierten.

Montag, 09.Januar, 11:20 Uhr

Niels Braun

Kommentar zu Herrn Neuhoffs Artikel

Sehr geehrter Herr Neuhoff.
statt vom Konzert zu berichten geben
Sie der Kritik an der CSU mehr Raum.
Hier haben wir dann damit Propaganda
gegen die CSU für die Landtagswahl
2023.Tolle journalistische Fehlleistung!
Mit besten Grüßen Ihr Niels Braun aus
21521 Aumühle

Montag, 09.Januar, 10:03 Uhr

Wilfried Schneider

BUHS FÜR SÖDER

Dass sich der Söder nicht in ein Klassik-Konzert traut, ist bei seinem kulturellen Horizont nicht verwunderlich. Ich hoffe allerdings, dass ihm alle Kulturinteressierten die unsägliche Gleichstellung von Theatern, Konzert- und Opernhäusern mir Bordellen bei der Wahl nicht vergessen!

Montag, 09.Januar, 09:06 Uhr

Monika Radowitz-Willenborg, Geretsried

Bernhard Neuhoff, Kommentar zu 500. Jub./ Bayr. St

Einfach wunderbar, Herr Neuhoff, sie sprechen uns aus der Seele. Man kann sich nur fremd für die drei bayrischen "Spitzenpolitiker".

Montag, 09.Januar, 08:08 Uhr

W. Viereck

Schön und gut, dass sich der Artikel so ausführlich mit den gehaltenen Reden befasst - etwas mehr zum musikalischen Programm hätte ich dann aber doch gerne erfahren.

Montag, 09.Januar, 06:30 Uhr

Steffen

Bei Söder sollte man sich fragen...

...ob sein Big-Brother-Auftritt (Orwell, nicht RTL) nicht selbst einer frühen Testphase des "Supercomputings" geschuldet ist.

Wobei - die paar Phrasen, die er regelmäßig ansondert (High-Tech in Lederhosen und der FC Bayern ist eh super), eigentlich schon durch einen Commodore 64 generiert werden konnten.

Wenn "Supercomputing und Robotik" so angewendet werden, wie sich das Klaus Schwab und Yuval Harari vorstellen, dann ist das das Ende jeder organischen Kulturentwicklung und auch die Orchester dürften dann als steinzeitliches Relikt angesehen werden. Kein Wunder also, dass Söder auf Ablehnung der Musikfreunde stößt. Aber das ist ihm wohl auch nur im Wahlkampf nicht egal, in der Coronazeit hat er gezeigt, dass er die Agenden ohne Rücksicht auf Beliebtheit durchdrückt.

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