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"Lady Macbeth von Mzensk" in Augsburg Peter Konwitschny zeigt Verständnis für Mörderin

Katerina ist unglücklich verheiratet, stürzt sich in eine Affäre und tötet ihren Ehemann und Schwiegervater. Eine Mörderin - oder aber eine Frau, für die man Verständnis haben muss? Peter Konwitschny sieht in ihr vor allem letzteres. Seine Inszenierung, die bereits in Kopenhagen zu sehen war, feierte nun am Theater Augsburg Premiere.

Bildquelle: © A.T. Schaefer

"Lady Macbeth von Mzensk" in Augsburg

Peter Konwitschny zeigt Verständnis für Mörderin

Sie mischt ihrem Schwiegervater Rattengift in die Pilze. Sie erstickt ihren Ehemann mit einem Kissen. Sie wirft ihre Nebenbuhlerin in die eiskalte Wolga und springt kurz danach hinterher: Diese Katerina, die "Lady Macbeth von Mzensk", ist also ein ganz "böses Mädchen" und damit alles andere als eine Sympathieträgerin. Aber weil sie alle diese schrecklichen Taten aus quälender Langeweile begeht, rührt sie verstörender Weise die Herzen der Zuschauer. Der junge Dimitri Schostakowitsch hat 1932 also eine so tragische wie satirische Oper verfasst. Und er wurde von seinen Zeitgenossen sehr gut verstanden - zu gut. Der allmächtige Stalin soll sich zwar über die drastischen Beischlaf-Szenen köstlich amüsiert haben, nannte das damals viel gespielte Werk aber trotzdem einen "Wirrwarr" und sorgte dafür, dass es 1936 von den Spielplänen verschwand. Inzwischen gilt das Stück als wegweisender Klassiker der Moderne.

Peter Konwitschny im BR-KLASSIK-Interview

"Man muss natürlich auch bedenken, dass die Gesellschaft dergestalt ist, dass sie eben viele Menschen zum Mord treibt. Und das zeigen wir auch. Lady Macbeth ist bei uns keine finstere Mörderin, sondern eigentlich kindlich dem Leben zugewandt und nicht fähig, wirklich kriminell zu sein und sich vor den Nachstellungen der Polizei zu schützen... Die Frauen haben eine untergeordnete, dienende Rolle. Sie werden in Russland zu der Zeit fast wie Tiere gehalten. Und dann gibt es eine Frau, die sich wehrt, und zwar massiv... Katerina hat eine Vorbildrolle - nicht nur für die Bauern auf der Bühne, sondern auch für die Mädchen und Frauen im Zuschauerraum. Ich wünsche mir, dass sie sich nicht alles gefallen lassen... Das hier ist ein Mord, den eine Frau begeht, die von der Gesellschaft dazu getrieben wird." Peter Konwitschny, Regisseur

Signalfarben durchbrechen russische Tristesse

In Augsburg wurde die Urfassung der "Lady Macbeth von Mzensk" gespielt - übrigens in deutscher Sprache, was keine gute Idee war. Das Russische klingt einfach herber, authentischer und kann ja mit Übertiteln ohne Weiteres verständlich gemacht werden. Konwitschny und seine Ausstatter Timo Dentler und Okarina Peter ließen sich von den sowjetischen Künstlern der frühen dreißiger Jahre inspirieren, also den linksrevolutionären Suprematisten. Satte Signal-Farben wie auf damaligen Propagandapostern kennzeichneten die Hauptfiguren - gelb, blau, grün und rot. Daran orientierte sich auch die Lichtregie. Die Volksmasse war in schwarz und grau gekleidet: Symbol für die Tristesse des russischen Alltags.

Ein gekachelter, fensterloser Einheitsraum stand für die politische und private Ausweglosigkeit. Requisiten und Personen wurden über dreieinhalb Stunden hinweg von einem Laufband auf die Bühne getragen: Alle sind also vollkommen fremd gesteuert, Auftritte und Abtritte bestimmt ausschließlich eine anonyme Macht irgendwo an den Reglern. Mag sein, dass all diese optischen Verweise, die Kostüme und das Bühnenbild überdeutlich waren, aber Satire kann ja nur glaubwürdig sein, wenn sie drastisch, ja absurd überzeichnet - ein Thema, das hierzulande ja gerade heftig debattiert wird. Platter Realismus, gar kitschiger Naturalismus, wären hier fehl am Platz. Konwitschny überzeugt mit seiner konsequenten Stilisierung, mit seiner Sensibilität für die schwierige Werkgeschichte und seinem entschiedenen Engagement für die Menschenrechte, um die es hier geht. Zwischen den Akten hat auch ein Stalin-Witz Platz. Die Lacher waren verhalten. Verzichtbar waren die kurzen Video-Einspielungen - vor allem eine Atombomben-Explosion, die als Symbol für totale Zerstörung längst abgenutzt ist.

Russland wie zu Schostakowitschs Zeit

Etwas zahnlos wirkte das Dirigat des ungarischen Generalmusikdirektors Domonkos Héja: Laut genug war es. Was fehlte, war satirischer Biss - vor allem aber Tempo: Diese rasante Oper verträgt keine Behäbigkeit, schon gar nicht in den rabiaten symphonischen Zwischenspielen. Etwas mehr Übertreibung hätte dem Klangbild gut getan. Umso überzeugender war Sally du Randt in der Titelrolle: Sie spielte ihre Bühnenpräsenz und langjährige Erfahrung voll aus. Herrlich boshaft auch Markus Hauser als Polizeichef. Zu harmlos dagegen Matthias Schulz als rücksichtsloser Sergej, der die Frauen reihenweise flach legt und hinterhältig ausnutzt. Chor und Extrachor zeigten diesmal viel Spielfreude. Für das Augsburger Theater war der Aufwand enorm: Zwölf Blechbläser mussten für die Bühnenmusik zugekauft werden. Kinderstatisten waren als Pantomimen im Einsatz und meisterten ihre Aufgaben großartig. Eine beklemmende und beunruhigende "Lady Macbeth von Mzensk", zumal Russland immer noch oder schon wieder genauso aussieht, wie es Schostakowitsch vertont hat.

Link-Tipp

Alle Aufführungstermine sowie weitere Informationen zu Dmitri Schostakowitschs Oper "Lady Macbeth von Mzensk" finden Sie auf der Website des Theaters Augsburg.

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