Ralph Benatzkys Revue-Operette "Im weißen Rößl" ist nicht nur ein unverwüstliches Schlachtross des Theaterrepertoires, sondern auch eine Satire auf den Tourismus und die Hassliebe von Deutschen und Österreichern. Jetzt wirft der deutsche Regisseur Jan Philipp Gloger einen aktuellen Blick hinter die Kulissen des österreichischen Fremdenverkehrs. Und das ausgerechnet an der Wiener Volksoper ...
Bildquelle: Barbara Pálffy/Volksoper Wien
Am Ende verkauft die Rößl-Wirtin ihr gleichnamiges Hotel am Wolfgangsee. Nicht nur die harten Arbeitsbedingungen in der Gastronomie und die Verlogenheit dieses Geschäfts hat sie satt, auch dass sie den Touristen immer eine Rolle vorspielen muss: die der stets gut gelaunten Salzkammergut-Ikone im Dirndl und im Dialekt. Den hat sie sich nämlich genauso anlernen müssen wie ihre Darstellerin Annette Dasch.
Bildquelle: Barbara Pálffy/Volksoper Wien Bis es soweit kommt, hat Regisseur Jan Philipp Gloger Ralph Benatzkys ironisches Revue-Spektakel gründlich dekonstruiert, erst sanft durch totale Aktualisierung, dann durch V-Effekte wie die falsche Wirtin und den falschen Kaiser. Denn auch der ist Fake wie die Kaiser-Figur, die der Kabarettist Robert Pallfrader jahrelang im österreichischen Fernsehen in der Sendung "Wir sind Kaiser" gespielt hat. In der Operette will er das dann aber nicht mehr und bringt damit eine Meta-Ebene ins Spiel, die in einem tourismuskritischen Text von Hans Magnus Enzensberger kulminiert. Die schöne Rößl-Fassade verschwindet im Schnürboden und auf der Bühne gähnt schwarze Leere. Dass es dann trotzdem zum Happy-End der dreifachen Verpartnerung kommt, ist ein schwacher Trost. Da hat die Didaktik den Unterhaltungswert längst erschlagen. Es ist wie bei Salzburger Nockerln, die in sich zusammenfallen, weil man den Ofen zu oft geöffnet hat.
Dabei waren es Zutaten vom Feinsten, die hier aufgeboten waren, klangvolle Namen wie Annette Dasch. Sie spielt ihre Rolle als Wirtin überzeugend, auch Jakob Semotan tut das als Leopold, nur zusammen spielen sie nicht. Dass sie am Ende ein Paar werden, ist fast schon überraschend. Auch Nadja Mchantaf als Ottilie und David Kerber als Siedler tun sich schwer, besonders wenn sie mit Opernstimme "Die ganze Welt ist himmelblau" als Karaoke-Nummer singen. Überzeugender sind da Oliver Liebl als schöner Sigismund mit Gleitschirmauftritt sowie 200.000 Instagramm-Followern und seine Klara Julia Edtmeier, die statt zu lispeln schwäbelt. Schließlich ist ihr Papa Harald Schmidt, der seinen sparsamen Professor Hinzelmann im Heimatdialekt spielt. Das ist immerhin authentisch. Noch authentischer ist freilich Götz Schubert, dessen Berliner Trikotagenfabrikant Wilhelm Giesecke der Inszenierung jene satirische Treffsicherheit verleiht, die ihr sonst fehlt.
Bildquelle: Barbara Pálffy/Volksoper Wien Denn bereits bei der Berliner Uraufführung 1930 war "Im Weißen Rößl" eine Parodie auf den Fremdenverkehr – mit großen Revueszenen, in denen zur Jazzband gejodelt wurde. Erst in den 1950er-Jahren wurde daraus jenes Tourismus-Idyll, das man von der Verfilmung mit Peter Alexander kennt und das die Volksoper so entschieden entzaubern will. Dennoch spielt man hier die erst vor Jahren aufgetauchte Urfassung, deren Berliner 30er-Jahre-Sound Michael Brandstätter gekonnt zum Swingen bringt, nur dass die dazu gehörigen großen Tanzszenen ausbleiben. Choreograph Florian Hurler hat dafür nämlich nur einen schmalen Streifen an der Rampe zur Verfügung, den Rest der Bühne hat Christoph Hetzer mit einer schäbigen Hotelfassade verbaut, die sich immer wieder öffnet und zum Teil witzige Einblicke in die Zimmer bietet. Aber wenn nicht einmal die Fassade stimmt, können auch die vielen gelungenen Szenen nicht funktionieren. Es fehlen Charme und Leichtigkeit, mit denen so ein Operetten-Soufflee serviert werden muss. Gut, dass dieses Rößl am Ende verkauft wird.
Sendung: "Allegro" am 9. Dezember 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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