In Sachen Verdi gilt Riccardo Muti nach wie vor als unangefochtene Autorität. Das hat der mittlerweile 82-jährige Dirigent bei den Salzburger Festspielen erneut unter Beweis gestellt. Und auch mit Bruckner konnte der Italiener am Pult der Wiener Philharmoniker überzeugen.
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Mit den zwei großen Verdi-Premieren der diesjährigen Salzburger Festspiele wurde man bisher nur bedingt glücklich. Umso größer daher nun der Erwartungsdruck auf einem Matinee-Konzert der Wiener Philharmoniker, das bereits wenige Stunden nach dem heftig angefeindeten "Falstaff" erneut mit Musik des Meisters aus Busseto zu erleben war.
Riccardo Muti und die Wiener Philharmoniker waren 2023 insgesamt drei Mal mit diesem Konzertprogramm bei den Salzburger Festspielen zu erleben. Das Konzert am 15. August übertrug BR-KLASSIK live im Radio. Sie können das Konzert hier noch bis 30 Tage nach der Ausstrahlung anhören.
Von Katerstimmung war im restlos ausverkauften Großen Festspielhaus zum Glück aber kaum etwas zu spüren. Was nicht zuletzt damit zusammenhängen mochte, dass am Pult des Luxus-Klangkörpers mit Riccardo Muti ein Mann stand, der in Sachen Verdi nach wie vor als unangefochtene Autorität gelten darf. Und diese über die Jahrzehnte gereifte Vertrautheit Mutis vermittelte sich auch in den beiden Ausschnitten aus den "Quattro pezzi sacri" überdeutlich.
Serafina Starke (Sopran), Wiener Philharmoniker, Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor | Bildquelle: SF/Marco Borrelli Der mittlerweile 82-jährige Dirigent näherte sich schon dem machtvollen "Stabat Mater" mit einer großen inneren Ruhe, die der Komposition – wo immer es möglich war – die opernhaften Züge bewusst austrieb, die Giuseppe Verdis Sakralwerken gern mal attestiert werden. Denn anders als das effektvolle "Requiem", das sich von diesem Vorwurf nicht durchwegs freisprechen lässt, sind die "Quattro pezzi sacri" von anderem Zuschnitt. Und in ihrer komplexen Ausgestaltung alles andere als einfach zu singen. Das war selbst einer erfahrenen Formation wie der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor durchaus anzuhören, die ab und zu kurz ins Schwimmen geriet, von Riccardo Muti aber mit sicherer Hand und dem immer wieder zum Pianissimo mahnenden Zeigefinger an den Lippen meist schnell wieder auf Kurs gebracht wurde. Zu beobachten etwa im wunderbar weich intonierten "Amen" des "Stabat Mater" oder im Finale des "Te Deum", wo Solistin Serafina Starke ihren klar geführten Sopran nach all den imposanten Klangentladungen des Chores plötzlich sanft in den Raum hinaus schweben lassen durfte und damit einen bewegenden Schlusspunkt setzte.
Ähnlich kontrastreich ebenfalls Mutis Herangehensweise nach der Pause, wo mit Anton Bruckner ein Komponist auf dem Programm stand, dessen weithin bekannte Spiritualität Interpreten oft und gern dazu verführt, das Weihrauchfass über seinen Partituren zu schwenken.
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Ein Zugriff, den der Dirigent zu vermeiden wusste und Bruckners siebte Sinfonie mehr in irdischen Sphären verortete. Dynamisch überaus flexibel gestaltet und bestimmt von einer großen Klarheit, die innerhalb der einzelnen Sätze immer wieder Steigerungspotenzial ließ. Eindrucksvoll demonstriert im behutsam anschwellenden Adagio oder im kontrolliert dahintaumelnden Scherzo, wo der streng dreinblickende Muti die Wiener Philharmoniker ebenfalls an straffen Zügeln hielt, sich am Ende aber auch mit einem zufriedenen Lächeln bei ihnen bedankte.
Eine packende Interpretation, getragen von gegenseitiger Wertschätzung, bei der nicht nur das Orchester dem Mann am Pult bedingungslos auf seinem Weg folgte, sondern auch der akribisch bastelnde Klangfanatiker Muti einzelne Gruppen immer wieder mit viel Liebe zum Detail in den Fokus rückte. In erster Linie natürlich die mit Recht selbstbewussten Blechbläser, die hier gewohnt kraftvoll reüssierten, dabei jedoch nie die Grenze zum Brutalen überschritten. Sicher getragen von den noblen Streichen, die ihren Kollegen bei dieser gelungenen Gratwanderung zwischen italienischer und österreichischer Tradition einen fein gewobenen Roten Teppich ausrollten. Am Ende verdienter Jubel für Riccardo Muti, sowohl von Seiten des Publikums als auch von den Wiener Philharmonikern, die damit einem Dirigenten Respekt zollten, der eben nicht nur durch autoritäre Gesten überzeugt, sondern stets das Gefühl vermittelt, mit seinen Musikerinnen und Musikern als Primus inter pares auf Augenhöhe zu agieren.
Sendung: "Allegro" am 14. August 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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