Nicht wenige Wagner-Fans hadern mit experimentellen Regie-Konzepten und fremdeln mit Festspielchefin Katharina Wagner. Hinter den Kulissen der Bayreuther Festspiele brodeln Konflikte unter den Gesellschaftern und prominenten Künstlern wie Christian Thielemann. Sponsoren fürchten ein rückläufiges Spendenaufkommen.
Bildquelle: Enrico Nawrath
Bayreuth
Streit um die Zukunft der Festspiele
Das hatte doch manchen überrascht, dass die Bayreuther Festspiele in diesem Jahr die Frist zur Kartenbestellung verlängerten. Normalerweise ist der Andrang doch gewaltig, hat das Interesse aus aller Welt etwa nachgelassen? Nein, sagt Katharina Wagner dem BR, das habe ausschließlich technische Gründe gehabt. Die Festspiele hätten einige treue Fans zunächst per Mail nicht erreicht und zur Sicherheit noch mal nachgehakt. Prompt hätten sich viele doch noch gemeldet. Wie in den Jahren zuvor seien die Vorstellungen "mehrfach überbucht", so die Festspielleiterin, sogar der umstrittene "Ring des Nibelungen", der ja bekanntlich vier Teile hat und entsprechend teuer ist.
Um auch jüngeren Zuschauern den Besuch zu ermöglichen, wird übrigens auf dem Grünen Hügel darüber nachgedacht, ob künftig auch einzelne Teile separat verkauft werden können. "Der Kartenverkauf läuft gut", sagt Katharina Wagner, und verweist darauf, dass der Online-Vertrieb noch nicht mal begonnen hat. Was ihr besonders viel Freude macht: Der bei den Kritikern wohl gelittene "Tannhäuser" in der Regie von Tobias Kratzer ist besonders gefragt, nach Auffassung von Wagner nicht zuletzt, weil mit der Französin Nathalie Stutzmann eine Dirigentin im Orchestergraben steht, auf die das Publikum neugierig sei.
Allerdings teilt nicht jeder Wagner-Fan die Begeisterung der Festspielleiterin über den diesjährigen Spielplan. Vor allem der "Ring des Nibelungen" empörte viele konservative Musikfreunde, auch die Kritiker verrissen die Produktion bei der Premiere im vergangenen Jahr als unentschlossen, fahrig, musikalisch holprig und optisch fragwürdig. Der Chef des Freundeskreises der Festspiele, Georg von Waldenfels, und nicht nur er, gilt außerdem als erklärter Fan des begnadeten Wagner-Dirigenten Christian Thielemann, der früher mal Musikdirektor auf dem Grünen Hügel war und dort jetzt kaum noch gefragt ist.
Wagners "Parsifal" durch eine Augmented-Reality-Brille in die Welt der Videospiele rücken: So wird die Oper 2023 in Bayreuth inszeniert. | Bildquelle: Bayreuther Festspiele Dass weder Thielemann noch von Waldenfels mit Katharina Wagner besonders gut auskommen, ist kein Geheimnis. Den privaten Sponsoren der Festspiele wird ein konservativer Musikgeschmack nachgesagt, auch ein Faible für konventionelle Inszenierungen. Katharina Wagner dagegen setzt auf Innovation: In diesem Jahr kommt ein neuer "Parsifal" heraus, bei dem Teile des Publikums Augmented-Reality-Brillen tragen werden, um digitale Effekte sehen zu können. Das fanden einige Hügel-Fans sehr irritierend. Das Geld reichte denn auch nur für 300 Brillen, so dass die meisten Zuschauer darauf verzichten müssen.
Georg von Waldenfels dementierte gegenüber dem BR allerdings die Meldung, wonach sein Verein "voraussichtlich" die Zuwendungen für die Festspiele kürzen wolle, die Rede war von einer Million Euro jährlich weniger. Tatsächlich hänge das Volumen vom Spendenaufkommen der Gesellschaft der Freunde ab. Noch sei es ungebrochen, aber wie es in diesem Jahr konkret aussehe, werde man erst im Sommer beurteilen können. Er müsse halt mit "festen Zusagen vorsichtig sein". Bisher zahlen die Sponsoren 5,4 Millionen Euro jährlich in den Bayreuther Gesamt-Etat von 32 Millionen Euro. Gerüchteweise ist zu erfahren, dass gerade die finanziell potenten Gönner mit einigen Produktionen unter Katharina Wagners Leitung doch sehr hadern. Einen leichten Stand hatte die Festspielleiterin in diesen Kreisen nie, seit sie auf dem Hügel ihr Regie-Debüt mit den "Meistersingern von Nürnberg" gab.
Da muss Bayern eine ganz entscheidende Rolle spielen.
Es brodelt wieder auf dem grünen Hügel. Wie geht es weiter bei den Bayreuther Festspielen? | Bildquelle: picture-alliance/dpa Kulturstaatsministerin Claudia Roth äußerte sich schriftlich gegenüber dem BR. In ihrer Stellungnahme heißt es: "Wenn die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth bei der Finanzierung deutlich weniger beisteuern kann, dann müssen jetzt alle, die Teil dieses ganzen Komplexes sind, zusammen handeln. Das kann nicht nur der Bund, sondern da muss Bayern eine ganz entscheidende Rolle spielen." Dazu habe sie schon Gespräche geführt, so Roth. Dahinter steht ein massiver Konflikt um die vier Gesellschafter der Festspiele-GmbH, darunter neben dem Bund, dem Freistaat Bayern und den erwähnten Freunden der Festspiele auch die Stadt Bayreuth. Katharina Wagner fordert dringend Strukturveränderungen, weil sie den Eindruck hat, dass die Gesellschafter zu oft nicht an einem Strang ziehen und ihr damit bisweilen das Leben unnötig schwermachen. Außerdem hätten die Festspiele nicht mal eine Abteilung für Sponsoring und Marketing, das müsse sich ändern. "Das meine ich sehr ernst", so Wagner zum BR: Sie mache Verhandlungen über ihre Vertragsverlängerung von einer Modernisierung der Organisation abhängig. Darüber habe sie mit "einigen Gesellschaftern" auch schon zielführende Gespräche geführt. Ihre eigene Zukunft als Hügelchefin werde zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr Thema sein.
Bayerns Kunstminister Markus Blume bestätigte indirekt das Tauziehen unter den Gesellschaftern. Er sagte dem BR: "Ich kann nachvollziehen, dass momentan jeder versucht, seine Kräfte zu messen und zu überlegen, wie nachhaltiges Engagement ausschaut." Der Freistaat sei sich seiner Rolle sehr bewusst und werde gemeinsam mit dem Bund überlegen, ob er finanziell einspringen könne, wenn "an anderer Stelle etwas wegfallen sollte". Für ihn sei klar, dass bei Bayreuth "nicht gewackelt werden" dürfe. Über die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth sagte der Minister, dort gebe es augenscheinlich nicht mehr "die letzte Sicherheit", ob es bei der jetzigen Höhe der Zuwendungen bleiben könne: "Ich sehe das so, dass wohl gewarnt wird, dass es offenbar Schwierigkeiten gibt, so wie in der Vergangenheit große Geldbeträge einzuwerben."
Allem Anschein nach ist Katharina Wagner sehr geneigt, weiterhin die Geschicke des Hügels zu bestimmen. Die Satzung der Wagner-Stiftung stärkt ihr dabei den Rücken. Dort ist festgelegt, dass "grundsätzlich" ein Mitglied der Familie Wagner mit der Leitung der Festspiele beauftragt werden soll, nur "wenn andere, besser geeignete Bewerber" zur Verfügung stehen, soll das nicht gelten. Das lässt viel Interpretations-Spielraum. Wie auch immer: In Bayreuth reden derzeit eindeutig zu viele Instanzen mit, die sich untereinander nicht in allen Punkten "grün" sind und wohl auch unterschiedliche Wünsche haben. Dass zerstrittene Künstler diese Konflikte eher verkomplizieren, macht die Sache nicht einfacher. Und noch etwas kommt dazu: Ambitionierte Wagner-Premieren gibt es inzwischen landauf, landab. Bayreuth muss hart darum kämpfen, sein Profil zu behaupten, denn die Sänger, die dort auf der Bühne stehen, sind auch anderswo im Einsatz. Die Liste der geeigneten Heldentenöre und hochdramatischen Soprane ist kurz und wird eher noch kürzer.
Claudia Roth hatte "sehr viel Reformbedarf" bei den Festspielen angemahnt und mehr Diversität gefordert. Ob Katharina Wagner weitermachen soll, dazu äußerte sich die Staatsministerin nicht, verwies aber darauf, es gebe keine "rituelle Pflicht", immer ein Wagner-Familienmitglied mit der Festspielleitung zu betrauen. Ihre Entscheidung wird Claudia Roth wohl davon abhängig machen, ob Katharina Wagner ihrer Meinung nach in der Lage ist, die Festspiele innovativ zu machen, was sie derzeit aus den genannten Gründen eher nicht sind. Sollte aber zum Beispiel der nächste "Ring des Nibelungen" zum 150. Jubiläum der Uraufführung 2026 abermals, wie jetzt der "Parsifal", in irgendeiner Weise mit digitaler Technik aufgerüstet werden, dürfte die Debatte über Modernität und Tradition umso heftiger ausbrechen. Die Erwartungen des Publikums gehen da weit auseinander.
Katharina Wagner wird übrigens weiterhin auch außerhalb von Bayreuth inszenieren: Als nächstes stehen der "Lohengrin" in Barcelona und der "Parsifal" im lettischen Riga an, mit Tokio gibt es Gespräche.
Kommentare (4)
Donnerstag, 23.Februar, 20:19 Uhr
richard
Bayreuther Festspiele
Leider sind die Festspiele nichts Besonderes mehr. Wurdem einem früher Retouren aus den Händen gerissen, bekommt man sie heute kaum noch los. Das "Regietheater" (was fällt irgendeinem Regisseur zu irgendeinem Stück irgenwie ein) geht dem Publikum immer mehr schon zuhause auf die Nerven, da muss man nicht extra noch nach Bayreuth fahren.
Donnerstag, 23.Februar, 11:31 Uhr
Gufo
Wagner
Gerade die staatlichen Subventionen sind es,die das Bild verzerren und dem Regietheater jedweden Kokolores erlauben.Macht es wie in Italien und streicht weitgehend die staatlichen Zuschüsse und überlasst die Finanzierung allein privaten Förderern und dem Publikum. Dann wird sich zeigen,wohin die Reise gehen soll. Doch dieses Wagnis traut sich niemand. Aus Angst vor dem Ergebnis ?
Donnerstag, 23.Februar, 07:42 Uhr
Trappe
Quo vadis?
Der große Prof. Wapnewski hatte bereits damals gesagt, Katharina Wagner müsse erst einmal erwachsen werden, wenn sie denn je erwachsen werden würde. Welch zutreffende Einschätzung zu Katharina, die weder als Regisseurin, noch als künstlerische Leiterin noch als Geschäftsführerin in jeder Beziehung eine gute Figur abzugeben vermag. Welch vertane Möglichkeiten, wenn man an eine Lösung um Nike oder Mortier denkt, bedauerlich und entbehrt nicht einer gewissen Tragik.
Mittwoch, 22.Februar, 19:53 Uhr
Rüdiger
Jungblut erträgt die Wahrheit nicht
Werden in Bayreuth die Werke Richard Wagners in der Ära Katharinas etwa nicht in beispielloser Weise verhunzt? Beispiele hier bringen, wäre wirklich Eulen nach Athen tragen.
Und das einzige Problem, das Bayreuth hat, das anderswo auch so super inszeniert wird, weshalb die Sänger nicht kommen können. Wie verlogen kann man sein?
(Dieser Kommentar wird gemäß Kommentar-Richtlinien nur in Teilen veröffentlicht. Anm.d. Redaktion)