Gefördert von Daniel Barenboim, geschätzt von Zubin Mehta, derzeit als künftiger Chefdirigent der Münchner Philharmoniker im Gespräch: Lahav Shani. Diese Woche dirigiert er im Herkulessaal der Münchner Residenz das Symphonieorchester des BR. Und darauf konzentriert er sich. Shanis Kommentar zu den aktuellen Spekulationen: "Ich habe im Moment nichts zu erzählen über diese ganze Geschichte. Wenn es etwas gibt, dann werde ich das natürlich sehr gerne tun."
Bildquelle: BR/Benedict Mirow
BR-KLASSIK: Herr Shani, Sie haben Ihre musikalische Karriere als Pianist begonnen, haben mit 18 Jahren bereits Tschaikowskys erstes Klavierkonzert mit dem Israel Philharmonic Orchestra gespielt. Woher kam dann der Wunsch Dirigent zu werden?
Lahav Shani: Ich wollte eigentlich das Orchester irgendwie führen. Ich habe nicht gedacht, dass man überhaupt dirigieren muss. Als ich Kontrabass gespielt habe im Orchester, habe ich sehr oft das Gefühl gehabt, wenn ich da vorne stehen würde, würde ich einige Sachen einfach anders machen. Zum Beispiel: hier würde ich viel zarter spielen; oder das - das müsste viel langsamer sein; das könnte viel intimer sein; hier ist es nicht stark genug. Sie sollen sich besser auf dem Horn konzentrieren und nicht auf den Dirigenten. Und so dachte ich: Wenn ich mal die Chance hätte, würde ich solche Sachen einmal dem Orchester sagen, weil ich meine eigene Vision über die Musik habe. Ich denke nicht, dass das mein eigenes Ich ist. Ich denke, so wollte der Komponist das machen. Aber wahrscheinlich denken alle Dirigenten so. Deswegen habe ich damit angefangen.
BR-KLASSIK: Dem Dirigenten kann man als Orchestermusiker ja eher schlecht sagen, welche Ideen man hat. Man muss sie selber umsetzen.
Lahav Shani: Ja, ich bin mir auch sicher, dass viele Musiker im Orchester solche Gefühle haben. Deswegen habe ich mir gedacht, wenn es nicht klappt mit dem Dirigieren, wäre das kein Problem. Ich spiele weiter Klavier und im Orchester, das macht nichts. Aber ich dachte auch, wenn ich mal die Chance dazu hätte, würde ich das probieren.
Ich war eigentlich kein Schüler von Barenboim und trotzdem habe ich von ihm so viel gelernt.
BR-KLASSIK: Sie haben außer in ihrer Heimat Israel auch in Berlin an der Hanns-Eisler-Musikhochschule studiert und waren dann Schüler von Daniel Barenboim, der Sie auch gefördert hat. Was haben Sie von ihm gelernt? Inwiefern war er wichtig für Sie?
Lahav Shani: Also, ich habe in Berlin schon einen richtigen Lehrer gehabt, Professor Christian Ewald. Der war mein Lehrer für vier Jahre. Bei Barenboim war es anders. Ich war eigentlich kein Schüler von ihm, und trotzdem habe ich von ihm so viel gelernt. Ich war bei unzähligen Proben von ihm an der Staatsoper und bei den Philharmonikern und so weiter. Und habe immer mit ihm auch über die Musik, über die Partituren gesprochen und ihm Fragen gestellt. Das war seine Initiative. Er war zu mir immer ganz warmherzig und einladend und und wollte, dass ich Fragen stelle.
Donnerstag, 19. Januar, und Freitag, 20. Januar, je 20 Uhr, im Münchner Herkulessaal. Lahav Shani dirigiert das Orchester mit Werken von John Adams und Sergei Rachmaninow, sowie Samuel Barbers Violinkonzert. Solist ist Gil Shaham.
BR-KLASSIK überträgt das Konzert am Freitag live im Radio.
BR-KLASSIK: Und wie hat er Sie inspiriert? Als Dirigent - gibt es da etwas, was Sie beeinflusst hat?
Lahav Shani: Die Arbeit mit Daniel Barenboim war genau das, was ich brauchte. An der Hochschule ist das ja alles eher Theorie. Man spricht über die Partitur, man dirigiert in der Luft, ohne Orchester. Man redet über musiktheoretische Fragen, ab und zu dirigiert man auch ein Orchester. Aber das ist nicht so, wie man das wirklich mit den Profis macht. Und bei Barenboim habe ich das Gefühl, er macht alles mit dem Orchester, was überhaupt in Frage kommt. Er hat mich immer überrascht. Wie tief kann man mit dem Orchester arbeiten? Nicht nur ein Detail, sondern alles, was in der Partitur steht, aber auch über Harmonie und Klang und Betonung. Und auch die Dramaturgie dem Orchester ganz bewusst beibringen. Das habe ich wirklich von ihm gelernt.
BR-KLASSIK: Barenboim hat nun seinen Rückzug von der Leitung der Staatsoper unter den Linden angekündigt. Ein großer Verlust für Berlin, aber auch für die musikalische Welt insgesamt.
Lahav Shani: Ja, natürlich. Also die letzten 30 Jahre war er in Berlin vielleicht die wichtigste Figur. Und nicht nur ich, ganz viele haben von ihm gelernt: Dirigenten, Pianisten, Sänger, Orchester, jüngere Leute, ältere. Ich hoffe, dass er so viele Jahre wie möglich noch weiter musizieren kann.
BR-KLASSIK: Ihre Karriere als Dirigent begann eigentlich in Bamberg, als sie 2013 dort den Dirigentenwettbewerb der Bamberger Symphoniker gewonnen haben. Den hat vor Ihnen auch schon Gustavo Dudamel gewonnen. Warum ist dieser Wettbewerb so bedeutend?
Lahav Shani: Also ich muss ehrlich sagen, als ich zum Wettbewerb kam, war ich sehr jung, ich war 23 oder 24 Jahre alt, und ich dachte gar nicht, dass ich überhaupt eine Chance habe. Ich dachte nur, dass das ein gutes Erlebnis für mich sein könnte, einmal ein solches Repertoire wie die Mahler-Symphonien mit diesem phantastischen Orchester zu erleben. Aber ich dachte nicht, dass ich überhaupt gewinne oder dass ich ins Finale komme. Aber ich bin dort auf ein Orchester gestoßen, das so bereit war, wirklich mit mir zu musizieren und alles so gut wie möglich zu machen. Und die spielen einfach ganz toll. Ich liebe dieses Orchester. Ich komme immer wieder gerne zurück wegen dieser Chemie. Also ich habe ihnen meine Ideen irgendwie gezeigt oder gesagt, und sie haben das toll gespielt und ich bin sehr dankbar.
BR-KLASSIK: Seit gut einem Jahr sind Sie Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra, also des wichtigsten und berühmtesten Orchesters Ihres Heimatlandes Israel. Was bedeutet diese Position für Sie und welche Ziele und Pläne haben Sie?
Lahav Shani: Also diese Beziehung zwischen dem Israel Philharmonic und mir ist sehr besonders, natürlich auch weil ich Israeli bin. Ich bin in Tel Aviv geboren und aufgewachsen, und ich war bei ganz vielen Konzerten des Orchesters unter Zubin Mehta und anderen Dirigenten. Ich kenne viele Musiker, habe mit ihnen sogar Kammermusik gespielt. Und natürlich gibt es die jüngere Generation, meine Generation. Viele davon sind mit mir in Tel Aviv aufgewachsen und mit mir in die Schule gegangen. Also das ist wirklich eine Familie geworden, schon bevor ich als Dirigent angefangen habe. Deswegen fühlt sich diese Position ganz natürlich an. Das ist wirklich ein Honeymoon zwischen mir und dem Orchester.
Zubin Mehta war eigentlich der erste Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestras. Und ich bin der zweite...
BR-KLASSIK: Und was sind Ihre Pläne? Wohin möchten Sie mit dem Orchester?
Lahav Shani: Das ist zuerst der Generationenwechsel, der in den letzten sechs, sieben Jahren passiert ist. So ist jetzt genau die richtige Zeit, den Klang wirklich zu bauen und zu entwickeln; obwohl das Orchester eine große Tradition hat mit so vielen Jahren unter Zubin Mehta und großen Gastdirigenten wie Bernstein zum Beispiel.
BR-KLASSIK: Bernstein hat viel gemacht mit dem Orchester über 40 Jahre lang.
Lahav Shani: Er war Artistic Advisor. Zubin Mehta war dann eigentlich der erste Chefdirigent des Orchesters. Und ich bin der zweite.
BR-KLASSIK: Keine schlechte Ausgangsposition als junger Dirigent.Jetzt hier beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks waren Sie ja auch schon am Pult. Im Programm gibt es ein bisschen einen Querschnitt durch die amerikanische Musik des früheren 20. Jahrhunderts?
Lahav Shani: Ja, aber natürlich ist Rachmaninow zuerst ein Russe, und es ist ganz deutlich in seiner Musik und vor allem auch bei diesem Stück, obwohl es schon in in Los Angeles geschrieben wurde. Da gibt es auch Zitate von früheren Stücken, zum Beispiel aus der ersten Symphonie, die er 40 Jahre früher geschrieben hatte, noch in Russland also. Da gibt es auch Erinnerungen an seine Heimat und so weiter.
BR-KLASSIK: Man hört gerade so einiges in Sachen zukünftiger Chefdirigent bei den Münchner Philharmonikern. Da fällt Ihr Name gegenwärtig. Sie haben das Orchester ja auch schon dirigiert, sind also in München mittlerweile ganz gut vernetzt. Sie sind in Verhandlungen mit dem Orchester. Ist das richtig?
Lahav Shani dirigiert die Münchner Philharmoniker. | Bildquelle: Tobias Hase Lahav Shani: Ich war vor ein paar Monaten bei den Münchner Philharmonikern, und das war wirklich eine ganz tolle Zeit. Ich weiß, dass das Orchester einen Chefdirigenten sucht. Aber jetzt, diese Woche bin ich beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Und und ich bin sehr, sehr froh, dass ich hier mit dem Orchester musizieren kann.
BR-KLASSIK: Das ist eine sehr diplomatische Antwort. Was gefällt Ihnen an der Musikstadt München, konnten Sie München schon ein bisschen kennenlernen?
Lahav Shani: Also, ich war schon mehrmals in München, zuerst beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und mehrmals auch auf Tournee, zum Beispiel mit den Wiener Symphonikern. Man kann hier ganz viel Kultur erleben, das ist ganz, ganz wunderbar.
BR-KLASSIK: Wenn Sie in München tatsächlich jetzt auch noch ein Amt übernehmen würden, dann hätten Sie ja drei Chefdirigenten-Positionen, denn Sie sind auch noch Chefdirigent des Rotterdam Symphony Orchestra - also eine große Herausforderung... Wäre das überhaupt möglich, drei Orchester zu leiten?
Lahav Shani: Also ich habe im Moment nichts zu erzählen über diese ganze Geschichte. Wenn es etwas gibt, dann werde ich das natürlich sehr gerne tun. Aber im Moment ist einfach wirklich nichts zu sagen.
Kommentare (2)
Donnerstag, 19.Januar, 14:44 Uhr
Rüdiger
Deutsche Dirigenten...
...schauen wieder einmal durch die Finger.
Warum bilden wir überhaupt noch Dirigenten aus, wenn sie sowieso für die musikalischen Spitzenpositionen niemals in Frage kommen.?Thielemann ist die große Ausnahme und der wurde oft von der Kritik unfähr angegangen, während die Skandale der ausländischen "Stardirigenten" gerne unter den Teppich gekehrt werden.
Und das deutsche Repertoire wird heute - gewiss einer der vielen "Zufälle" der heutigen Zeit - so schlecht interpretiert wie noch nie...
Donnerstag, 19.Januar, 10:42 Uhr
Yasin Möller
Shooting Star
Ja, gewiss ein politisch korrekter Entscheid. Und was zählt hierzulande mehr?