So war dieses Werk in Deutschland noch nie zu sehen: Georges Bizets Grand Opera über den herrischen russischen Zaren Ivan IV. aus dem 16. Jahrhundert fehlte bei den wenigen szenischen Aufführungen bisher stets der fünfte Akt. Wie sehr erinnert dieses blutige historische Machtspiel, das jetzt am Staatstheater Meinigen Premiere hatte, an Putin?
Bildquelle: Christina Iberl
So schrecklich wie es sein deutscher Beiname nahelegt, soll Ivan IV. gar nicht gewesen sein. Die Russen jedenfalls halten ihn für eine Heldenfigur, eine irgendwie bedrohliche zwar, aber das gilt ja auch für die beiden anderen angeblichen Vorbilder von Wladimir Putin: Zar Peter I. und Katharina die Große.
Mercedes Arcuri als Marie und Tomasz Wija als Ivan | Bildquelle: Christina Iberl Klar, ohne ein Wort zum ersten Jahrestag des Angriffs auf die Ukraine kann so eine Oper nicht zur Aufführung kommen. Deshalb begann der Abend mit einer Schweigeminute für die Opfer des Krieges. Und er endete mit den hell beleuchteten Farben der Ukraine, blau und gelb. Ansonsten allerdings hat sich Regisseur Hinrich Horstkotte gehütet, diese ausgesprochen selten gespielte Bizet-Oper irgendwie optisch zu aktualisieren. Der Zar sieht eher aus wie der Ivan im berühmten Film von Sergej Eisenstein aus dem Jahr 1944, mit wirren, halblangen Haaren und einem stets diabolischen Blick. So furchteinflößend und herrisch wirkte die Titelfigur damals, dass der Film mit dem Stalinpreis Erster Klasse prämiert wurde. Wirklich respektgebietend hat den Zaren auch Georges Bizet musikalisch gezeichnet: Da ist für Poesie wenig Raum.
Grand opéra in fünf Akten von Georges Bizet, Dichtung von François-Hippolyte Leroy und Henri Trianon
Deutsche szenische Erstaufführung der fünfaktigen Fassung'
Regie, Bühne, Kostüme: Hinrich Horstkotte
Musikalische Leitung: Philippe Bach
Dramaturgie: Julia Terwald
Alle Infos und Termine auf der Webseite des Staatstheaters.
Zuständig für Regie, Bühne, Kostüme: Hinrich Horstkotte | Bildquelle: Christina Iberl Diese Grand Opera, deren fünfter Akt mühsam rekonstruiert wurde, weil sie nie fertig komponiert wurde, hat so gar nichts von Bizets populärer "Carmen". Erstens gibt es keinerlei russische Folklore, zweitens spielt Liebe eine völlig untergeordnete Rolle, drittens gibt es weder Ballett noch ausgelassene Feste. Über diesem Russland lastet die absolute Macht mit ihrer ständig drohenden Totenglocke, muss jederzeit mit Gemetzeln gerechnet werden. Das zeigt Hinrich Horstkotte als sein eigener Ausstatter eindrucksvoll. Er entwarf eine Art schwarzes Verlies, in das ab und zu von außen das Licht zügelnder Flammen hineinscheint. Kolonnaden symbolisieren stete Gefahr: Hinter jeder einzelnen Säule könnte ein Meuchelmörder lauern. Das alles macht was her, wie auch der riesige Tisch, der natürlich schon an Putins berüchtigtes Möbelstück erinnert.
Volkstümlich wird dieser Bizet nicht werden, dazu ist das alles zu sehr Haupt- und Staatsaktion. Der Kaukasus spielt als exotische russische Sehnsuchtslandschaft eine Rolle, der Zar will alles: Die Macht, die Schönheit, den Reichtum, die Verheißung. Er will angebetet werden und ist doch eine kranke, ehrsüchtige Elendsgestalt, die sich mit intriganten Höflingen umgibt und daran zugrunde geht. Im fünften Akt allerdings, der am Staatstheater Meiningen jetzt erstmals hierzulande zu sehen war, läutert sich Ivan – ein wenig.
Tomasz Wija als Ivan IV. am Staatstheater Meiningen | Bildquelle: Christina Iberl Dirigent Philippe Bach meistert diesen opulenten XXL-Sound wunderbar, lässt sich nie verführen, die Solisten zu überdecken und mit dem enorm beanspruchten Chor klanglich abzuheben. Klar, in einer Grand Opera muss es krachen und wüten, ist Feuer und Wasser gefragt, da gilt die Parole viel hilft viel. Und Bizet geizte nicht mit Effekten, bleibt manchmal jedoch arg plakativ. Einzelne Sänger herauszuheben wäre in diesem Fall unfair: Sie alle zeigten großes Format, waren stimmlich hervorragend und schauspielerisch in dieser eher staatstragenden Handlung nicht über Gebühr gefordert. Hoffentlich wird dieser Ivan ein regelmäßiger Gast auf Opernbühnen – eigentlich ist er nur schrecklich einsam.
Sendung: "Piazza" am 25. Februar 2023 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Dienstag, 28.Februar, 10:00 Uhr
Ivan der Fünfte
Niveau der sog. Kritik
Das ist aber jetzt nicht Euer Ernst, diese platte Inhaltsangabe als Kritik zu verkaufen. Wo ist nur Euer Anspruch, Euer Niveau? Nicht einmal die Interpreten werden genannt, stattdessen nur pauschal mit ein, zwei Adjektiven abgetan. Ihr wendet viel dafür auf, so eine Kritik zu bekommen, schickt extra jemanden nach Meiningen - und dann kommt so eine Nullnummer heraus, die man auch nach der Lektüre des Wikipedia-Artikels der Oper und der Ansicht von drei Fotos schreiben könnte? Es passt leider in den Niedergang der Musikkritik beim BR, die ihr hier seit einiger Zeit präsentiert. Ändert das.
Samstag, 25.Februar, 17:36 Uhr
Opernfreund
Und was ist mit der Musik?
Schade, eine weitere ermüdende Kritik / Imhalzsangabe einer Oper auf BR-Klassik, in der Musik und die musikalische Interpretation derselben nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Wie ist die Rekonstruktion des 5. Aktes gelungen, fügt sich diese musikalisch ohne Bruch zu den vier Original-Akten, diese und viele weitere essentielle Fragen bleiben leider unbeantwortet.
Vielleicht sollte Herr Jungblut sich auf das Schreiben von Theaterkritiken verlegen, und der BR musikalisch bewanderte Kritiker mit der Rezension von musikalischen Ereignissen betrauen . . .