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Kritische Edition der Briefe Richard Wagners Droht das Aus für das Forschungsprojekt?

Fast 10.000 Briefe hat Richard Wagner hinterlassen. Diese werden seit den 1960er-Jahren wissenschaftlich ediert. Nun läuft die jüngste Förderung für das Projekt aus. Damit droht dem Forschungsprojekt das Aus. Eine Petition soll nun helfen.

Büste | Bildquelle: BR/Kristina Kreutzer

Bildquelle: BR/Kristina Kreutzer

"Vollendet das ewige Werk", so dichtet Richard Wagner über die Burg Walhall in seiner Oper "Das Rheingold". Nicht vollendet hingegen ist die 32-bändige kritische Ausgabe der etwa 10.000 Briefe, die der gebürtige Leipziger im Laufe seines Lebens geschrieben hat. 27 Bände haben die Forscherinnen und Forscher mühsam überprüft, quergelesen und ediert. Für die Erforschung und historische Aufarbeitung des umstrittenen Künstlers sind die Briefe ein wichtiger Bestandteil, deswegen werden sie seit den 1960er-Jahren von einer wissenschaftlichen Arbeitsstelle herausgegeben. Doch jetzt droht dem jahrzehntelangen Forschungsprojekt das Aus. Nur fünf Bände vor dem Abschluss. Es geht mal wieder ums Geld, nach zwölf Jahren ist die jüngste Förderung abgelaufen.

Ob Wagner-Fan oder nicht: die Briefe haben gesellschaftliche Relevanz

Museumsleiter Sven Friedrich | Bildquelle: Kristina Kreutzer Sven Friedrich leitet das Richard-Wagner-Museum und Archiv in Bayreuth. | Bildquelle: Kristina Kreutzer Sven Friedrich leitet das Richard-Wagner-Museum und Archiv in Bayreuth. Der Öffentlichkeit und den Geldgebern möchte er klarmachen, "dass das nicht irgendwie eine Spinnerei von zwei, drei Philologen, die sich Arbeit suchen, ist, sondern es gibt eben an dieser Ausgabe und deren Vollendung ein massives öffentliches Interesse". Für ihn ist die Dokumentation von Kulturgeschichte in einer Gesellschaft im Umbruch unverzichtbar. "Und das ist jetzt völlig egal, ob man jetzt ein Wagner-Fan ist oder nicht, Wagner ist natürlich in seinen Wirkungen, die ja vielschichtig, vielfältig und auch prekär sind, bis in unsere Zeit hinein enorm wirkungsmächtig", fügt der Forscher hinzu.

Eine Million Euro fehlt

Eine Million Euro verteilt über fünf Jahre bräuchte das Projekt. Klingt erstmal nach viel Geld, doch dieser Eindruck täuscht. Sieben Millionen Euro an Subventionen gehen jährlich allein in die Bayreuther Festspiele. Das reicht für gerade mal sechs Wochen Oper. Und an der Metropolitan Opera in New York hat man für den jüngsten "Ring" schlappe 17 Millionen Dollar ausgegeben. Nach dem damaligen Preisstand von 2010 waren das etwa 13 Millionen Euro. Für eine Produktion! Immerhin sitzt man dann auch vier Abende im Theater. Die Forschung kommt im Vergleich zur Kunst also mit recht wenig Geld aus.

In dieser Gesamtausgabe könnten wir endlich mit einem ganzen Erscheinungsbild von Wagner als Künstler, als Menschen, als Dichter, als Publizisten zu tun haben.
Jolanta Łada-Zielke, Kulturjournalistin

Unterschrift des Komponisten Richard Wagner  | Bildquelle: picture-alliance/dpa Unterschrift des Komponisten Richard Wagner | Bildquelle: picture-alliance/dpa Aber nicht nur die Wissenschaft interessiert sich für Wagners Briefe. Auch für die polnisch-hamburgische Kulturjournalistin Jolanta Łada-Zielke ist die Gesamtausgabe eine Herzensangelegenheit. Jeder Wagner-Biograph zitiere aus der Briefausgabe. "In dieser Gesamtausgabe könnten wir endlich mit einem ganzen Erscheinungsbild von Wagner als Künstler, als Menschen, als Dichter, als Publizisten zu tun haben", das wäre ihr besonders wichtig. Es gäbe immer noch Vorurteile gegenüber Wagner unter Musikern und in der Gesellschaft, viele Leute, die ein sehr klischeehaftes Bild von ihm haben. Viele in der Öffentlichkeit würden sich fragen, wozu man diese Gesamtausgabe bräuchte. "Ich glaube, das ist auch so eine Denkweise von den Menschen, die keine Ahnung haben, was für eine Bedeutung für die Kultur diese Gesamtausgabe haben könnte", sagt Jolanta Łada-Zielke.

Wagners antisemitische Haltung im Mittelpunkt der fehlenden Bände

Fest steht: Der vor allem für seine stundenlangen Opern bekannte Komponist war einer der wichtigsten Komponisten des 19. Jahrhunderts. Auch 150 Jahre später hat er die Filmmusik nachhaltig beeinflusst und mit seinen Musikdramen die Theaterwelt auf den Kopf gestellt. Unstrittig sind leider auch seine inakzeptablen antisemitischen und deutschnationalen Haltungen. Ausgerechnet diese Kapitel der Wagner-Biografie stehen im Mittelpunkt der fehlenden Briefbände. Doch am Ende ist alles eine Frage der Finanzierung.

Claudia Roth sieht hohes öffentliches Interesse an den Wagner-Briefen

Ein Sponsor bleibt noch: der Steuerzahler. Das zuständige Bundesministerium sieht in der Briefausgabe ein hohes öffentliches Interesse, so ein Sprecher von Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Die Ministerin setze sich im Stiftungsrat der Richard-Wagner-Stiftung für eine erneute Mobilisierung verschiedener Partner für die Fertigstellung der Ausgabe ein und prüfe auch eigene Möglichkeiten der Unterstützung, so der Sprecher. Doch solange sich keine finanziellen Partner finden, liegt das Projekt wohl auf Eis.

Um den Abschluss des Projekts doch noch finanzieren zu können, hat das Museum deshalb eine Online-Petition initiiert. Die Einstellung der Edition zum jetzigen Zeitpunkt wäre "eine kulturelle Bankrotterklärung", sagt Sven Friedrich.

Sendung: "Allegro" am 23. Februar 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (2)

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Montag, 27.Februar, 18:44 Uhr

Jörg

Mangelnde Qualitätskontrolle

Auch wenn es in diesem Text bereits korrigiert wurde, mir ist es nach wie vor unverständlich, dass im Audiobeitrag der Autor von Wagner als einem "der wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts" spricht. Mangelnde Qualitätskontrolle seitens der Redaktion?

Donnerstag, 23.Februar, 21:21 Uhr

Rüdiger

10 000 Briefe sind eine Menge...

... aber jetzt auch nicht exorbitant viel.

Erstaunlich, dass 12 Jahre nicht ausreichen, um diese Briefe herauszugeben, zumal ein Großteil ja schon zuvor in anderen Ausgaben veröffentlich wurden.

Wenn man bedenkt, wie viele Arbeitskräfte Richard Wagner geschaffen hat, kann die Respektlosigkeit, die viele dieser Experten ihm gegenüber zeigen, wirklich nur erstaunen.

Und dass jetzt Sven Friedrich, der den großen Wagnerianer Stefan Mickisch vom Hof gejagt hat und somit eine maßgebliche Rolle in dessen Lebenstragödie gespielt hat, jetzt hier als Gralshüter auftritt, ist auch nur schwer erträglich. Zur Erinnerung: Mickisch hatte die totalitären Corona-Maßnahmen der BRD-Regierung kritisiert. Dafür wurde er von Friedrich unflätig beschimpft und seines Lebensmittelspunkts beraubt. In den letzten Tagen erschien selbst in der New York Times Artikel, welche alle diese Maßnahmen im Westen als völlig nutzlos bzw. schädlich bezeichnen. Bekommt Mickisch wenigstens posthum eine Entschuldigung?

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