Mozart war einer, Beethoven ebenso, und der Teufelsgeiger Paganini hatte auch einen "Linksdrall" beim Trillern. Unter den Komponisten gab es wohl einige Linkshänder. Ob und wie sie das beeinflusst hat, im Alltag oder beim Musizieren, wissen wir nicht. Aber auch heutzutage gibt es unter den Musikerinnen und Musikern viele, deren bevorzugte Hand die linke ist. Wie fühlt sich das an? Und wo hakt es?
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Eigentlich macht sie alles mit Links: den Fußball kicken, den Tennisschläger packen, schreiben, gestikulieren, einen Apfel pflücken. Nur ihre Geige, die hält Eva Hahn so, wie alle anderen. Der Bogen wird von der rechten Hand über die Saiten gestrichen, die Akrobatik am Griffbrett vollführen die Finger der linken Hand.
"Dadurch, dass ich das von vorneherein so gelernt habe, würde ich sagen, dass es keinen Unterschied macht, ob ich Links- oder Rechtshänder bin", sagt Eva Hahn heute. Aber vom Gefühl her würde sie den Klang auf der Geige trotzdem lieber mit ihrer Hand des Herzens erzeugen: mit links. "Da würde ich sagen, dass es für den Rechtshänder ein Vorteil ist, dass er mit der Rechten den Klang produziert."
Schnelligkeit und Läufe stelle ich mit der linken Hand her. Insofern ist das ein Vorteil.
Beim Geigespielen ist eine flinke linke Hand durchaus von Vorteil. | Bildquelle: colourbox.com Der Bratschist Ulrich Breyer ist auch Linkshänder. Er sieht sich als Linkshänder im Vorteil: "Der Bogenarm ist für mich nicht das Entscheidende", sagt er. Wichtiger sei, wo er den Ton aus der Materie heraushole. Und das seien nun mal die Finger, mit denen er auf den Seiten greift. Also: links. "Die Hand, wo ich Schnelligkeit, Läufe und so herstelle, das ist die Linke. Insofern ist es von Vorteil", findet Breyer.
Können Linkshänder die Geige nicht einfach mit dem rechten Arm halten und den Bogen mit links? Abgesehen von den individuellen Prioritäten der Musiker ist es nicht üblich, im Orchester links mit dem Bogen herumzuhantieren. Man denke nur an die Enge im Orchestergraben eines Opernhauses. Es wäre geradezu gefährlich, wenn die Bögen wie Degen gegeneinander stechen. Und auch auf der Bühne würde der optische Eindruck des Orchesters gestört werden.
Es geht auch um Konformität in der Gruppe.
"Da geht’s auch um Konformität", sagt Eva Hahn. "Wir sind ja eine Violingruppe." Angeblich nimmt man in den nordischen Ländern mehr Rücksicht auf Linkshänder. Aber: "Ich habe das noch in keinem Profiorchester gesehen." Der Bratscher Ulrich Breyer ist in seiner über 30-jährigen Berufserfahrung als Profimusiker nur einmal auf diesen sehr speziellen Fall gestoßen: In seiner Jugend hatte im Orchester in Stuttgart ein Bratscher gesessen, der das Instrument andersrum hielt. "Das ist sehr irritierend", findet Breyer selbst.
Hintergrund war in dem Fall eine Handverletzung. Auch der Geiger Reinhard Goebel wurde so zwangsweise zum Linkshänder. Er hatte schlichtweg zu viel gespielt und sich bei der Einspielung komplexer Sonaten die Hand ruiniert: "Ich habe von morgens bis abends wie bekloppt getrillert", erinnert sich Goebel. Im Alter von 40 Jahren hat er dann komplett umgelernt, wurde zwangsweise zum Linkshänder. Dafür hat er bei Null angefangen. Nach zwei Jahren Üben war er nahezu so fit wie vorher. Und so trillerte fortan die rechte Hand auf dem Griffbrett, und die linke strich den Bogen. "Nach dem Konzert kamen dann Leute zu mir und haben gefragt: 'Sagen Sie mal, hab ich das richtig gesehen? Kann man das?' Ja, man kann. Man wird ja nicht mit der Geige in der Hand geboren." Reinhard Goebel meint sogar, das Umlernen habe ihm im Gehirn neue Denkräume eröffnet.
Prominentes Beispiel: Der Pianist Paul Wittgenstein verlor im Krieg seinen rechten Arm. Ab da spielte er nur noch mit Links. | Bildquelle: Scherl / Süddeutsche Zeitung Photo Eine andere Verletzung hat uns wunderschöne, gefühlvolle Klavierliteratur beschert. Eine Kriegsverletzung machte aus Paul Wittgenstein den berühmtesten einarmigen Pianisten der Musikgeschichte. Sein rechter Arm musste im ersten Weltkrieg amputiert werden. Und Maurice Ravel schrieb für ihn das Klavierkonzert für die linke Hand. Pianistinnen und Pianisten, die Linkshänder sind, jubeln vor Freude über das Stück. Hier können sie ihre "starke Linke" ausleben. Auch wenn der Anlass ja eher ein tragischer war.
Die Pianistin Julia Schölzel, Linkshänderin, kennt noch mehr Stücke, bei der ihre linke Hand den reinsten Freudentanz auf den Tasten aufführen darf: "Mir sind alle Stücke leichtgefallen, wo die linke Hand viel zu tun hat: die 'Revolutionsetüde' von Chopin oder der dritte Satz aus Beethovens 'Waldsteinsonate'." Für gewöhnlich hat beim Klavier die rechte Hand die Melodie, die linke Hand die Begleitung. Das lässt sich aber nicht so einfach umsetzen, weil die linke Hand immer um Aufmerksamkeit buhlt. "Wenn ich Klavier spiele, guck ich immer auf die linke Hand", erklärt Julia Schölzel. "Die rechte beobachte ich nur so aus dem Augenwinkel."
Während sich die Streicher offenbar leichter mit der Spieltradition arrangieren können, ist es für Pianistinnen und Pianisten eine– im buchstäblichen Sinne – starke Herausforderung. Julia Schölzel hat aus der Not eine Tugend gemacht und angefangen zu improvisieren: "In meinen eigenen Stücken war die linke Hand immer unheimlich rhythmisch, funky. Da war viel Action in der linken Hand. Ich habe dann Klavierstücke von Mozart oder Haydn verändert. Und die linke Hand hat mehr Oktaven bekommen." Wenn Julia Schölzel Konzerte gibt, setzt sie sich mit Literatur der Gegenwart auseinander und sorgt dafür, dass auch die eine Zukunft und ein Publikum bekommt: "In der zeitgenössischen Musik kann man sowieso beide Hände gleichwertig benutzen."
Sendung: "Allegro" am 13. August 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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