Wunderbare Musik und alte Witze: Wer Jaques Offenbachs "Schöne Helena" auf die Bühne bringt, muss die Operette ans Heute anpassen. Regisseur Dirk Girschik ist das am Landestheater Niederbayern gelungen. Mit kleinen Abstrichen.
Bildquelle: Peter Litvai – Landestheater Niederbayern
Humor welkt bekanntlich schneller als Klatschmohn, und alte Witze sind entweder fade oder sogar ärgerlich, je nachdem, ob sie nur aus der Mode gefallen sind oder sogar aus der politischen Moral. Das wurde Jacques Offenbach schon zu Lebzeiten zum Verhängnis: Seine Gesellschaftssatiren waren erst schwer angesagt, dann verpönt, denn Frankreich wandelte sich 1870 nach dem verlorenen Krieg gegen Preußen notgedrungen vom Kaiserreich zur Republik. Fortan galten neue Maßstäbe, gerade auch für den Humor. Und das Frauenbild von Offenbach ist aus heutiger Sicht natürlich erst recht völlig veraltet.
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Hatte am 28. September 2024 Premiere in Passau: "Die schöne Helena" von Jacques Offenbach | Bildquelle: Peter Litvai – Landestheater Niederbayern Ein Regisseur, der sich die "Schöne Helena" von 1864 vornimmt, muss also Schwerstarbeit leisten, um die Operette nicht so antik aussehen zu lassen, wie es ihr Stoff nahelegt. Die nach wie vor schwungvolle und frische Musik allerdings, die ist diese Anstrengung allemal wert. Dirk Girschik stemmte sie am Landestheater Niederbayern und umschiffte im wahrsten Sinne des Wortes die allermeisten Klippen. Sein Trick: Es wurde mehr oder sogar ausschließlich über die Männer gelacht, als über die Untreue der Frauen, über den Narzissmus Helenas und die erotischen Machenschaften von Venus. Dass dabei ein paar Dildos herhalten mussten, dekorative Unterwäsche präsentiert wurde und reichlich rosarote Gummi-Flamingos im Einsatz waren, zeigt schon, dass Offenbach auch derberen Klamauk verträgt.
Ja, das war optisch stellenweise klamottig, aber stets mit Augenzwinkern, also gerade nicht muffig und zäh. Und weil Dirigent Basil H.E. Coleman bei dem Spaß mitmachte und Offenbach mit ein paar Takten aus Carl Orffs "Carmina Burana" und Richard Wagners "Lohengrin" würzte, hatte der Abend durchaus satirischen Biss. Zwar ist die "Schöne Helena" auch deutlich gesellschaftskritischer vorstellbar, doch die äußeren Mittel im Landestheater Niederbayern sind begrenzt. Die Erwartungshaltung des Publikums völlig zu unterlaufen, wäre vermutlich auch keine gute Idee gewesen. Also kommen die griechischen Helden als tumbe, mit Tattoos übersäte Muskelkerle herein und machen mürrische Mienen im Konfettiregen.
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"Für Opfer geöffnet" steht im Hintergrund geschrieben. Das Bühnenbild stammt von Katja Salzbrenner. | Bildquelle: Peter Litvai – Landestheater Niederbayern
Ausstatterin Katja Salzbrenner hatte einen antiken Opferaltar entworfen, mit kleiner Showtreppe und, ganz wichtig, Flügeltür für staatstragende Auftritte, schließlich geht es hier um die Vorgeschichte des Trojanischen Krieges und die schrulligen Allüren der griechischen Könige. Einmal mehr wurde deutlich: Nicht-Muttersprachler haben es schwer in temporeichen Operetten, wo es auf Timing und Situationskomik ankommt.
Sarah-Lena Winterberg in der Titelrolle begann stimmlich wie schauspielerisch fast schüchtern, steigerte sich jedoch. Edward Leach als Paris machte seine Sache gut, war als Engländer mit der Parodie eines Franzosen vor deutschem Publikum aber überfordert. Peter Tilch als Agamemnon war mit seiner Bühnenerfahrung natürlich sattelfest in der komödiantischen Rolle des begriffsstutzigen Übervaters. Weilian Wang als eifersüchtiger Menelaos musste sich schon sehr anstrengen, ein glaubwürdiger alter Zausel zu sein.
Bei solch groß besetzten Operetten muss das Landestheater Niederbayern logischerweise bei den Nebenrollen Abstriche machen. Insgesamt gleichwohl ein unterhaltsamer Schabernack auf der Höhe der Zeit. Französisch mit niederbayerischem Einschlag sozusagen und Lacher im weiten Feld zwischen Paris und Passau. Ob das sein persönliches Niveau ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Sendung: "Allegro" am 30. September ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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