Saverio Mercadantes "Francesca da Rimini" ist eine absolute Rarität. Fast 200 Jahre nach ihrer Entstehung feiert die Oper nun bei den Tiroler Festspielen Erl Premiere. In seiner Inszenierung setzt Hans Walter Richter auf eine Mischung aus Thriller und psychologischer Studie. So kommt das an.
Bildquelle: © Xiomara Bender/Tiroler Festspiele Erl
Kollegengespräch zur Premiere
Saverio Mercadante, Zentralgestirn der sogenannten "Neapolitanischen Schule", vertonte eine Episode von Dantes "Göttlicher Komödie": Francesca wird aus machttaktischen Gründen dem hässlichen Lanciotto versprochen. Damit sie einwilligt, zeigt man ihr vor der Hochzeit dessen hübschen Bruder Paolo und – man ahnt es – die beiden verlieben sich und müssen am Ende ihr Leben lassen.
"Francesca da Rimini" bei den Tiroler Festspielen Erl | Bildquelle: Xiomara Bender Viele Opernliebhaber kennen und schätzen Riccardo Zandonais 100 Jahre alte Oper über diesen Stoff; Mercadantes Version entstand 1831, wurde jedoch erst 2016 in Italien uraufgeführt. Wahrscheinlich gab es zur geplanten Premiere Sängerkämpfe und das Werk verstaubte erstmal in den Archiven. Wer nun in Erl Mercadantes Stück hört – es schwankt zwischen ausuferndem Belcanto und schon leicht in Richtung Verdi blickenden, düsteren Klanggewalten – der bleibt die ganzen drei Stunden lang am Ball. Weil der Komponist ständig nach zuckersüßem Liebes- und Sehnsuchtsgesang sofort wieder orchestralen Traubenzucker gibt.
Giuliano Carella am Pult des Tiroler Festspielorchesters macht seine Sache glänzend und wird zum Anwalt des Stücks in mehrfacher Hinsicht. Er versucht, uns mit Macht davon zu überzeugen, dass die Klangmassen in ihrer Massierung schon so sein müssen. Man hört tatsächlich gerne zu, fragt sich jedoch immer wieder, warum es für die eher knappe Handlung rund drei Stunden Musik braucht. Dramaturgisch bleiben hier ein paar Fragezeichen, vor allem der zweite von zwei Akten dehnt sich, gerade als es ans Sterben der Protagonisten wie des Stücks geht, doch arg.
Die Mezzosopranistin Karolina Makuła als Paolo | Bildquelle: Xiomara Bender Hans Walter Richter setzt in seiner Inszenierung auf eine Mischung aus Thriller und psychologischer Studie, mit einigen intensiven Momenten, aber auch viel Stillstand und eher dekorativen Ideen wie tanzenden Doubles. Bühnenbildner Johannes Leiacker hat einen vorwiegend schwarz-weiß gehaltenen Raum geschaffen, hinten schneit es mal, dann wieder wabert Nebel – eine solide Gothic Novel. Die Mezzosopranistin Karolina Makuła ist als Paolo, eine Hosenrolle, fabelhaft, Theo Lebows Lanciotto braucht ein wenig tenorale Vorglühzeit, um dann zu berühren und ob seiner szenischen Bösartigkeit zu verstören. Anna Nekhames, seit kurzem Ensemblemitglied in Frankfurt, wirkt in der Titelpartie allerdings etwas überfordert. Ihr charmant soubrettiges Melos passt nicht recht zur großen leidenden Titelfigur, hinzu kommen Intonationsprobleme.
Die Musikgeschichte muss mit der Wiederentdeckung dieser "Francesca da Rimini" freilich nicht umgeschrieben werden, aber für Trüffelsucher ist der Besuch ein Muss. Im Januar gibt es noch zweimal in Erl die Möglichkeit, das Stück zu sehen, ab Ende Februar dann in Frankfurt.
Sendung: "Allegro" am 29. Dezember 2022 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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